Duo mit Torgarantie
Patrick Helmes und Stefan Kießling heißen mal wieder die Torschützen für den Tabellenführer aus Leverkusen. Die Schalker Defensivkünstler wachen erneut zu spät auf.
In der ersten Spielminute waren sie sich noch einig, die Fans von Bayer Leverkusen und die Gäste aus Schalke. Wie zuvor abgesprochen, verzichteten sie in den ersten 60 Sekunden des Spitzenspiels auf das Anfeuern ihrer Teams und erwiesen somit kollektiv und Fanblock übergreifend einem Herzens-Schalker die Ehre: Charly Neumann, das Unikum der Königsblauen, war vor ein paar Tagen gestorben, doch eine offizielle Schweigeminute war ihm nicht vergönnt. Und so organisierten die Fans beider Mannschaften dem guten alten Charly eben selbst eine Minute des stillen Gedenkens. Und irgendwo ganz oben wird der schon zu Lebzeiten stets nahe am Wasser gebaute Schalker wieder ein bisschen geheult haben - in Minute eins und wahrscheinlich auch wieder eineinhalb Stunden später. Denn das 1:2 beim Tabellenführer aus Leverkusen geriet aus Schalker Sicht trotz deutlich sichtbaren Engagements klar und unwiderlegbar.
Schalkes Trainer Rutten hatte sein Team umformiert: Rakitic musste raus, Engelaar durfte rein, 4-3-3 hieß das System somit wieder. Leverkusen lief auf wie gehabt – Bruno Labbadia hatte keinen Anlass, das Erfolgsteam der vergangenen Wochen umzukrempeln. Bundestrainer Jogi Löw weilte zwar in Hoffenheim, doch so ein Spitzenspiel wenige Tage vor einem Länderspiel ist für potentielle Nationalspieler natürlich eine prima Bühne zum Vorspielen: Jones und Kießling waren sicherlich noch einen Tick motivierter als sie es sowieso schon sind, die Stärken von Helmes, Neuer, Westermann, Adler und Rolfes sind ja schon länger bekannt, Pander saß zunächst noch auf der Bank, und ach ja, ein gewisser Kevin Kuranyi war auch dabei. Von ihm wird noch zu reden sein.
Nach 19 Minuten hatte er seinen großen Auftritt – nun ja, es hätte sein großer Auftritt werden können, ja müssen. Bordon hatte den Ball erobert, Altintop die Kugel perfekt von rechts hereingepasst, und Kuranyi schaffte es, vollkommen freistehend den Ball aus sechs Metern über die Latte zu schieben. Rücklage, aus der Traum. Kein großer, sondern ein peinlicher Auftritt
Doch Schalke behielt zunächst das Heft in der Hand. Sieben Minute später war es mal wieder der stürmende Verteidiger Westermann, der per Kopfball vor Adler für Gefahr sorgte. Erst in der 28. Minute gab Gastgeber Bayer den ersten Schuss in Richtung Manuel Neuer ab: Vidal scheiterte mit einem strammen Schuss von halbrechts. Zwei Minuten später war es so weit: Renato Augusto spielte Kobiashvili auf der rechten Seite schwindlig, passte schön in die Mitte, wo Kießling aus der Drehung zum 1:0 traf: sechstes Saisontor für den Doch-nicht-Nominierten.
Das Tor tat Bayer gut, natürlich. Die zunächst spielbestimmenden Schalker gerieten nun vermehrt unter Druck. Wieder war es Dauerläufer Kießling, der per Kopfball fast das 2:0 erzielt hätte (36. Minute). Vier Minuten später tauchte Pattrick Helmes erstmals vor Neuer auf, traf aber den Ball bei seinem Schussversuch nicht richtig. Umso besser gelang ihm das in der 42. Minute. Da durften die Fans mal wieder seinen Torriecher bewundern. Einen Abpraller an der Strafraumgrenze erkannte Helmes als Schnellster, kam vor Bordon an den Ball und schon lag selbiger hinter dem chancenlosen Neuer im Netz, Saisontreffer Nummer zehn. Der wohl effektivste Sturm der Liga hatte mal wieder für klare Verhältnisse gesorgt.
An denen änderte sich auch in Halbzeit zwei wenig. Wie schon gegen den FC Bayern gelang es den Schalkern selten bis überhaupt nicht, sich Torchancen zu erarbeiten. Erst als der Leverkusener Castro in der 67. Minute nach einem Foul an Jones die gelbrote Karte sah, verlagerte sich das Spiel wieder mehr in die Leverkusener Hälfte. Pander, Höwedes und Asamoah kamen ins Spiel, Westermann konnte somit ins Mittelfeld aufrücken, und so verwunderte es nicht, dass der Verteidigerstürmer in der 74. Minute als Erster Schalker seit Kuranyi in Minute 19 mal wieder vorm Leverkusener Tor auftauchte. Sein Kopfball strich jedoch knapp übers Tor. Auf der Gegenseite hätten Kießling und der eingewechselte Sascha Dum alles klar machen können, vertändelten die Großchance jedoch gegen den brillant parierenden Neuer.
Die letzten Minuten gehörten dann komlett den nun endlich entschlossen anstürmenden Schalkern. Nach einer Bogenlampen-Flanke von Pander traf Kuranyi in der 85. Minute per Kopf - aus abseitsverdächtiger Position. Egal, der Schiedsrichter gab den Treffer, und das Schalker Anrennen ging weiter. Eine Minute vor Schluss spielte Kuranyi den Kollegen Asamoah frei, der per Heber zum 2:2 traf, doch diesmal pfiff der Schiedsrichter abseits, und das zurecht. Auch die dreiminütige Nachspielzeit brachte keinen weiteren Schalker Treffer mehr - die Leverkusener Abwehrschlacht war letztlich erfolgreich, die Tabellenführung gesichert. Und Schalke? Rutschte runter bis auf Platz sieben. Und irgendwo weiter oben wird sich Charly Neumann mal wieder den Trauerflor an den Arm klemmen.