Bruno Labbadia über seine Spielphilosophie, den Umgang mit Profis und die Anforderungen des Traineramts.
Herr Labbadia, wie oft mussten Sie als Trainer von Bayer Leverkusen schon Fragen zu Ihrer Spielphilosophie beantworten?
Das kann ich fast schon nicht mehr zählen. Und ich spreche darüber, ehrlich gesagt, gar nicht so gerne.
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Warum denn das?
Ich habe eine genaue Vorstellung, wie ich spielen lassen will, ich habe die Art von Fußball in meinem Kopf. Und die will ich vermitteln, die will ich rüberbringen. Das ist mein Antrieb, deshalb bin ich überhaupt Trainer geworden. Aber warum soll ich das in der Theorie großartig erklären? Man soll auf dem Feld sehen, wie ich Fußball spielen lassen will. Wenn es die Zuschauer erkennen, dann habe ich einen guten Job gemacht. Wenn sie es nicht erkennen, dann nicht. Ganz einfach.
Nun gut: Man erkennt, dass Bayer Leverkusen mitreißenden, packenden Offensivfußball zelebriert. Mit offenem Visier und ohne Rücksicht auf Verluste. Das entspricht wohl Ihren Vorstellungen, oder?
Meine Denkweise ist offensiv, das stimmt.
Also lassen Sie zügellos stürmen?
Ach was. Ich wäre ein Fantast, wenn ich denken würde, es geht nur mit Offensivfußball. Wir haben in Leverkusen großes Potenzial, eine Mannschaft, die guten und tollen Fußball spielen kann. Aber wir brauchen hier auch den kurzfristigen Erfolg, wir wollen ins internationale Geschäft. Aber grundsätzlich gilt: Ich will gute Ergebnisse mit schönem Fußball. Das ist meine Idealvorstellung. Wenn wir den Zuschauern ein gutes Gefühl geben, dann bin ich zufrieden. An erster Stelle kommt aber immer das Resultat. Und dann die Art und Wiese, wie das Ergebnis zustande kommt. Eines ist klar: Man kann nur offensiv spielen, wenn man defensiv gut steht. Ansonsten kriegt man die Hütte voll. Man kann ja auch kein Haus bauen und mit dem zweiten Stock anfangen, da gilt es erst mal, den Grundstock zu legen. Und die Abwehr fängt in der Offensive an. Andererseits muss man festhalten: Es ist schwieriger offensiv spielen zu lassen, weil: Defensiv spielen zu lassen, ist sicherlich einfacher.
Wie vermitteln Sie Ihre Vorstellungen den Spielern?
In erster Linie durch harte Arbeit auf dem Platz, da werden die Automatismen erarbeitet. Aber natürlich muss man auch in die Köpfe der Spieler vordringen. Denn sie sollen ja kreativ sein. Die Spieler sollen überzeugt sein von dem, was ich ihnen mit auf den Weg gebe. Ich will sie weiterentwickeln, als Fußballer, aber auch als Menschen. Das ist mein Antrieb. Sie sollen einfach lernen, wann sie etwas machen sollen und wann nicht. Sie sollen wissen, wann sie Fastfood essen oder auch mal feiern können - und wann eben nicht. Sie sollen eine halbe Stunde vor dem Training einige Zusatzübungen machen. Und zwar selbstständig, ohne Druck. Das muss dazu gehören wie Zähneputzen. Und alles basiert auf den Grundpfeilern Respekt, Disziplin und Ordnung.
Haben Sie auch deshalb den Zehn-Stunden-Tag für Ihre Profis eingeführt?
Ach, da wird mir viel zu viel Theater gemacht. Das ist in jedem Beruf normal, warum nicht als Fußballer? Ich habe das überall eingeführt, ob in Darmstadt in der Oberliga, in Fürth in der zweiten Liga oder nun in Leverkusen. Es geht um Gemeinschaft und Zusammenhalt und auch um gesunde Ernährung. In Darmstadt sind wir zusammen zum Italiener rübergegangen und haben uns Nudeln geholt - und dann mussten wir danach gemeinsam abwaschen. Das läuft hier natürlich etwas anders, aber vom Prinzip her ist das gleich. Luxus ändert nichts daran.
Sie gelten als junger, moderner, unverbrauchter Trainer. Fühlen Sie sich als Fußball-Revolutionär?
Gott bewahre, nein. Ich habe meinen Weg, den gehe ich kerzengerade und konsequent. Man muss eine Linie finden, einen Leitfaden, wie man arbeiten will. Und den habe ich. Ich habe einen klaren Plan. Ich weiß, was ich will. Und da spielt es keine Rolle, ob ich Trainer in Darmstadt, Fürth oder Leverkusen bin.
Man könnte sagen: Sie sind der Gegenentwurf zu Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel, der defensiv spielen lässt.
Das ist Quatsch. Ich habe absolute Hochachtung vor seiner Arbeit. Wer es schafft, sich so lange zu halten, als Spieler und als Trainer, hat Qualität. Da habe ich ganz großen Respekt vor. Friedhelm hat seinen Weg gefunden, ich meinen. Und die Eintracht wird da unten auch wieder rauskommen, sie hat natürlich andere Ambitionen.
Aber Sie gelten als Trainer, der neue Wege…
…ach wissen Sie, da wird mir viel zu viel Wind gemacht. Ich springe nicht auf alle Neuerungen drauf. Es gibt auch genug Dinge, die es schon früher gab, die sehr gut sind. Man muss das Neue und das Alte verbinden. Wichtig ist, dass man sich nicht von anderen Leuten lenken lässt, denn ich halte am Ende den Kopf hin.
Wird der Beruf des Trainers unterschätzt?
Das glaube ich schon. Fußball ist Detailarbeit. Keiner sieht, was hinter der Arbeit eines Trainer steckt, wie viele Facetten es gibt. Man muss so viele Dinge abdecken. Das ist ein Fulltime-Job. Man kann sich dem gedanklich gar nicht entziehen, man befasst sich den ganzen Tag mit Fußball.
Sie haben in der Oberliga angefangen und sich peu à peu nach oben gearbeitet. Steckte da Absicht dahinter?
Ja, natürlich. Für meine Entwicklung war das ganz wichtig. Ich musste auch für mich erst mal ein paar Dinge klarkriegen, denn wenn man ein guter Spieler war, heißt das nicht, dass man automatisch ein guter Trainer ist. Und natürlich steht man in der Oberliga nicht so im Rampenlicht. Da kann man in Ruhe sehen, ob man das so hinbekommt, wie man es sich vorstellt. Ich habe mir die Zeit gegeben, und diese Erfahrungen nimmt mir keiner. Für mich war es der absolut richtige Weg.
Was hat sich nun in Leverkusen verändert?
Das ist eine andere Welt, klar. Man darf nie Zweifel haben, wenn man oben ist. Aber die Aufgabe ist gleich: Das Optimum rausholen.