Finanzkrise..Auswirkungen auf den Fussball

  • Trotz gigantischer Fernsehverträge und milliardenschwerer Geldgeber ist der englische Fußball nicht immun gegen das weltweite Finanzchaos. Die 20 Vereine der Premier League stehen mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro in der Kreide. Die Abhängigkeit von einzelnen Eignern könnte einige Klubs in den Ruin treiben.


    Ausschluss von europäischen Wettbewerben?


    Die Angst vor dem drohenden Zusammenbruch einiger Vereine auf der Insel hat inzwischen auch den kontinentalen Verband Uefa erreicht. Hochverschuldete Klubs müssten mit dem Ausschluss von europäischen Wettbewerben rechnen, sagte Generalsekretär David Taylor am Mittwoch.


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    Wie wird sich die Finanzkrise wohl auf die Bundesliga auswirken?

  • Finanzkrise


    Das Ende der Preistreiberei


    Erstellt 05.01.09, 19:31h


    Die weltweite Finanzkrise sorgt auch im Fußball für vergleichsweise bescheidene Wintertransfers. Selbst Chelsea-Eigner Roman Abramowitsch zückt den Rotstift und untersagt Neuverpflichtungen.


    FRANKFURT - Die weltweite Finanzkrise bedroht Fußball-Europa und könnte den Traum von Nationalmannschafts-Kapitän Michael Ballack vom Champions-League-Triumph mit dem FC Chelsea jäh platzen lassen. Weil das Vermögen von Klubbesitzer Roman Abramowitsch angeblich um 14 Milliarden Euro geschrumpft ist, steht den Blues ein schmerzhaftes Sparprogramm bevor. Erstes Indiz: Womöglich muss der englische Vizemeister ohne Neuzugang im Januar auskommen. „Es ist eine andere, eine schwierigere Zeit für Chelsea“, klagte Trainer Luiz Felipe Scolari und muss dieser Tage förmlich um einen Neuzugang betteln: „Wenn sich keiner mehr verletzt, dann werden sie wohl höchstens noch einen Neuen holen, denn ich brauche ja einen neuen Spieler. Nur einen. Einen Stürmer.“


    Die Auswirkungen der Finanzkrise haben die Premier League, die mit rund 3,2 Milliarden Euro verschuldet ist, offenbar schon voll erwischt. Statt Millionen-Transfers zu tätigen, üben sich die Großkopferten in Zurückhaltung. Meister Manchester United verpflichtete als einzigen Neuzugang für die restliche Saison den 21-jährigen Serben Zoran Tosic. „Das war es erstmal mit unseren Neuzugängen. In diesem Monat werden wir definitiv nicht mehr aktiv“, erklärte ManU-Teammanager Sir Alex Ferguson.


    Dabei wurde auf der Insel erst vor einem Jahr eine Rekordsumme von umgerechnet rund 240 Millionen Euro in die Januar-Transfers investiert. Fünf Jahre zuvor waren es im Vergleich dazu „nur“ 50 Millionen Euro gewesen.


    Deutschlands Fußball-Lichtgestalt Franz Beckenbauer allerdings sieht die schwierige wirtschaftliche Situation auch als Chance für eine Regulierung der „Marktpreise“. „Gott sei Dank trägt die allgemeine Finanzkrise als Nebeneffekt dazu bei, dass die absurde Preistreiberei in Europa aufhört. 20 oder mehr Millionen Euro für Durchschnitts-Spieler? Das war Wahnsinn und wird sich hoffentlich ändern“, meinte Beckenbauer. Bayern-Coach Jürgen Klinsmann ergänzte in Dubai: „Es wird spannend sein zu verfolgen, was bei den großen Klubs passiert, wenn die Investoren sagen, dass sie nicht mehr das nötige Kleingeld haben.“


    Auf der Insel geht die Angst um


    Besonders in England geht angesichts der Hiobsbotschaften und düsteren Prognosen aus aller Welt die Angst um. Kein Wunder, neun der 20 Premier-League-Klubs sind derzeit im Besitz ausländischer Investoren. Vor allem West Ham United droht Ungemach, weil der Klub in isländischer Hand ist. In Island hat die Finanzkrise zum Staatsbankrott geführt. Hammers-Besitzer Björgolfur Gudmundsson ist davon direkt betroffen und muss den Klub so schnell wie möglich verkaufen.


