Schwule Sportler sind weiter ein Tabu
FUßBALL Beleidigungen in den Stadien sorgen für wenig Empörung – Druck auf Spieler hoch
Faninitiativen, Vereine und Verbände haben dem Rassismus in den Stadien schon länger den Kampf angesagt. Homophobie, schwulenfeindliche Diffamierungen beispielsweise, sorgen dagegen weit weniger für Empörung. Absurd und grotesk findet es Professor Dr. Martin Schweer von der Universität Vechta, dass es immer noch wesentlich stärkere Sanktionen bei der Diskriminierung von Ausländern als von Homosexuellen gibt. Er verweist auf die Beleidigung von Dortmunds Torwart Roman Weidenfeller 2007: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verhängte eine geringere Strafe, als Weidenfeller beteuerte, er habe Schalke-Spieler Gerald Asamoah nicht „schwarze Sau“ sondern „schwule Sau“ genannt.
Homosexualität ist immer noch ein Tabu-Thema. Vor allem in als typisch männlich wahrgenommenen Sportarten wie Fußball, Boxen oder Eishockey, erklärt Schweer, der sich als Lehrstuhl-Inhaber für Pädagogische Psychologie auch mit dem Thema Sexualität in Verbindung mit Leistungssport beschäftigt. Schweers Untersuchungen zur Fremdwahrnehmung von Sexualität legen nahe, dass die meisten Menschen bestimmte Kategorien im Kopf haben: In typisch männlich empfundenen Sportarten erwarte man eher keine schwulen Sportler, aber durchaus lesbische Sportlerinnen. Bei „ästhetischen Sportarten“ wie Eiskunstlauf passen schwule Sportler ins Bild, lesbische Sportlerinnen aber eben nicht.
Die neuere Forschung geht davon aus, dass etwa fünf Prozent der Bevölkerung homosexuell, bis zu zehn Prozent bisexuell sind. Wie viele Profisportler schwul oder lesbisch sind, lässt sich aus diesen Zahlen aber nicht automatisch ableiten, und Untersuchungen gibt es dazu bisher nicht, erklärt der Wissenschaftler aus Vechta.
Es werde vermutlich eine „Drop-Out-Quote“ geben – also Homosexuelle, die den Leistungssport frühzeitig verlassen, weil sie dem Leidensdruck nicht standhalten. „Es kann sein, dass entsprechendes Potenzial für den Leistungssport so schon im Jugendalter verloren geht“, sagt Schweer.
Bisher hatte noch kein Profi-Fußballer den Mut, öffentlich zu seiner Homosexualität zu stehen. Auch dass DFB-Präsident Theo Zwanziger im vergangenen Jahr den Kampf gegen die Diskriminierung homosexueller Sportler zur Chefsache erklärt hat, ändert daran nichts. Offizielle Stellungnahmen und Aktionsabende reichten alleine nicht aus, kritisiert Schweer, das Klima sei zu wenig freundlich. „Das Entscheidende ist doch, dass in den Vereinen etwas passiert“. Außer von Philipp Lahm gab es noch kaum öffentliche solidarische Aussagen prominenter Fußballer.
Schweer wagt daher zu bezweifeln, dass es in nächster Zeit Coming Outs in der Bundesliga gibt. „Zu unkalkulierbar“ seien die Konsequenzen noch für die Betroffenen – vor allem bei „männlichen“ Sportarten wie Fußball, die mit viel Geld und hoher medialer Aufmerksamkeit verbunden seien.
Noch. Denn es gibt immer mehr Aktionen gegen Schwulenhass in den Stadien. Und Vereine wie Hertha BSC, HSV, Bayern München, Köln und St. Pauli können seit ein paar Jahren auf ihre schwul-lesbischen Fanclubs zählen.