"Erfolg ist mein Antrieb" - Interview mit Bruno Labbadia auf der Arminia-Homepage

  • "Erfolg ist mein Antrieb"


    Das Exklusiv-Interview mit Bruno Labbadia beweist, dass Bayers Erfolgstrainer die schwierige Gratwanderung zwischen Selbstbewusstsein und Bescheidenheit souverän meistert.


    Bruno Labbadia zählt derzeit zu den gefragtesten Personen im deutschen Fußball. Für seinen Ex-Club Arminia nahm er sich dennoch Zeit für ein ausführliches und ehrliches Interview - leider erst nach Redaktionsschluss der HALBVIER. Deshalb ist das große Interview zum kommenden Gegner in dieser Woche ausnahmsweise ausschließlich auf der Homepage nachzulesen.


    Den Begriff „Trainer-Philosophie" hören Sie eher ungern. Wie würden Sie denn das beeindruckende Konstrukt beschreiben, das Sie und Ihr Trainerteam in Leverkusen auf die Beine gestellt haben?


    Erst einmal ist es die Mannschaft, die ihr Potential momentan einfach ausschöpft. Sie war in den vergangenen vier Monaten bereit, intensiv zu arbeiten und ihr Können abzurufen. Was den Begriff „Trainer-Philosophie" betrifft, empfinde ich ihn nicht als Tabuwort. Doch ich habe mich einmal mit Rudi Völler darüber unterhalten: Mittlerweile wird der Begriff überstrapaziert, jeder spricht von einer „Philosophie". Ich hingegen nenne es immer den Fußball, den ich im Kopf habe. Und genau deshalb bin ich Trainer geworden, weil ich Gefallen daran finde, wenn eine Mannschaft meine Vorstellung von Fußball in sich trägt. Erfolgreich und gleichzeitig schön zu spielen, macht natürlich Freude. Allerdings bin ich weit davon entfernt, von großer Zufriedenheit zu sprechen. Ich sehe eher den Antrieb, das Erreichte zu untermauern. Auch wenn die Mannschaft noch recht jung ist, gilt es, das in den nächsten Wochen und Monaten unter Beweis zu stellen.


    Die Vorstellung von „Ihrem" Fußball können Sie als Trainer, der das große Ganze lenkt, vermutlich besser umsetzen als zu Spielerzeiten, als Sie einer von Elfen waren.


    Man kann beide Jobs nicht miteinander vergleichen. Als Spieler hatte ich den schönsten Beruf, jetzt habe ich den zweitschönsten. Der Spieler kann Erfolgserlebnisse mehr auskosten, der Trainer ist sofort auf der Suche nach dem richtigen Ansatz für die Fortführung des Erfolgs. Das Ganze im Blick zu haben, kann sehr schön sein, es kann aber auch sehr belasten, wenn es nicht läuft.


    Was in Ihrer Trainerlaufbahn noch nicht häufig vorkam.


    Ich mache den Job sehr gerne, weil ich weiß, was ich durch den Fußball erleben durfte, sowohl früher als auch heute. Das sind einfach ganz besondere Dinge. Deshalb bin ich auch sehr froh, wieder in der Bundesliga gelandet zu sein. Zwar herrscht nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen, Probleme tauchen immer irgendwie auf, aber ich werde nie vergessen, welches Leben ich dank des Fußballs führen darf. Diesen Gedanken habe ich mir bis heute erhalten.


    Vor allem die Offensive der Leverkusener wird allseits gelobt. Dabei wird beinahe übersehen, dass Bayer zudem die zweitbeste Defensive der Liga aufweist. Ist Angriff die beste oder zumindest bessere Verteidigung?


