Der Fluch des Erfolgs

  • Von Jan Christian Müller


    Es gibt ein gutes Argument dafür, dass Werder Bremen am 17. Mai 2008 mit einem 1:0-Sieg auswärts bei Bayer Leverkusen dafür gesorgt hat, dass Werder Bremen am 28. Oktober 2008 zu Hause gegen Bayer Leverkusen 0:2 verliert. Denn der Erfolg vor 164 Tagen sorgte sowohl dafür, dass Bremen zum fünften Mal in Folge die Champions League erreichte als auch dafür, dass Leverkusen jäh und unerwartet von Rang vier auf Platz sieben zurückfiel und selbst den Uefa-Cup verpasste. So kommt es im Herbst desselben Jahres, dass der Tabellenzehnte Werder Bremen mit acht Punkten Rückstand mental, physisch und personell bereits am Stock geht wie ein alter Opa, derweil Tabellenführer Bayer Leverkusen quicklebendig wie ein Teenager durch Deutschlands Fußballstadien zieht.


    Rudi Völler hat eine Menge Ahnung von Fußball. Klaus Allofs auch. Beide sind anerkannte Fußball-Versteher. Aber das kann trotzdem dazu führen, dass die beiden ehemaligen Weltklassestürmer unterschiedlicher Auffassung sind. Rudi Völler hat in diesem Fall wahrscheinlich mehr Recht als Klaus Allofs. Bayers Sportdirektor sagte nämlich nach dem Spiel in Bremen, welches Leverkusen in einem mittelmäßig ansehnlichen Abnutzungskampf durch Tore von Aturo Vidal und Manuel Friedrich in der Schlussphase sehr verdient gewann, auf die Frage, ob die unterschiedliche Belastung ein Grund für den Sieg gewesen wäre: "Fragen Sie mal bei Werder Bremen und dem VfB Stuttgart nach, warum die 2004 und 2007 Meister geworden sind. Die werden das nicht zugeben. Aber es lag daran, dass sie international nicht gefordert waren. So eine Doppelbelastung kann nur Bayern München permanent kompensieren, ganz einfach, weil die Bayern mehr Geld haben und deshalb breiter aufgestellt sind. Alle anderen können das nicht."


    Ein paar Minuten später ist Rudi Völler dann noch einmal zu den Reportern zurückgekehrt, weil er mitbekommen hatte, dass die tuschelnd ihre Köpfe zusammengesteckt hatten, um seine Aussage großzügig zu interpretieren. Völler stellte also klar: "Das heißt natürlich jetzt nicht, dass wir automatisch nun Meister werden."


    Später am Abend ist dann Klaus Allofs auf Völlers durch Fakten unterfütterte These angesprochen worden. Der Bremer Geschäftsführer Sport hat, ganz wie von Völler erwartet, eine Abwehrhaltung angenommen. Allofs musste das tun, weil er natürlich nicht will, dass "die Spieler ein Alibi bekommen". Jenes Alibi nämlich, dass sie aufgrund der anstrengenden Aufgaben in der Champions League, durch die sie sich bislang halb recht, halb schlecht mit drei Unentschieden (0:0, 1:1, 2:2) quälten, dann wegen Muskelschäden entweder gleich gar nicht mehr pässlich für ein Bundesligaspiel gegen spielstarke Leverkusener sind (Wiese, Pizarro, Diego) oder aber wie nasse Waschlappen (Özil, Prödl, Almeida) gegen luftgetrocknete Frotteehandtücher daherschlurfen. "Unser Kader", wehrte Allofs also ab, "ist so aufgestellt, dass wir die Belastung kompensieren können". Komisch, dass es dann fünf Spiele nacheinander nicht zum Sieg reicht.


    Indes hatte Allofs zwei, drei Atemzüge zuvor richtigerweise eingeräumt, dass Werder derzeit an paar verletzte gute Spieler zu viel mit sich herumschleppt. Am Samstag gegen Hertha BSC sollen Pizarro und Diego, die dem Bremer Spiel seinen unverwechselbaren Charakter geben, dann hoffentlich kein Ziehen in den Muskeln mehr verspüren. Und selbst dann würde Allofs ein dreckiges 1:0 völlig reichen. "Ja, das würde ich sofort nehmen. Das wäre sogar wunderschön, weil das bedeuten würde, dass wir kein Tor kassiert hätten."


    Ach so, und nächsten Dienstag kommt Panathinaikos Athen zum dritten Heimspiel binnen sieben Tagen ins Weserstadion. Leverkusen hat dann spielfrei und ruht sich aus.


    Quelle: Frankfurter Rundschau online

    Bayer 04 Leverkusen.
    Weil seit 1904 drin ist, was drauf steht.