Der kreative Pistolero
Vom SV Weiterstadt über den Hamburger SV und Bayern München als Chefcoach zu Bayer Leverkusen - Bruno Labbadia hat in seiner illustren Karriere als Spieler und seinem Job als Trainer schon einiges in den heimatlichen Bundesligen gesehen.
Jetzt empfängt er seinen ehemaligen Arbeitgeber aus dem Süden zum Topspiel der Bundesliga. sportal.de schaut sich den 103-fachen Bundesliga-Torschützen näher an.
Ob die Medien es nun "hochsterilisieren" oder nicht, die Spitzenpartie des 15. Spieltages könnte so etwas wie ein Meilen- oder Stolperstein in der Karriere des Coaches Labbadia werden. Gewinnt Bayer, könnten sie nicht nur ganz oben stehen, sondern hätten auch die Bayern um drei Punkte distanziert - verliert der Werksclub, wäre der Rückstand eben jener drei Zähler eventuell Grund, dass von Uli Hoeneß gerne zitierte Fernglas zu zücken.
Wandervogel und Tor-Rekordler
Mit dem Spieler Labbadia verbindet man den Hamburger SV, Werder Bremen oder eben jene Bayern, die ihn nun besuchen kommen, doch seine statistisch besten Jahre als Spieler verbrachte der Stürmer bei Arminia Bielefeld, in 98 Spielen konnte er 50 Mal in der Bundesliga und der 2. Liga den gegnerischen Kasten treffen. Pistolero von der Alm wurde er bei der Arminia aufgrund seines ungewöhnlichen Jubels genannt.
Insgesamt brachte er es bei acht Vereinen in 19 Jahren auf 328 Bundesliga- und 229 Zweitligaspiele, traf im Oberhaus 103 und im Unterhaus 101 Mal in den gegnerischen Kasten - als einziger Spieler konnte er bis dato in beiden deutschen Profiklassen jeweils 100 Tore schießen. Zudem rundeten zwei Auftritte im Nationaltrikot, zwei Meisterschaften, ein Pokalssieg und die Torjägerkanone der 2. Bundesliga das Bild des Stürmers Labbadia, der 2003 die Stollen an den Nagel hängte, ab.
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Lehrjahre sind keine Herrenjahre
Ebenso holprig wie seine von Reiselust geprägte Spielerlaufbahn mit vielen Höhen und Tiefen lief die zweite Karriere für Labbadia, der laut seinem Kölner Sturmpartner Toni Polster bereits als Spieler wie ein Trainer gewesen sei, an. Als Coach-Neuling führte er seinen alten Heimatclub Darmstadt von der Oberliga zurück in die Regionalliga Süd und die Lilien dort auf Platz fünf.
Dies gelang mit ungewöhnlichen Maßnahmen, so hielten sich die Darmstädter zehn Stunden auf dem Trainingsgelände auf, holten gemeinsam Essen vom Italiener und wuschen anschließend zusammen ab.
Im nächsten Jahr trat er nach dem zweiten fünften Platz - die Ansprüche in Hessen waren allerdings gewachsen - zum Saisonende von seinem Amt zurück. "Die Zeit war gekommen", kommentierte er diesen Schritt gegenüber dem Magazin 11 Freunde.
Agieren statt reagieren
Die Arbeitslosigkeit wurde durch ein Angebot der SpVgg Greuther Fürth jäh beendet - der ewige Zweitliga-Fünfte verpflichtete den zweimaligen Regionalliga-Fünften. Kein leichter Job für den Neuling im Profi-Trainergeschäft, hatten doch etliche Leistungsträger dem Playmobil-Stadion den Rücken gekehrt. Zum Vorteil gereichte Labbadia jedoch, dass er bereits ein halbes Jahr Vorlaufzeit bekam, im Schatten seines Vorgängers Benno Möhlmann zu planen.
Zum zweiten Mal zahlte sich die Reiselust des neunten Sohnes italienischer Einwanderer aus: Er formte als designierter Coach bereits eine Mannschaft mit 13 neuen Spielern, die nach der Hinserie 2007 - man mag es kaum glauben - den fünften Rang belegte. Noch wichtiger für den Trainer war allerdings, dass seine Philosophie vom Team wörtlich umgesetzt wurde.
Nicht die kontrollierte Offensive, sondern geordnete Kreativität bestimmte das Spiel. "Ohne Ordnung und Disziplin geht es nicht, aber in diesem Rahmen muss sich jeder frei entfalten können. Man muss Dinge mitgeben - und Spielräume lassen", so Labbadia in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Agieren statt reagieren lautete seine Devise als Spieler, so soll sie auch für seine Akteure gelten.
Bereicherung für Leverkusen
Am Ende der Saison reichte es für die Franken einmal mehr nicht zur Bundesliga - Platz sechs drückte aber für einen jungen Trainer wie Labbadia, auch aufgrund eines begrenzten Budgets im Club, einen achtbaren Erfolg aus.
Doch es lockte Bayer Leverkusen und die Bundesliga - Präsident Helmut Hack ließ den ehemaligen Wandervogel nur widerwillig gehen, Teammanager Rachid Azzouzi bekannte im kicker: "Das Jahr mit Bruno war eine Bereicherung für mich." Zumindest etwas dauerhaftes hinterließ Labbadia nach der einen Saison im Frankenland. Anstatt einer Ablöse vereinbarten beide Clubs eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen.
Der logische Aufstieg
Nach 14 Spieltagen mischt der Torjäger nun in der Bundesliga ganz oben mit - auch in Leverkusen wird die Philosophie des Trainers erfolgreich umgesetzt. Zehn-Stunden-Tage sind unter anderem für die Bayer-Profis mittlerweile an der Tagesordnung. Diese Maßnahme, die bereits in Darmstadt und auch Fürth zum Tragen kam, wird am Rhein mit etwas anderen Mitteln weitergeführt.
So ähnelt der Weg des Bruno Labbadia in seiner zweiten Karriere eher einer Kurve nach oben denn einer Achterbahn. Von der Oberliga - die er halb bewusst, halb mit dem Herzen als Einstieg gewählt hatte - ging es über Regionalliga und 2. Bundesliga ins Oberhaus.
Ob dies schon das Ende der Karriereleiter ist - wer weiß? Labbadia ("Ich lebe im Hier und Jetzt") machte sich darüber gegenüber 11 Freunde keine Gedanken: "Für mich bestand der Reiz immer darin, egal wo ich spiele oder trainiere, das Gefühl zu haben, dass es momentan der größte Verein der Welt ist."
Sven Kittelmann