    Nein, bei uns muss einfach jedes Rädchen ins andere greifen, damit wir so funktionieren wie im Moment. Vieles ist genau abgestimmt und jeder muss sich eine gewisse taktische Disziplin aneignen, für die Mannschaft und für die Defensive. Stürmer müssen zwar nicht in den eigenen Strafraum, aber sie müssen eben ein Stück nach hinten mitarbeiten. Gleichzeitig werden sie dafür belohnt, indem sie mehr Chancen erhalten. Das halte ich für unser Rezept und Erfolgsgeheimnis. Gegen einen hochdisziplinierten Gegner wie Schalke 04 haben wir zum Beispiel gezeigt, dass wir nicht nur durch die Offensive auftrumpfen, sondern auch schnell umschalten und gegen den Ball arbeiten.


    Nicht, dass wir mit Blick auf Ihren Besuch in Bielefeld etwas dagegen hätten, dennoch schleichen sich gerade auswärts noch enorme Schwankungen in das Spiel Ihrer Mannschaft ein, wie die Beispiele Hamburg, Bochum und Karlsruhe zeigten.


    Ich glaube, wir sind sogar eine der besten Auswärtsmannschaften, schauen Sie mal nach (machen wir: Bayer hat nach Bayern München die zweitbeste Auswärtsbilanz; Anm. d. Red.), also ich kann da kein Problem erkennen. In Hamburg führten wir 2:0, ohne dass Hamburg einmal aufs Tor schoss, dann bekamen wir einen Platzverweis gegen uns (am Ende 2:3), in Bochum sind wir einfach nachlässig geworden, nachdem wir mit 3:0 führten (am Ende 3:2). Mann muss aber anerkennen, dass die Bochumer nie aufgegeben haben, genauso wenig wie Karlsruhe (3:3 nach 3:0-Führung). Ich kann da keinen Trend erkennen, auch wenn wir uns kleine Dellen holten. Entscheidend ist alleine, dass wir jeweils schnell wieder Fuß gefasst haben. Und deshalb sind wir auch Tabellenführer: Weil wir uns mal kleine Auszeiten nahmen, aber dann sofort wieder da waren.


    Der deutsche Ligafußball ist in Europa nicht gerade für schnellen und attraktiven One Touch Football bekannt. Können die erfreulich offensiven Hoffenheimer und Sie mit Leverkusen diesen Trend endlich herbeiführen?


    Ich sehe mich weder als Trendsetter noch als jemand, der den Fußball neu erfinden kann. Und bloß weil wir jetzt Tabellenführer sind, machen wir nicht außergewöhnlich andere Dinge. Unser System passt zur Mannschaft und sie harmoniert gut, aber ein neuer Trend ist das nicht. Und natürlich ist es schön, wenn die Leute über unseren Fußball reden, denn auch heutzutage ist Fußball Unterhaltung, doch ich schaue nur auf uns und will mich gar nicht im Vergleich zu anderen Vereinen positionieren. Wir wissen, dass wir vorne stehen, weil wir einen taktisch und technisch guten Fußball spielen, gleichzeitig wissen wir, dass bei uns alles passen muss und keiner nachlassen darf. Deshalb bleiben wir bodenständig und besonnen und verhalten uns nicht auf einmal anders, weil es derzeit gut läuft.


    Ist Bodenhaftung Ihre oberste Maxime?


    Wir wollten in der Mannschaft von Anfang an den Glauben an Siege wecken und wollen bei jedem Gegner gewinnen. Das hat nichts mit Arroganz zu tun, im Gegenteil besitzen wir vor jedem Gegner Respekt. Ganz gleich, ob Hamburg, Bremen, Schalke oder jetzt Bielefeld. Wir wissen, dass da ein harter Brocken auf uns zukommt. Arminia tritt sehr diszipliniert auf und hat gegen gute Mannschaften gute Ergebnisse abgeliefert. Bielefeld ist immer in der Lage, ein Topspiel abzuliefern, ich habe es zweimal gesehen und weiß, wie stark es sein kann.


    Kann man mit jungen, in Sachen Tradition unvorbelasteten Clubs wie Leverkusen, Hoffenheim oder auch Wolfsburg eher moderne Visionen umsetzen als zum Beispiel mit den alteingesessenen Bayern oder Schalke?


