Leverkusens duales System

  • Bayer 04 ermöglicht jungen Fußball-Talenten eine Ausbildung


    Leverkusens duales System


    Von Jörg Strohschein


    Bundesliga, vielleicht gar Nationalmannschaft - davon träumen viele junge Fußballer. Aber was, wenn`s nicht klappt? Bei Bayer 04 Leverlusen drücken einige Nachwuchstalente vorsorglich die Schulbank - im neuen Ausbildungscenter des Klubs.


    Mit Richard Sukuta-Pasu würden die meisten seiner Altersgenossen gerne tauschen. Der 18-jährige Sohn kongolesischer Eltern ist Fußballprofi bei Bayer 04 Leverkusen und gilt als eines der größten Sturmtalente hierzulande. Ein sorgenfreies Leben und gesellschaftliche Anerkennung scheinen dem U19-Nationalspieler, der gerade Europameister wurde, garantiert. Und trotzdem: "Fußball allein reicht nicht", sagt Richard Sukuta-Pasu. "Mit einer Ausbildung hat man einen Joker in der Hand."


    "Wie eine weitere Trainingseinheit"


    In seiner Freizeit drückt Richard Sukuta-Pasu deshalb zusätzlich die Schulbank, steht hinter dem Verkaufstresen im Fanshop oder besucht eine Berufsschule in Köln. Bayer 04 Leverkusen hat ihm diese Möglichkeit geboten. Der gebürtige Wuppertaler macht parallel zu seiner fußballerischen Ausbildung eine Lehre zum Sport- und Fitnesskaufmann und befindet sich derzeit im zweiten Lehrjahr. "Anfangs war das nicht ganz einfach. Aber mittlerweile ist die Ausbildungszeit wie eine weitere Trainingseinheit für mich", sagt er. Und damit ist Richard Sukuta-Pasu bei Bayer 04 nicht allein.


    Ein bundesweit einmaliges Projekt


    Seit einigen Wochen unterhält der Klub ein eigenes Ausbildungscenter. Berufe wie Systemelektroniker, Bürokaufmann, Fachinformatiker oder eben Sport- und Fitnesskaufmann können dort erlernt werden. Unterrichtsräume hat der Verein eigens angemietet, ein sechsstelliger Betrag steht der Einrichtung zur Verfügung. "Wir sind bundesweit sicher ein einmaliges Projekt", sagt Eva Schmitz. Gemeinsam mit Lutz Hoffmann ist sie für die Koordination und Umsetzung der Ausbildung zuständig. Die Leverkusener haben ihr eigenes duales System geschaffen.


    Bereits seit 2003 bietet der Klub seinen Sportlern - wie Richard Sukuta-Pasu - die Möglichkeit für eine zusätzliche Ausbildung. Mit dem neuen Ausbildungscenter wird das Konzept ausgebaut und das Spektrum der Lehrberufe - zuvor beschränkt auf Sport- und Fitnesskaufleute, Bürokaufleute und IT-Kräfte - erweitert. "Jetzt haben wir die Infrastruktur, um das noch professioneller und mit mehr jungen Leuten umzusetzen", sagt Lutz Hoffmann. Bis zu 15 Auszubildende sollen in den neuen Räumen künftig einen Beruf erlernen - um dann vor der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Abschlussprüfung abzulegen.


    "Der Sport hat Vorrang"


    Der Lehrstoff unterscheidet sich nicht von dem "normaler" Lehrlinge. Denn auch einige Jugendliche ohne sportlichen Hintergrund sollen die Lehre im Bayer-Ausbildungscenter absolvieren können. Schließlich erhalten auch alle Lehrlinge - dem Lehrjahr angepasst - die gleiche Vergütung zwischen 600 bis 750 Euro. Doch die praktische sowie theoretische Ausbildung der Sportler-Mehrheit wird jeweils individuell mit dem Sport abgestimmt. "Das ist natürlich ein Spagat. Wir arbeiten mit freiberuflichen Lehrern und versuchen, die Termine so gut es geht zu koordinieren. Wir sind da sehr flexibel. Denn der Sport hat Vorrang", sagt Eva Schmitz.


    Ein Standortvorteil für Bayer Leverkusen


    Jürgen Gelsdorf, der als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums bei Bayer 04 Leverkusen beschäftigt ist, sieht in diesem zusätzlichen Angebot für den Nachwuchs "einen echten Standortvorteil. Denn wir stehen natürlich in Konkurrenz zu den anderen großen Vereinen in der Region. Und es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass wir so etwas anbieten", sagt er. Immer mehr Eltern talentierter Spieler würden offensiv mit dem Thema umgehen und konkret nachfragen, was unseren Klub von anderen unterscheidet. "Wir können den Jungs eine andere Perspektive anbieten", antwortet Gelsdorf. "Ich wundere mich immer darüber, dass andere Vereine so etwas nicht auch machen. Aber so richtig kümmert sich niemand außer uns darum."


    Richard Sukuta-Pasu hat am vierten Spieltag der laufenden Saison beim Hamburger SV seinen ersten Bundesligaeinsatz hinter sich gebracht. Entsprechend euphorisch ist sein Blick in die nahe Zukunft. "Ich will jetzt so viele Einsätze wie möglich", sagt er. Ob er denn seine Ausbildung jetzt abbrechen würde und nur noch auf die Karte Fußball setzen will? "Nein, das mache ich auf jeden Fall zu Ende. Mit dem Fußball kann es ganz schnell vorbei sein."



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