- Labbadia ohne Tor – das machte ihn früher fertig
- Wenn Bayern strauchelt, gewinnt er jetzt den Titel
Von Lothar Matthäus
Zunächst traute ich der Sache mit Bruno Labbadia nicht. Denn oft, wenn ehemalige Torjäger Trainer werden, lassen sie mauern wie Helenio Herrera, der in den 60er-Jahren den Mauerfußball "Catenaccio" erfand und mit Inter Mailand gerade deshalb zweimal den Europacup der Landesmeister gewann.
Deshalb war ich angenehm überrascht, dass ausgerechnet Bruno Labbadia, einer der torhungrigsten Spieler, die ich je erlebt habe, Bayer Leverkusen auf Teufel komm raus stürmen lässt. Bruno ist seiner Einstellung treu geblieben. Auch jetzt beim 1:2 in Bielefeld. Offensive bedeutet immer auch Risiko.
Okay, Leverkusen war immer schon nach vorne orientiert. Und wenn man als Trainer einen Vorgesetzten wie die Torlegende Rudi Völler hat, muss man stürmen lassen, um länger als eine Saison auf der Bank zu sitzen. Bruno legte deshalb noch eine Schippe drauf. Er wird auch Samstag gegen München stürmen lassen.
Ich habe mit Bruno zwei Jahre bei Bayern zusammengespielt. Von 1992 bis 1994. Er redete immer gern. Aber mit ihm war nichts anzufangen, wenn er kein Tor geschossen hatte. Dann verstummte er. Bruno war eigensinnig – ein richtiger Torjäger eben.
Bruno spielte schon 1991/92 bei Bayern, da wurden sie nur Zehnter.Ich will nicht sagen, dass es an meiner Rückkehr von Inter Mailand lag, dass er auftaute. Aber 1992/93 wurden wir dank elf Treffern von Bruno Vizemeister, 1993/94 feierten wir die Meisterschaft. Auch dank der sieben Tore von Bruno. Damals war in der Rückrunde Franz Beckenbauer unser Trainer.
Nun hat Bruno Labbadia mit René Adler nicht nur einen Supertorhüter, der nach seiner zuletzt schwachen Woche gerade gegen Bayern München topmotiviert sein wird. Er hat als Linksverteidiger Michal Kadlec, erst 23 Jahre alt – wie Adler. Diesen Überflieger von Sparta Prag wollte ich schon vor drei Jahren zu Red Bull Salzburg holen. Mit seinem Vater Miroslav ist Bruno 1991 in Kaiserslautern Meister geworden!
Wenn Bayer punktuell verstärkt wird, kann auf Dauer ein ernsthafter Konkurrent für die Bayern um den Titel entstehen. In dieser Saison spielt Leverkusen mit Hoffenheim bisher den attraktivsten Fußball. Sollten die Bayern tatsächlich nicht Meister werden, dann tippe ich eher auf Leverkusen als auf Hoffenheim. Denn dort wird gerade wegen der Tabellenführung Unruhe reinkommen, dort ist nicht die Stabilität da. Die Spieler von Bayer haben mehr Ausstrahlung.
Für mich hat Leverkusen auch persönlich eine besondere Bedeutung. Nach meinem Kreuzbandriss, als mich viele schon abgeschrieben hatten, gelang mir 1992 das Tor des Jahres mit einem Volleyschuss aus 20 Metern nach einer Ecke von Mehmet Scholl. Dieses Tor brachte mir den nötigen Respekt wieder ein.
Zur Gegenwart: Samstag ist alles offen. Wenn Leverkusen so viele Chancen vergibt wie vergangene Saison, wird Bayern gewinnen. Chancen wird Bayer aber auf jeden Fall haben. Selbst der Tabellenletzte Cottbus traf beim 1:4 in München.