Der Begriff "Derby" hat seinen Ursprung in einem englischen Spiel aus dem 12. Jahrhundert. Die Frage, ob 1. FC Köln gegen Bayer Leverkusen ein Derby ist, bewegt kurz vor dem Spiel die Gemüter. Die Antwort lautet: eher ja.
Unter den orthodoxen Anhängern der lokalen Fußball-Klubs ist in den letzten Tagen ein Streit darüber entstanden, ob das Spiel Bayer 04 Leverkusen gegen 1. FC Köln (Freitag, 20.30 Uhr) den Anforderungen entspricht, die an ein echtes, wahres Derby gestellt werden. Vor allem aus der Sicht der Kölner gibt es Zweifel, weil sie dem Kräftemessen mit dem Rivalen jenen historischen Hintergrund absprechen, den die Vergleiche mit Borussia Mönchengladbach in der guten alten Zeit hatten.
Aufschluss darüber, ob es so ist, kann eigentlich nur die Untersuchung des eindeutig definierten Begriffes Derby geben. Das Wort geht zurück auf ein Ereignis namens „Shrovetide Fußballspiel“, das seit dem 12. Jahrhundert im englischen Asbourne / Grafschaft Derbyshire ausgetragen wird. Die uralte Veranstaltung in Mittelengland hat aber nur sehr ungefähr etwas zu tun mit dem beliebtesten Sport dieser Tage. Das beginnt mit den Dimensionen des Spielfeldes, das rund drei Meilen oder knapp fünf Kilometer lang ist. Die Einwohner der beiden Pfarrbezirke All Saints und St. Peter's versuchen, mit einem handbemalten Ball das gegnerische Tor - früher ein Mühlstein - zu berühren, der im jeweils anderen Ortsteil liegt.
Den besonderen Reiz dieses Spiels, das dem Derby seinen Namen gab, sind die Regeln, die da lauten:
- Ein Tor wird nur dann als gültig betrachtet, wenn der Spielball drei Mal hintereinander eine der beiden Steinpyramiden / Mühlsteine berührt.
- Friedhöfe, Gräber, Gedenkstätten und private Gärten gehören nicht zum Spielfeld.
- Morden oder fahrlässiges Töten ist verboten, unnötige Gewalt ist verpönt.
- Der Ball darf nicht in Taschen oder Rucksäcken versteckt werden oder mit Fahrzeugen transportiert werden.
- Die Spielzeit beträgt an den zwei Tagen jeweils acht Stunden von 14 bis 22 Uhr. Fällt noch vor 17 Uhr ein Tor, wird ein neuer Ball eingeworfen, der Torschütze darf den ersten Ball als Erinnerungsstück behalten.
- Erzielt niemand bis 17 Uhr einen Treffer, wird weitergespielt, bis jemand ein Tor erzielt oder die Spielzeit abgelaufen ist. Das Spielen nach 22 Uhr ist verboten.
Nicht geregelt sind Nebensächlichkeiten wie Anzahl der Spieler. Deshalb haben in guten Jahren 1000 oder mehr Menschen an dieser Schlacht teilgenommen. Die wüsteste Form der Keilerei mit dem handbemalten Ball endete 1831, als ein Bürgermeister das Treiben durch die Armee beenden ließ. Damit hatte die Fortsetzung des Nachbarschaftsgedankens mit anderen Mitteln für alle Zeiten ihren Namen: Derby. Das erste nachweisbare Fußball-Derby der Moderne wurde 1866 in Nottingham zwischen Nottingham Forest (gegründet 1865) und Notts County (gegründet 1862) ausgetragen. In Deutschland hat das Derby zweier Nachbarstädte die größte Tradition. Das fränkische Derby zwischen dem 1. FC Nürnberg und SpVgg Fürth (heute SpVgg Greuther Fürth) schlägt nachweislich alles. Es fand erstmals 1903 statt und hat mehr als 250 Wiederholungen erlebt. Das aktuell prominenteste Derby heißt „Old Firm“, die durch einige unwichtige Ligaspiele unterbrochene Permanentauseinandersetzung der schottischen Großklubs Celtic Glasgow und Glasgow Rangers, die außer dem sportlichen auch ein religiöses Element hat, weil die Celtics als Klub der Irischstämmigen katholisch sind und die Rangers evangelisch. Sage und schreibe 380 Begegnungen haben zwischen diesen Klubs stattgefunden. Und es werden irgendwann 1000 sein.
Tradition ist etwas, das wachsen muss. Aber auch etwas, das wächst. Rainer Mendel, der Fan-Beauftragte des 1. FC Köln, beschreibt die Linie, die durch den Anhang des Klubs geht. „Ob das Spiel gegen Leverkusen als Derby empfunden wird, ist in erster Linie eine Altersfrage. Bei den über 30-Jährigen gilt Mönchengladbach als der eigentliche Derby-Gegner, bei den unter 30-Jährigen Leverkusen. In einer Gesamtumfrage wäre aber Mönchengladbach noch vorn.“
Allerdings gibt es wenig im Begriff Derby, das sich dagegen wehren kann, auf das Spiel 1. FC Köln - Bayer 04 Leverkusen angewandt zu werden. Ein kleines Detail ist besonders reizvoll: Das Ur-Spiel in Ashbourne findet jedes Jahr am Karnevalsdienstag und am Aschermittwoch statt.