Zittern, Zagen und viel Freude

  • VON UDO BONNEKOH


    Die Leverkusener machen beim 2:1 gegen Schalke wieder eine Erfahrung: Auch in Unterzahl gelingen drei Punkte mit Disziplin und einer Portion Glück. Die Feier fällt danach herzlicher aus.


    Die Rituale nach Siegen ähneln sich – Umarmung, Abklatschen, Beifall von den bestens gelaunten Akteuren für die mehr als zufriedenen Fans, ausgiebige Parade der Mannschaft vorm Zaun zu den Tribünen. Das ganze Programm. Alles bekannt. Diesmal aber, nach diesem 2:1 Bayers gegen Schalke, ging das alles noch ein bisschen herzlicher zu, wirkte die übliche Zusammenkunft nach Schichtende auf dem Platz inniger als normal, fröhlicher.


    "Es ist schon ein besonderes Gefühl, diesmal Spitzenreiter zu sein, ohne auf die Ergebnisse des Sonntags warten zu müssen", sagte Simon Rolfes, der Kapitän. Und womöglich spielte für die verändere Feierhaltung auch eine Rolle, dass der Erfolg gegen Schalke unter erheblich erschwerten Bedingungen errungen wurde, am Schluss gar mit Zittern und Zagen in Unterzahl, weil dem Deutsch-Spanier Gonzalo Castro der Gaul durchgegangen war. Das ist für Bayer eine ganz neue Lektion.


    Das Leverkusener Kollektiv macht ja gegenwärtig genug Erfahrungen zur Weiterbildung: erst das 3:3 in Karlsruhe, das „wir viel intensiver als sonst analysiert haben“ (Torwart René Adler), nun die anfangs arg zähe Begegnung mit Blau-Weiß, von vielen Fehlpässen (Arturo Vidal, Castro) zersetzt und von wenig dynamischen Attacken geprägt bis zu Stefan Kießlings 1:0 als Lösungsmittel für allerlei Beschwerden. Vielleicht ist es das Bewusstsein um schleppenden Beginn und ein Ende mit Bangen, dass die Leverkusener Vorsicht walten lassen bei Prognosen. „Warum sollten wir jetzt von Meisterschaft reden?“, fragte Stefan Kießling rein rhetorisch.


    Das ist erstens noch lange hin bis Saisonultimo, und zweitens gibt es zuweilen Schlüsselmomente in flotter Abfolge. „Glück gehabt“ – das hat sich Kießling wie viele Besucher auch gedacht, als Kuranyi den Ball nach Vidals wahnwitzigem Pass in die falsche Richtung frei vor Adler übers Tor drosch. „Mist“ – so hat Kießling reagiert auf den misslungenen Konter zum möglichen 3:0 mit Sascha Dum, als sich beide nicht geschickt anstellten im Angesicht von Schalkes Schlussmann Manuel Neuer. Und gegen Ende haben Kießling und Kollegen die Nerven geflattert, weil Schalke Dampf machte mit einem Mann mehr.


    Dazwischen lag dann doch viel Erfreuliches für die Leverkusener: das von Renato fein vorbereitete 1:0, das 2:0 von Patrick Helmes, gleichsam erzielt wie mit einem Schuss aus der Hüfte. Patsch. „Ich glaube, der Bordon hat da ein bisschen geschlafen“, meinte Helmes trocken. Und Bruno Labbadia hat vor der herzlichen Drei-Punkte-Feier offenbar nur die „Angst gehabt, dass wir irgendwann die Geduld verlieren“.


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