    Auch wenn der Meistertitel fehlen mag, hat Bayer Leverkusen in den vergangenen Jahren stets ansprechende Leistungen gezeigt und stand 2002 sogar im Champions League-Finale, das schaffen nicht viele Vereine. Für mich ist aber nicht die Tradition, sondern die Leistungsbereitschaft der Mannschaft entscheidend. Ich würde es also nicht verallgemeinern und mit dem Verein in Zusammenhang bringen.


    Der „Kicker" schrieb, Sie seien immer auf der Jagd nach dem nächsten Glücksmoment. In der Tat jubelte schon als Spieler keiner schöner als Sie. Wäre es despektierlich Sie als eine Art Glücks-Junkie zu bezeichnen?


    Ich finde, Fußball ist ein sehr, sehr schönes Spiel, zu dem das Wort „Junkie" aber nicht passt. Erfolgshungrig, gierig nach Höhepunkten, das passt schon eher. Es gibt Menschen, die vergessen, was ihnen der Fußball gegeben hat. Doch wie ich schon sagte, wird mir das nicht passieren. Und das versuche ich auch meinen Spielern zu vermitteln. Diese Glücksgefühle erleben nicht viele Menschen und sind für kein Geld der Welt bezahlbar. Gleichwohl muss gesagt werden, dass man auch viele Tiefen durchlebt und es an jedem Wochenende nur Hopp oder Top heißt, es ist ein sehr schwankendes Leben.


    Hand aufs Herz: Würde sich der Stürmer Bruno Labbadia im modernen und hoch anspruchsvollen Expressfußball der heutigen Bayer-Elf zurechtfinden?


    Eine Sache vermeide ich konsequent: Vor der Mannschaft über meine Zeit als Fußballer zu sprechen. Es interessiert nicht mehr, was ich als Spieler gemacht habe, das ist vorbei und für mich Lichtjahre entfernt. Mich interessiert nur, was ich heute bewirken kann. Ich versuche die Mannschaft dahin zu kriegen, dass sich jeder einzelne Spieler weiterentwickelt. Ich verbinde damit aber auch ganz egoistische Ziele: Ich möchte Erfolg haben, das ist mein Antrieb. Ich denke nicht darüber nach, ob ich mich in diesem Fußball wiederfinden würde. Es lohnt nicht drüber nachzudenken.


    Toni Polster sagte, Sie hätten schon immer wie ein Trainer gedacht. Das gilt bestimmt auch für Ihre Zeit bei Arminia Bielefeld, wo Sie im letzten Drittel Ihrer Karriere Station machten.


    Es war eine sehr schöne, aber auch schwierige Zeit. Diese drei Jahre haben mir sehr viel gegeben, zumal ich unter erschwerten Bedingungen gekommen bin, der Verein musste sofort wieder aufsteigen. In dem Jahr habe ich in der zweiten Liga dann 28 Tore geschossen, das war natürlich eine Marke für mich. Im Nachhinein habe ich diese Herausforderung als wichtigen Schritt in meiner Karriere betrachtet, denn tatsächlich habe ich schon damals etwas weitergedacht. Als Spieler denkt man schon ein bisschen wie ein Trainer. Allerdings glaube ich, dass sich weder Spieler noch Zuschauer wirklich im Klaren sind, welch breites Spektrum der Job in der heutigen Zeit abdeckt. Der Beruf ist sehr interessant und vielseitig, aber nicht mit dem des Spielers zu vergleichen. Da konzentrierst du dich allein auf dich selbst, als Trainer kommen so viele Bereiche zusammen, das konnte ich mir damals noch nicht vorstellen. Was Bielefeld betrifft, habe ich sehr gerne hier gelebt. Meine Tochter ist in Bielefeld zur Schule, mein Sohn in den Kindergarten gegangen, wir haben uns sehr wohl gefühlt. Es ist eine sehr angenehme und lebenswerte Stadt.

    Wenn die Zeit kommt, in der man könnte, ist die vorbei, in der man kann.