Flieg, Adler, flieg (Adler ist ein Weltklassekeeper)

  • Flieg, Adler, flieg


    Quelle: http://www.focus.de


    Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft schlägt Russland 2:1 (2:0) und zeigt dabei viele technisch-taktische Tugenden – aber nach dem Gegentor auch alte Schwächen in der Defensive
    Von FOCUS-Redakteur Christian Witt
    WM-Qualifikation - Deutschland gegen Russland


    Was begann wie ein verheißungsvolles Schützenfest, endete als wahre Nervenschlacht.


    Nach einem fulminanten und spielerisch hochklassigen Auftakt durfte die deutsche Nationalmannschaft am Ende hoch zufrieden sein, dass im vielleicht wichtigsten Gruppenspiel der Qualifikation zur WM 2010 in Südafrika zumindest das Ergebnis stimmte.


    Ballack bleibt der Leader


    Mit einem 2:1 (2:0) gegen Russland sicherte sich die Elf von Bundestrainer Joachim Löw vor rund 66 000 Zuschauern in Dortmund drei eminent wichtige Punkte.


    Zwei weitere Erkenntnisse durfte Löw neben dem guten Ergebnis registrieren: Der alte Leader Michael Ballack ist im deutschen Spiel noch immer die zentrale und wohl wichtigste Figur, um die großen und heiklen Dinger zu biegen. Und mit René Adler, dem Debütanten im deutschen Tor, hat man wieder einen Weltklassekeeper im Kader, der auch noch in den hitzigsten Situationen eiskalt seine Kunst beherrscht.


    Hitzlsperger für Frings


    In die heiße Phase des Unternehmens WM-Qualifikation startete Löw, der im trendy-braunen Rollkragenpullover und ohne den gewohnten Schal erschien, mit einem gehörigen Wagnis. Statt des etatmäßigen und bewährten Mittelfeldabräumers Torsten Frings rückte der Stuttgarter Thomas Hitzlsperger neben Kapitän Michael Ballack in die Mittelfeldschaltzentrale.


    Vergessen die Verdienste des langmähnigen Bremers, der die deutsche Elf während der Euro 2008 noch mit leidenschaftlichem Einsatz im Halbfinale gegen die Türkei auf die Siegerstraße und ins Finale geführt hatte, nachdem er sich in der zweiten Halbzeit trotz Rippenfraktur einmal mehr als überragender Vorkämpfer in die Zweikämpfe gworfen hatte. Vergessen auch seine wichtige Rolle als Co-Anführer hinter den Kulissen.


    Die Löw´sche Neuordnung


    Mit diesem Personalwechsel begann Löw wohl auch endgültig das Unternehmen hierarchische Neuordnung. Der Bundestrainer verließ selbstbewusst die alten Muster, die das Team zum Sommermärchen 2006 und zuletzt während des EM-Turniers in Österreich und der Schweiz getragen hatten.


    Frings teildemontiert, Ballack seit seinem EM-Final-Ausraster, als er den Teammanger Oliver Bierhoff im tiefsten Niederlagenfrust nach verbalem Schlagabtausch als „Obertucke“ bezeichnet hatte, ein Stück weit von seinem Unberührbarensockel herunter geholt und das alles unmittelbar vor dem wichtigsten Gruppenspiel auf dem Weg nach Südafrika 2010 – Löw setzte auf volles Risiko gegen die spielstarken Russen.


    Starker Spielbeginn


    Und wurde prompt belohnt. Nach einem hitzigen Auftakt in der Dortmunder Arena, einer Großchance der Gäste in der vierten Minute durch Pogrebnyak, der eine Hereingabe von Zhirkov aus vier Metern über das Tor drückte, übernahm die deutsche Elf kampf- und spielstark das Kommando – und kam nur wenig später zum Führungstreffer durch Lukas Podolski in der 10. Minute.


    Der bei Bayern München oft nur auf der Ersatzbank geparkte Stürmer nahm einen Steilpass von Miroslav Klose, den Bastian Schweinstieger per Hackentrick ins Spiel gebracht hatte, elegant mit dem Rücken zum Tor an, ließ zwei russische Abwehrrecken links und rechts stehen und drosch das Rund mit links zum 1:0 ins Netz.


    One-Touch-Fußball


    Der Führungstreffer verlieh Flügel. Konzentriert und taktisch höchst diszipliniert stützten sich Mittelfeld und Vierer-Abwehrkette in der Defensive, verschoben sich immer wieder und geradezu lehrbuchhaft in Richtung des ballführenden Gegenspielers.


