Simon Rolfes - Speerspitze der Musterschüler

  • 18. November 2008 - 17:28 Uhr


    von Olaf Kupfer


    Simon Rolfes steht für die neue Profi-Generation, die lernbegierig, ausgleichend und bestens ausgebildet ist.


    Berlin. Mit Physik hätte er punkten können. Das war im Abitur einer seiner Leistungskurse. Aber bei der promovierten Physikerin Angela Merkel hielt er sich dann doch lieber zurück und verzog sich auf den Beobachterposten.


    Überhaupt sei das Frage-und-Antwort-Spiel, das die erste Frau im Staate anlässlich des Besuchs der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Montagabend im Bundeskanzleramt gestattete, etwas schleppend angelaufen, wie Nationalspieler Arne Friedrich am Dienstag verriet. Der Respekt der Fußball-Millionäre vor so viel politischer Bedeutung war groß.


    Rolfes drückte es einen Tag vor dem Länderspiel gegen England im Berliner Olympiastadion (20.45 Uhr, ARD) ein wenig umständlich, dafür aber umso charmanter aus: „Es war schon interessant zu sehen, wie so eine Regierung haust.“ Er erntete Gelächter, und dann lachte auch er, so breit, wie es sein Gesicht hergab. Es sind die Momente, in denen Simon Rolfes aussieht wie der beste Schwiegersohn der Welt.


    Der Ballack-Streit lastet auch auf dem Leverkusener Kapitän


    Aber nicht alle Themenfelder bieten in diesen Tagen bei der Nationalmannschaft Anlass für Humor, und auch Rolfes ist nicht immer witzig. Es wirkt wie ein physikalisches Gesetz: Die Schwere der Löw’schen Ansagen, die Betonung des Leistungsprinzips und die Untersagung öffentlicher Kritik lasten auch auf Spielern, denen man aufgrund ihrer Intelligenz durchaus eine Meinung zutraut.


    Rolfes ist so einer, aber am Dienstag durfte man auch von ihm kein kritisches Wort erwarten. Wie er denn den Konflikt zwischen Löw, Ballack und Frings erlebt habe, wollte ein Journalist wissen. „Dazu möchte ich jetzt eigentlich nichts mehr sagen“, sagte Rolfes, und seine roten Wangen bewiesen, dass es Fragen gibt, die ihm angenehmer sind.


    Ob er denn nicht sauer gewesen sei, dass sich der Kapitän Ballack derart für Rolfes’ direkten Konkurrenten Torsten Frings eingesetzt habe? „Wie gesagt“, meinte der Leverkusener, dazu äußere er sich nicht und überhaupt, das sei auch kein Problem. In diesem Moment war er ein Musterschüler des Bundestrainers.


    Rolfes ist 26, in Leverkusen ist er Kapitän, er ist der Nonstop-Spieler, fehlt eigentlich nie und hat in 113 Spielen als defensiver Stratege schon 19Tore geschossen. Mit seinem Alter gehört er inzwischen zu den älteren Spielern in der DFB-Elf.


    Seinen Durchbruch feiert er beim EM-Spiel gegen Portugal


    Daran müsse er sich erst noch gewöhnen, sagt er, so lange sei er ja noch gar nicht dabei. „Aber da versucht man schon, auch mal ein bisschen mehr Verantwortung zu übernehmen“, sagt Rolfes, der im Spiel gegen Portugal bei der EM seinen Durchbruch im Nationalteam feierte. Torsten Frings war verletzt, und Löw vertraute auf die Doppel-Sechs, Rolfes kam neben Thomas Hitzlsperger zum Einsatz, Deutschland gewann 3:2 im vielleicht besten Spiel der EM.


    Jetzt ist Frings wieder nicht da, und Rolfes wird wohl in die offensivere Rolle von Michael Ballack schlüpfen, weil Jermaine Jones diesmal die Löcher stopfen darf und Thomas Hitzlsperger seiner Form hinterherläuft. Rolfes kann auch das, und das macht ihn zu einem dieser Spieler, die jeder Trainer gern hat.


    Mal nennt ihn die Presse „Mini-Ballack“, mal die „Super-Sechs“ oder auch den „Geometriker“. Er ist lernbegierig, „nicht immer spektakulär, aber wirkungsvoll“, wie Löw sagt. Er hätte mit dem Selbstbewusstsein eines Tabellenführers nach Berlin kommen können, aber lieber ist er ausgleichend und sucht seine Chance auf dem Platz.


    Eine ganze Generation von Spielern reift da heran. Alle mit Eifer dabei, zurückhaltend, aber lernbegierig, ausgleichend und harmoniebedürftig. Und hervorragend ausgebildet. Vielleicht ist Rolfes die Speerspitze dieser Generation, die der Bundestrainer schätzen gelernt hat, nachdem ihm die Angriffe Ballacks, wie Teammanager Oliver Bierhoff noch einmal versicherte, „menschlich zugesetzt hatten“.


    Vielleicht prägt diese Generation sogar schon das Bild der WM- Mannschaft 2010 in Südafrika. Womit alle Befürchtungen Ballacks Wahrheit geworden wären. Rolfes würde dann freilich eine Führungsrolle zufallen. Und vielleicht gebührt ihm dann auch einmal die erste Frage im Spiel mit der Kanzlerin. Ganz ohne Zurückhaltung.


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