Während man woanders nur über die Meisterschaft spricht, konzentriert man sich bei Bayer Leverkusen aufs Wesentliche: Man gewinnt die wichtigen Spiele.
Von FOCUS-Online-Autorin Kathrin Zeilmann
Beim Spiel zwischen Leverkusen und Schalke 04 ließ sich wunderbar bestaunen, wie die eine Mannschaft vergeblich das will, was die andere längst hat: Schalke, selbsternannter Meisterschaftskandidat, mühte sich ideen- und planlos. Und obwohl auch Bayer Leverkusen keinen Glanztag erwischt hatte und sogar einen Platzverweis in der 67. Minute kompensieren musste, fuhr das Team am Ende routiniert drei Punkte ein. Coach Bruno Labbadia ist ganz cool: „Das Wort ‚Meisterschaft’ ist bei uns nicht verboten.“
Telegramm-Entwürfe
Wenn er das sagt – denn das Wort des Coachs hat Gewicht. Der 42-Jährige, vor seinem Engagement in Leverkusen beim Zweitligisten Greuther Fürth beschäftigt, setzt auf Disziplin. Weder ungezügelten Offensivdrang noch sture Verteidigung hat er seiner Mannschaft auferlegt. Die Mischung soll es richten. Gegen Schalke bewies das Team, dass es aus den Fehlern der Vorwoche gelernt hatte. Da ließ man sich einen bequemen 3:0-Vorsprung beim Karlsruher SC noch nehmen und spielte nur 3:3. Furcht vor einer ähnlichen Entwicklung verspürte Labbadia nun gegen Schalke nicht: „Bis zum Platzverweis hatte ich keinerlei Sorge, dass das Spiel kippt. Mir hat vor allem die Bereitschaft der Spieler gefallen, um jeden Ball zu kämpfen. Sie wollten unbedingt an erster Stelle bleiben.“ Nebenbei haben sie auch noch den FC Bayern distanziert, der über ein Remis bei Mönchengladbach nicht hinauskam. Möglicherweise kann sich Uli Hoeneß schon den Text für ein Glückwunschtelegramm überlegen, das er zur Herbstmeisterschaft nach Leverkusen schickt.
Wohldosierte Aufmerksamkeit
Würde Aufsteiger 1899 Hoffenheim die Liga nicht mit modernstem Offensivfußball schocken und würde man nicht die Auf und Abs der Klinsmann-Bayern begeistert bis verwundert verfolgen, so wäre Bayer Leverkusen die Überraschung der Saison.
Warum steht Kießling nicht im DFB-Kader?
Aber vielleicht ist es ganz gut so, dass sich die Aufmerksamkeit in wohldosierten Einzelgaben auf die Leverkusener Kicker entlädt. So wird die Entwicklung im vielversprechenden Fußball-Biotop nicht durch zuviel Euphorie gestört. Denn der Kader, den Labbadia führt, ist nicht nur gut für den Augenblick, sprich für einen wichtigen 2:1-Sieg gegen Schalke: Bei Bayer kicken Profis, die bald eine ganz wichtige Achse im deutschen Nationalteam bilden könnten. Im Tor: René Adler, im Mittelfeld: Simon Rolfes, im Sturm: Patrick Helmes. Erstaunt hat viele Beobachter indes, dass Bundestrainer Joachim Löw bei der Kader-Nominierung für das Testspiel gegen England auf Helmes’ Sturmpartner Stefan Kießling verzichtet hat. Sechs Ligatore hat er bereits geschossen in dieser Saison, im Spiel gegen Schalke am Samstag gelang ihm das wichtige 1:0.
Der einzige deutsche Stürmer, der in der Torschützenliste besser platziert ist als Kießling ist – sein Vereinskollege Helmes. Ein eingespieltes, im Torerfolg erprobtes Duo hätte Löw da gegen England aufbieten können. Aber Kießling erhielt nicht einmal eine Einladung des DFB. „Wir gehen mit diesem Thema sehr offen um, reden natürlich darüber“, sagt Labbadia, der sich aber mit Schelte in Richtung der DFB-Entscheider zurückhält, sondern seinem Schützling rät: „Stefan soll so weitermachen.“ Wäre ja auch ganz im Sinne von Bayer Leverkusen.