Simon Rolfes wurde in Leverkusen zum Mannschaftskapitän befördert, in der Nationalelf könnte er eines Tages Michael Ballack ersetzen. Christoph Biermann erklärt, was ihn im defensiven Mittelfeld auszeichnet.
Wenn man behauptet, dass der 26-jährige Simon Rolfes ein Spätstarter ist, dürfte selbst der Leverkusener Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen nicht widersprechen. Seinen Heimatverein TuS Recke im Westfälischen verließ er erst mit 17 Jahren, um ins Jugendinternat von Werder Bremen zu wechseln. Dort wurde er als hoffnungsvolles Talent zwar zügig befördert und bekam 2001 nach einer guten Saison in Werders zweiter Mannschaft gleich einen Profivertrag, doch so richtig durchsetzen konnte Rolfes sich in der Bundesliga zunächst nicht. Die Bremer liehen ihn an den damaligen Zweitligisten SSV Reutlingen aus, aber auch danach schaffte Rolfes den Durchbruch bei Werder nicht. So wechselte er endgültig in die 2. Liga zu Alemannia Aachen, und dort ging es dann richtig los.
Auf eine sehr erfolgreiche Saison mit guten Leistungen im UEFA-Pokal, wo Aachen als Pokalfinalist antreten durfte, folgte 2005 der Wechsel zu Bayer Leverkusen. Im März letzten Jahres debütierte Rolfes gegen Dänemark als Nationalspieler, in diesem Sommer durfte er mit zur Europameisterschaft, und danach wurde er von Trainer Bruno Labbadia in Leverkusen zum Mannschaftskapitän gemacht. Man sieht daran, dass Umwege über den zweiten Bildungsweg im Fußball noch nicht aus der Mode sind. Allerdings hat Rolfes nicht nur Beharrlichkeit, sondern auch die Bereitschaft zur Nachhilfe an den Tag gelegt. Wie sein Kumpel Thomas Hitzlsperger machte er immer wieder Sondertraining, um sich zu verbessern, teilweise auch auf eigene Kosten. Doch welche Fähigkeiten sind es eigentlich, die Rolfes auf seinem Arbeitsplatz im defensiven Mittelfeld auszeichnen?
Es ist inzwischen eine Binsenweisheit, dass heute im Fußball der zentralen Position vor der Abwehr eine große strategische Bedeutung zukommt. Einerseits ist sie ein Wellenbrecher der gegnerischen Angriffe, andererseits sollten die Spieler von dort auch das eigene Angriffsspiel einleiten, also den kurzen Moment gegnerischer Unordnung nach Balleroberung für kluge und gefährliche Pässe nach vorne ausnutzen. Leider ist die Welt aber nicht so ideal, wie man es gerne hätte, und daher tummeln sich vor der Abwehr meistens Spieler, die entweder im defensiven oder im offensiven Part größere Stärken haben. Bei Rolfes ist das die Defensive. Kein Wunder, früher hat er auch schon mal hinten links gespielt. So ist es auch kein Zufall, dass er bei der Euro 2008 gegen Portugal sein bestes Länderspiel machte, als Michael Ballack so vor ihm spielte wie in Leverkusen bis vor kurzem Sergej Barbarez. Das soll aber nicht heißen, dass Rolfes zum Spielaufbau zu wenig beiträgt. Seine Pässe sind im Gegenteil oft schlau und meistens genau getimt, außerdem sind 18 Tore in einhundert Bundesligaspielen eine ordentliche Quote. Besonders aber zeichnet Rolfes seine Stetigkeit aus. Natürlich hat auch er mal schlechte Tage, aber selbst dann ist er immer noch fleißig. Und wenn es für sein Team richtig schlecht läuft, macht er sich nicht aus dem Staub – weder im Spiel noch hinterher.
Simon Rolfes ist über die Jahre so gewachsen, dass seine Berufung zum Mannschaftskapitän logisch war. Und man fragt sich, ob er in Zukunft noch weiter wachsen wird. Das größte Potenzial gibt es dort, wo die Persönlichkeit zum Ausdruck kommt. Denn so beständig, so engagiert und so freundlich Rolfes auch stets erscheint, fehlt ihm manchmal das, was man Temperament nennt. Doch kann man das trainieren?