    Auch Chelsea könnte vor einer ungewissen Zukunft stehen. Immerhin soll das Vermögen von Blues-Besitzer Roman Abramowitsch nach Angaben der russischen Zeitung Iswestja innerhalb weniger Monate von knapp 17 Milliarden Euro auf 2,3 Milliarden Euro geschrumpft sein. Den Rotstift hat Abramowitsch, der seit der Übernahme des FC Chelsea vor fünfeinhalb Jahren rund 500 Millionen Euro in die Blues investiert haben soll, bereits angesetzt. Im November wurden 15 der 25 Talentspäher freigestellt, darunter der ehemalige deutsche Nationalspieler Rainer Bonhof. „Mir wurde lediglich mitgeteilt, dass aus Kostengründen Länder wie Deutschland und Italien nicht mehr systematisch, sondern allenfalls punktuell beobachtet werden“, sagte Bonhof. Abramowitsch persönlich soll Coach Scolari Neueinkäufe in der Winterpause untersagt haben. Derzeit belastet ein Schuldenberg von umgerechnet rund 1,1 Milliarden Euro die Blues. Bei rund 870 Millionen Euro handelt es sich um Kredite. Diese muss der Klub an Abramowitsch zurückzahlen. Das Ziel, 2010 zumindest ohne zusätzlichen Schulden auszukommen, ist wegen der weltweiten Wirtschaftsflaute erst einmal in weite Ferne gerückt. (sid)


    http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1230850613221

  • Millionenspiel-Fussball: «Was da läuft, ist krank»


    Von Peter M. Birrer. Aktualisiert am 20.01.2009


    «boutique football»-Chef Ilja Kaenzig über Scheichs, zu teure Spieler und die Young Boys als Modellfall für den Schweizer Fussball.
    Zur Person Ilja Kaenzig, dessen Mutter aus Russland stammt, ist 35 Jahre alt und kommt aus Sursee LU. Kaenzig stieg nach dem Betriebswirtschaftsstudium bei den Grasshoppers ins Fussballgeschäft ein (1994 bis 1998) und wurde im Mai 1998 Chef der Nachwuchsabteilung von Bayer Leverkusen. Beim Bundesligisten wurde er im Juli 2002 als Partner Reiner Calmunds zum Manager befördert. 2004 zog er weiter zu Hannover 96. Im November 2006 trennten sich die Wege vorzeitig. Seit Februar 2008 ist Kaenzig mit seiner Firma «boutique football» auf dem Markt und betrachtet das Unternehmen als Bindeglied zwischen Investoren und Fussball.


    Die Finanz- und Wirtschaftskrise dominiert die Schlagzeilen. Wie stark ist der internationale Fussball betroffen?
    Es ist nicht so, dass die Branche tot ist, im Gegenteil. Die Industrie funktioniert, der Fussball boomt. Die Zuschauerzahlen belegen das eindrücklich. Aber natürlich ist die Branche auch stark betroffen. Das Geld fliesst nicht mehr im grossen Stil, Klubbesitzer haben viel verloren. Es ist völlig ungewiss, wie lange es geht, bis wieder Investoren anbeissen. Es gibt verschiedene Stimmen. Die einen behaupten, die Krise werde sich weiter verschärfen. Dann gibt es welche, die sagen, der Fussball profitiere, weil Investoren nicht in irgendein Scheinprodukt Geld einschiessen, sondern in etwas Greifbares. Und Fussball ist etwas Greifbares.


    Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi hat sich bei Manchester City eingekauft. Ist es nicht absurd, wenn Geld nicht die geringste Rolle spielt und er Robinho für 60 Millionen Franken als Einstandsgeschenk mitbringt? Oder wenn er jetzt für Milans Kaká über 170 Millionen Franken aufwerfen will?
    Das wirkt alles sehr unpassend in der heutigen Zeit. Mir kommt das vor, als würde einer auf die Jagd gehen, der sich aber erst gar nicht gegen andere Jäger behaupten muss, weil es diese nicht mehr gibt. Und wenn das Wild erst noch an den Bäumen gefesselt ist, hat er nicht einmal mehr die Herausforderung, um es zu erlegen. Er muss also nicht mehr viel tun, um die Beute zu holen. Das macht Leuten wie diesem Scheich irgendwann keinen Spass mehr. Dafür sind viele Leute ziemlich verärgert, wenn sie hören, dass ein Scheich auch 18 Robinhos holen kann, wenn er Lust dazu hat. Das ist krank.


    Apropos Spass: Roman Abramowitsch scheint das Lachen vergangen zu sein. Es wird vermutet, dass er Chelsea verkaufen will. Erwarten Sie bei Chelsea das Ende der Ära Abramowitsch?
    Abramowitsch hat mit enorm hohem Einsatz im Casino gespielt. Das war seine Welt. Wenn er jetzt nur noch einen Bruchteil dessen setzen kann, verliert auch er den Spass. Er hat sich mit der Übernahme des FC Chelsea einen Namen gemacht. Aber jetzt, glaube ich zumindest, ist das Ende der Ära nahe. Ein Abramowitsch hat ganz bestimmt keine Lust, von einer Riesenjacht auf ein Motorboot umzusteigen.


    Wer wird im Fussball die Krise überleben?
    Die klassischen Sportinvestoren wie zum Beispiel der Amerikaner Malcolm Glazer bei Manchester United. Oder Randy Lerner bei Aston Villa. Die führen ihre Klubs nach gängigen Geschäftsprinzipien.