    In der Offensive demonstrierten Philipp Lahm, Piotr Trochowski, Bastian Schweinsteiger und Co. das so lange vermisste Moment im deutschen Spiel: Stafetten mit einer Ballberührung (Denglisch: One-Touch-Fußball), das so oft gepriesene vertikale Spiel – und immer wieder schnelle Vorstösse über beide Flügel.


    Nach 22 Minuten kassierten die Russen, deren Saison sich im Gegensatz zu den anderen europäischen Ligen langsam dem Ende zuneigt, das zweite Tor gegen das entfesselt aufspielende deutsche Team. Wieder Schweinsteiger, diesmal von links, und am guten Ende war diesmal Capitano Ballack zur Stelle, der souverän und aus kurzer Distanz zum 2:0 vollendete. Die überraschend zahlreich vertreteten Russia-Fans rollten mit entsetzten Gesichtern ihre Fahnen ein, das Volksfest auf den Rängen nahm in Schwarz-Rot-Gold an Fahrt auf.


    Russland überlegen


    Das Feuerwerk der zauberhaften Kombinationen ging trotz der komfortablen Führung munter weiter, geradezu als seien WM-Quali-Spiele neuerdings mehr Kür- denn Pflicht-Programm.


    Ballack, Klose, Schweinsteiger und Podolski hatten bis zur Pause eine Handvoll hochkarätiger Chancen, und die matten Russen, die sich immer weiter von ihren Gegenspielern entfernten, durften sich bei Fortuna und ihrem Keeper Igor Akinfeev bedanken, dass es mit einem moderaten 2:0 zum körperlichen und geistigen Luftholen in die Kabine ging.


    Starke Russen aus der Kabine


    Die Russen, denen der niederländische Trainer Guus Hiddink anscheinend gehörig die Leviten gelesen hatte, kamen mit neuem Schwung aufs Rasenrechteck zurück. Und wurden durch einen veritablen Patzer der deutschen Abwehr zurück ins Spiel geholt.


    Heiko Westermann kickte am eigenen Strafraum in den Rücken von Lahm, der den Ball prompt an Anyukow verlor. Der Russe rannte schnurstracks bis zur Grundlinie und legte knallhart quer. Stürmerstar Andrej Arshavin hielt nur noch den Fuß hin, markierte aus kürzester Distanz das 2:1. Danach verlor das deutsche Team minutenlang die Ordnung. Als besonders wackelig erwies sich dabei mehrmals der linke Abwehrflügel, über den die Gäste – strategisch nun geschickter aufgestellt – verstärkt ihr Glück und den Ausgleich suchten.


    Die vermeintlich große Gala der Germanen kippte – und es begann die Zeit, in der Löws neues hierarchisches Korsett seine wahre Qualität unter Beweis stellen musste. Kapitän Michael Ballack warf sich in dieser schwierigen Phase zwar wie ein wahrer Leader in die Zweikämpfe, die aufstrebenden Kräfte wie Hitzlsperger und Trochowski tauchten indes ab.


    René Adler, der nach dem Handbruch von Robert Enke ins deutsche Tor gerückt war, durfte mehrmals seine Extraklasse unter Beweis stellen, ob am Boden oder in der Luft, der reaktionsschnelle Leverkusener vereitelte mehrfach mit Glück, Geschick und dem rettenden Pfosten (88. Arshavin) aus Kurzdistanz den Ausgleich.


    Frings kommt doch noch


    Es war geradezu ein Kuriosum, dass die zunächst so zweikampfschwachen Russen mit zunehmender Spieldauer erstarkten, während Deutschland auch körperlich kaum noch etwas dagegen setzte.


    Auf der Zielgeraden zum Abpfiff erinnerte sich Joachim Löw dann wohl doch noch an die bewährten Tugenden des Torsten Frings, brachte den Bremer in der 84. Minute für Trochowski, um seine Mannschaft in der Defensive zu stabilisieren und die wichtigen drei Punkte einzusammeln. Der Umbruch hat schon (gut) begonnen, aber abgeschrieben sind die alten Leader Balack und Frings noch lange nicht. Das hat die kritische zweite Halbzeit nur zu genau offenbart.

    Einen auf die eigene Mannschaft meckernden Rüdiger Vollborn werden wir also im Fanblock nicht erleben? VOLLBORN: Nein! So etwas mache ich nicht!
    Pyro--NEIN DANKE !! ANFEUERN statt ABFEUERN !!