Leverkusens Torwart Rene Adler steht am Mittwoch gegen England zum dritten Mal im Tor der Nationalelf. Im Interview mit WELT ONLINE spricht er der 23-Jährige über notwendige Disziplin im DFB-Team, Englands Torwartprobleme, seine Gefühle für Jens Lehmann und wie er ein Angebot von Uli Hoeneß beantworten würde.
WELT ONLINE: Herr Adler, Sie spielen mit dem Gedanken, irgendwann nach ihrer Karriere im Sportjournalismus zu arbeiten. Was wäre jetzt Ihre erste Frage an sich?
Rene Adler: Oh, schwierig. Ich bin ganz froh, dass ich noch ein paar Jahre Fußball spielen darf und mich noch nicht mit solchen Fragen auseinandersetzen muss. Das überlasse ich heute lieber Ihnen.
WELT ONLINE: Also gut: Was würden Sie sagen, wenn Bundestrainer Joachim Löw gegen England Tim Wiese tatsächlich eine Chance gibt und Sie zuschauen müssten?
Adler: Das ist kein Freundschaftsspiel, das ist ein Prestigespiel Deshalb möchte jeder Nationalspieler auch dabei sein. Aber ob ich spiele, jeder von uns eine Hälfte, oder er mit Tim plant, entscheidet nur der Trainer.
WELT ONLINE: Die Antwort wird dem Bundestrainer gefallen. Nach den Streitereien der vergangenen Monate fordert er von allen Nationalspielern mehr Respekt und verbietet öffentliche Personalpolitik. Sind solche Regeln nötig?
Adler: Nicht nur in der Fußballmannschaft, auch in der Gesellschaft ist gegenseitiger Respekt unabdingbar. Wenn eine Mannschaft Erfolg haben will, sind Rücksicht und Disziplin einfach eine Grundvoraussetzung.
WELT ONLINE: Aber muss ein guter Torhüter nicht auch unangepasst, eigensinnig und vor allem laut sein?
Adler: Das denke ich nicht. Ein Torwart hat zwar eine Sonderrolle, er trägt viel Verantwortung, aber er ist auch nur Teil der Mannschaft. Ein Torhüter muss kein Lautsprecher sein. Leistung ist wichtiger als Lautstärke.
WELT ONLINE: Als Nationaltorhüter wächst die Verantwortung. Belastet das?
Adler: Sicher stehe ich mehr im Rampenlicht, aber darauf habe ich ja hingearbeitet. Ich kann mich auf den Punkt gut konzentrieren. Das hilft mir sehr.
WELT ONLINE: Wenn man so schnell aufsteigt, bleiben andere auf der Strecke. Haben Sie Mitleid mit Robert Enke, dessen Handbruch ihr Länderspieldebüt erst ermöglichte?
Adler: Ich bin kein eiskalter Profi, dem so etwas egal ist. Aber einen Stammplatz bekommt ein Torhüter nur auf zwei Arten: Entweder bekommt die Nummer eins eine Rote Karte, oder sie verletzt sich. So wie das mit Robert gelaufen ist, möchte ich aber nicht ins Tor kommen. Ich würde nicht von Mitleid sprechen, sondern von Mitgefühl.
WELT ONLINE: Können Sie auch mit Jens Lehmann fühlen, der nach seinem Rücktritt gern gegen England ein Abschiedsspiel bekommen hätte.
Adler: Das kann ich auch nachvollziehen, Jens hat viel für den deutschen Fußball geleistet. Andererseits ist das Spiel für den Trainer wichtig, etwas für die Qualifikation auszuprobieren.
WELT ONLINE: Beim bis dato letzten Länderspiel in Berlin hielt Lehmann im WM-Achtelfinale gegen Argentinien den entscheidenden Elfmeter. Wie haben Sie das erlebt?
Adler: Ich war im Urlaub zu Hause, stand auf einem Public-Viewing-Platz in Leipzig und habe wie das ganze Land mitgejubelt.
WELT ONLINE: Fühlen Sie sich heute als Lehmanns legitimer Nachfolger?
Adler: Ich kann noch nicht davon sprechen, dass ich wirklich die Nummer eins bin, ich habe doch erst zwei Länderspiele gemacht. Ich möchte erst einmal einfach nur so oft es geht dabei sein, weil es für mich das Größte ist, für mein Land aufzulaufen. Der Bundestrainer hat den Konkurrenzkampf im Tor ausgerufen. Und die Konkurrenz ist groß.
WELT ONLINE: Warum gibt es in Deutschland traditionell viele gute Torhüter?
Adler: Eben weil wir so viele gute Torhüter hatten, haben wir auch viele Vorbilder, von denen die Jungen sagen: Sepp Maier, Oliver Kahn, Toni Schumacher – so möchte ich auch einmal werden. Außerdem wird in Deutschland im Tor auch sehr gut geschult.
WELT ONLINE: In England offenbar nicht. Dort gibt es seit Jahren ein Torhüterproblem?
Adler: Vielleicht fehlt ihnen diese deutsche Tradition. Möglicherweise liegt es auch daran, dass in der Premier League mit viel Geld lieber ausländische Torhüter geholt werden und der Nachwuchs nicht so stark gefördert wird.
WELT ONLINE: Wie weit sind Sie noch vom perfekten Torwartspiel entfernt?
Adler: Perfekt wird es nie werden. Ich möchte so nah wie möglich an meine Leistungsgrenze. Ich möchte irgendwann sagen können: Es ist alles erreicht. Ja, das ist so eine Illusion von mir. Im Übrigen ist Erfahrung für einen Torwart sehr wichtig, deshalb ist man mit 28 bis 35 Jahren wahrscheinlich am besten. Ich habe als noch eine ziemlich lange Entwicklung vor mir.
WELT ONLINE: Sind Sie froh, dass Sie sich in Leverkusen entwickeln können und nicht wie Ihr junger Kollege Michael Rensing bei Bayern München bestehen müssen, wo der Druck viel höher ist?
Adler: Es ehrt Michael, dass er es beim größten deutschen Klub versuchen möchte. Ob das einfacher oder schwieriger ist? Für mich ist Leverkusen der optimale Verein. Ich konnte zweieinhalb Jahre mit Bayer wachsen und mich entwickeln.
WELT ONLINE: Wenn morgen Bayern-Manager Uli Hoeneß bei Ihnen anfragen würde, ob Sie sich eine Zukunft in München vorstellen könnten, was würden Sie antworten?
Adler: Ich habe in Leverkusen einen ausgezeichneten Torwarttrainer und ein familiäres Umfeld. Meine Familie ist stolz auf mich. Stand heute würde ich sagen: Ich bin Leverkusener und glücklich.
Quelle: welt.de