    Stürzt bei Chelsea das Kartenhaus ein, wenn Abramowitsch aussteigt?
    Nein, er wird einen Käufer finden. Gegenwärtig findet einfach eine allgemeine Gesundschrumpfung statt, auch bei Chelsea. Aber das macht die Mannschaft sicher nicht schwächer. Man stelle sich vor: Jeder der 15 Scouts, die entlassen worden sind, haben bei Chelsea 150'000 Pfund kassiert. Das sind je nach Kurs über 300'000 Franken pro Jahr. Frank Arnesen (ehemaliger dänischer Nationalspieler, die Red.) verdient als Chefscout fast fünf Millionen Franken. Das sind Exzesse, die gestoppt werden mussten. Von den Spielern hat jeder acht VIP-Saisonkarten bekommen, jetzt sind es nur noch vier. Deswegen spielt aber keiner schlechter.


    Die Gehälter sind auch in gekürzter Form immer noch fürstlich.
    Ja, dann sind sie immer noch auf einer Stufe, die für unser Verständnis sehr hoch ist. Bayerns Manager Uli Hoeness hat im Zusammenhang mit den exorbitanten Löhnen immer von einer Wettbewerbsverfälschung gesprochen. Ganz Unrecht hat er nicht. Jetzt wird man wieder realistischer.


    Auch in England?
    Ja, auch da. Die Premier League generiert mit ihrer globalen Strahlkraft immer noch am meisten Geld. Folglich ist es auch korrekt, wenn dort am meisten verdient werden kann.


    Aber die Verschuldung der Klubs beläuft sich nach Angaben des englischen Verbands auf drei Milliarden Franken.
    Das stimmt. Nur sollte man das differenziert anschauen. 80 Prozent davon entfallen auf vier Vereine. Und ein Drittel macht allein der FC Chelsea aus. Wobei man sich auch im Klaren sein muss, um was für Schulden es sich handelt. Das sind Darlehen des jeweiligen Vereinsbesitzers.


    Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie lesen, dass Cristiano Ronaldo sein ohnehin schon üppiges Salär drastisch aufgebessert sehen möchte?
    Da schüttle ich den Kopf wie bei anderen Beispielen. Nehmen wir den FC Reading. Der Besitzer sagt, er sei bereit, den Verein zu verkaufen, lasse sich aber nur zu Verhandlungsgesprächen mit einem Milliardär ein. Bei allem Respekt: Wer ist der FC Reading? (Zweithöchste Liga, die Red.) Die Gier im Fussball hat ausgeartet, es ist der kollektive Wahn ausgebrochen. Die wundersame Geldvermehrung ist zu Ende. Ronaldo kann heute schon drohen, dass er Manchester United verlässt. Fragt sich dann nur: Wer bezahlt ihm mehr? Die Antwort ist auch klar: fast niemand.


    Was halten Sie von einer Gehaltsobergrenze im Fussball analog zur Handhabung in den USA?
    Ich wäre dafür, aber rechtlich ist das nicht umsetzbar, leider. Die G14 (Zusammenschluss europäischer Fussballklubs, inzwischen aufgelöst, die Red.) hatte das Thema diskutiert. Dann meldete sich aber der Vertreter der AC Milan zu Wort: «Da machen wir nicht mit. Wir geben so viel Geld aus, wie wir für nötig halten. Ist es mehr, als wir haben, begleicht Präsident Silvio Berlusconi am Ende des Jahres die Differenz.»


    Bekommt der Schweizer Fussball die Krise auch zu spüren?
    Weniger, glaube ich. Wer in der Schweiz heute nicht in der Lage ist, fünf Millionen Franken zu investieren, für den ist das Geschäft ohnehin eine Nummer zu gross. Ich kann mir vorstellen, dass die Schweiz Profit daraus ziehen kann, dass man nun vielleicht Spieler bekommt, die andernorts nicht mehr die Saläre erhalten, die sie sich gewöhnt sind. Es findet eine Nivellierung statt. Das führt dazu, dass die Champions League für die Schweizer Klubs eher wieder ein Thema wird. Und dass Bayern oder Lyon grössere Chancen haben, die Champions League zu gewinnen.


    Empfehlen Sie Investoren auch den Schweizer Markt?
    Ja, durchaus. Diesbezüglich sind die Young Boys für mich so etwas wie ein Modellfall. Externe Investoren haben den Verein optimiert, und so, wie ich das aus der Ferne beurteilen kann, sind alle zufrieden: Der Klub, weil die Mannschaft im sportlichen Bereich wieder da ist, wo sie hinwollte; die Investoren, weil das Geschäft für sie Rendite abwirft. Es würde mich nicht erstaunen, wenn das Beispiel YB Schule machen und andere Vereine zur Nachahmung ermuntern würde. (Berner Zeitung)


    Erstellt: 20.01.2009, 07:53 Uhr
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