Von Andreas Fauth, 28.08.08, 18:42h
Seit Jahresbeginn gibt es in Leverkusen einen schwul-lesbischen Bayer-04-Fanclub. Während eines Trainingsbesuchs bei den Profis erzählen die „Junxx“ von anfänglichen Bedenken und ihren Zielen.
Leverkusen Jens Langenberg kann sich noch gut an das Spiel der Bundesliga-Fußballer von Bayer 04 gegen den Hamburger SV in der vergangenen Rückrunde erinnern. Rafael van der Vaart hatte die Norddeutschen in Führung geschossen, für die Werkself reichte es nur noch zum Ausgleich durch Manuel Friedrich. „Schwule, schwule Holländer“, das brüllten Leverkusener Fans damals. „Die Gesänge richten sich zum Glück nicht gegen uns. Aber der Fußball ist die letzte Heten-Bastion“, sagt Langenberg und muss selbst über seine Wortschöpfung schmunzeln. Der 28-Jährige ist der Vorsitzende der Bayer-04-Junxx, des ersten offiziellen schwul-lesbischen Fanclubs in Leverkusen.
15.30 Uhr an einem ganz normalen Wochentag auf dem Bayer-04 - Gelände an der Bismarckstraße. Trainer Ulf Kirsten scheucht die Regionalligaspieler über den gepflegten Rasen, von der Stadionbaustelle dringen Baggergeräusche herüber. Gleich müssen auch die Profis ran. Einige Fans warten schon ungeduldig. Jens Langenberg, Luca Frank, Jan Limpp und Luise Froß von den „Junxx“ haben auf der Empore gleich neben dem Übungsplatz Position bezogen. Von dort aus haben sie einen tollen Überblick. Ob alle Stars wohl zum Training kommen? Die „Junxx“ sind gespannt. Doch die Fußballer lassen auf sich warten.
Zeit für ein Gespräch. „Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass Schwulsein und Fußball zusammenpassen“, sagt Langenberg. Er ist seit Mitte der 90er Jahre Fan der Werkself - obwohl er aus Düsseldorf kommt. „Mein Vater wollte mich immer zur Fortuna mitnehmen, der verzeiht mir meine Vorliebe für Bayer 04 bis heute nicht."
Gefunden haben sich die zwölf Fans - alle kommen aus dem Rheinland - im Internetforum einer Szeneseite. Seit Anfang dieses Jahres werden sie als einer von 306 Fanclubs von Bayer 04 geführt. Das Klischee, im Fußball, einem Sport für „richtige“ Männer, hätten Homosexuelle nichts zu suchen, ist noch weit verbreitet. Noch nie hat sich ein aktiver deutscher Profifußballer als schwul geoutet, obwohl es rein statistisch schwule Profis geben müsste. Luca Frank, mit 21 der Jüngste der „Junxx“, der ein Fan-Shirt mit dem Aufdruck „Ausnahmen bestätigen die Regel“ trägt, nickt energisch: „Natürlich gibt es die!“ Die anderen stimmen ihm zu. Plötzlich huschen im Hintergrund Bruno Labbadia und Rudi Völler vorbei. So schnell sie gekommen sind, sind sie wieder verschwunden. Ist heute etwa ein Ruhetag für die Sportler?
Zunächst hatten die Zwölf noch Zweifel: Ist man denn in Leverkusen schon weit genug für einen schwulen Fanclub? Langenberg sprach über zwei Stunden mit dem Fanbeauftragten Andreas Paffrath. Der sicherte sofort Unterstützung zu. Das war die Geburtstunde der „Junxx“ - einer von zwölf offiziellen schwul-lesbischen Fanclubs im deutschen Profifußball. Mittlerweile haben sie einen Sitz im Fanbeirat. Sogar heterosexuelle Fans wie Jan Limpp haben sich ihnen angeschlossen.
Der Kölner musste sich dafür von einigen seiner Freunde spöttische Worte anhören. Für sie hatte er sich Fans „vom anderen Ufer“ angeschlossen - und das auch noch im doppelten Sinn. „Damit habe ich kein Problem“, sagt Limpp. Er ist auch immer dabei, wenn sich die „Junxx“ vor den Spielen mit den schwul-lesbischen Fanclubs der anderen Vereine treffen - „sogar mit Andersrum Rut-Wiess aus Köln.“ Man hat ja schließlich die gleichen Ziele.
Lobende Worte finden die „Junxx“ für Philipp Lahm. Der Nationalspieler des FC Bayern ließ sich auf der Titelseite eines schwulen Lifestyle-Magazins ablichten. Lobende Worte auch für DFB-Chef Theo Zwanziger, der schwule Fußballer zum Coming-Out ermutigte. Aber ist dieses Ziel realistisch? „Die sind sich gar nicht der Tragweite ihrer Forderungen bewusst. Das wird sich nicht von einem auf den anderen Tag ändern“, meint Langenberg und wird noch drastischer: „Ein Coming-Out könnte für einen Profi momentan leider noch das Karriere-Ende bedeuten."
Plötzlich hört man das Klacken von Fußballschuhen. Um 16.30 Uhr, mit einer Stunde Verspätung, traben endlich die Profis auf den Rasen. Luca Frank zeigt fragend auf den Spieler mit der Trikotnummer 33? „Das ist der Reinartz, der ist bei der Ersten und der Zweiten dabei“, erklärt Langenberg. Man merkt ihm an, dass er schon viele Spiele mit seinem Verein gefiebert hat. In den 90 Minuten zählt für ihn nur der Erfolg seiner Elf. Dann prallen auch schwulenfeindliche Fan-Gesänge von ihm ab - wie damals gegen den HSV. „Schwule, schwule Holländer“, haben sie gegrölt. Er hat einfach mitgebrüllt.