LEVERKUSEN UND HOFFENHEIM - Die Bübchen greifen nach der Macht

  • Der gesetzte Herrenclub FC Bayern muss jetzt gegen Leverkusen und Hoffenheim ran - die beiden jüngsten Mannschaften der Bundesliga. Womöglich wird der Altmeister dabei schmerzhaft lernen, dass die Jugend einfach im Vorteil ist: weil sie herrlich frei aufspielen kann.


    Zu den vermeintlich ewigen Weisheiten des Fußballs gehört, dass die Erfahrung der Mannschaft wichtig ist auf dem Weg zur Meisterschaft. Otto Rehhagel zum Beispiel ging am liebsten mit einem Trupp gesetzter Familienväter auf Trophäenjagd - als er Werder Bremen verließ, hinterließ er eine Mannschaft mit einem Altersschnitt weit jenseits der 30.


    Wenn es nach Alter und Erfahrung ginge, müsste der Spuk mit 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen an der Tabellenspitze der Bundesliga also bald vorüber sein. Sie stellen die beiden jüngsten Teams der Bundesliga.


    Aber vielleicht sind die ewigen Weisheiten des Fußballs ja gar nicht so weise.


    In der Hoffenheimer Mannschaft von Ralf Rangnick ist der 26-Jährige Österreicher Andreas Ibertsberger ältester Stammspieler. Bei Bruno Labbadia in Leverkusen ist es der ebenfalls 26-jährige Simon Rolfes als Kapitän.


    Ansonsten flitzen ausschließlich Jung-Twens über den Platz, für die jedes Spiel noch ein neues Abenteuer zu sein scheint. Im Vergleich zu ihnen nimmt sich der FC Bayern wie eine Versammlung gesetzter Herren aus. Die Hälfte der Feldspieler gehört zur Ü30, fast alle Mann haben schon nationale und internationale Titel gewonnen.


    Auch deshalb wird Jürgen Klinsmann einige Energie darauf verwenden müssen, dass seine Spieler den rasenden Nachwuchs ernst nehmen, wenn es an diesem Samstag gegen Leverkusen (15.30 Uhr, Liveticker auf SPIEGEL ONLINE) und am Freitag darauf gegen Hoffenheim geht.


    Bayer hat in den vergangenen Jahren bei Spielen gegen die Bayern stets größere Ehrfurcht gepackt als ein Springpferd vor dem gefürchteten Pulvermanns Grab beim Deutschen Springderby. Seit vier Jahren hat es in Leverkusen keinen Sieg mehr gegen die Münchner gegeben. Sie haben bei Bayer so oft gepunktet wie keine andere Mannschaft. Angesichts dieser Statistik hilft das junge Alter der Spieler - viele Bayer-Profis von heute kennen das Bayern-Trauma des Clubs nicht aus eigener Erfahrung.


    Und das ist nicht der einzige Vorteil. Jugend hat immer mit Überschuss und Verschwendung zu tun, weshalb junge Fußballer eher all die möglichen und unmöglichen Wege gehen, die sich Ältere oft sparen.


    Leverkusens schöner Kombinationsfußball ist anspruchsvoll - weil jeder Spieler technisch so begabt sein muss, dass die Kette der Pässe nicht abreißt. Das klappt, wenn alle Spieler viel laufen. Und genau das tun Labbadias Youngster ausgiebig.


    Hoffenheim dagegen lebt eher von überfallartigen Angriffen, von Wucht im Spiel gegen den Ball. Der Tabellenführer ist die einzige Mannschaft der Bundesliga, die konsequent mit drei echten Stürmern spielt. Das ist nur möglich, weil die Angreifer Demba Ba, 23, Vedad Ibisevic, 24, und Chinedu Obasi, 22, mit jugendlichem Eifer umsetzen, was Trainer schon lange von ihren Offensivspielern fordern: bei Ballverlust sofort zu Verteidigern zu werden.


    Dass diese Forderung in Wirklichkeit nur selten erfüllt wird, sieht man in der Bundesliga oft genug - nicht zuletzt bei den Bayern. Luca Toni etwa geht einen gegnerischen Verteidiger meistens mit vergleichweise wenig Intensität an und spart seine Kräfte lieber für die Torjagd. Ob diese Arbeitsökonomie der Ausdruck eines optimalen Einteilens der Kräfte ist oder einer gewissen Trägheit, werden gerade die kommenden beiden Spiele zeigen.


    Jugend macht den Leverkusenern und Hoffenheimern die Füße auch deshalb leichter, weil sie von Erwartungen befreit. Beide Teams dürfen noch reifen, Wachstumsstörungen sind einkalkuliert, und das Erreichen großer Ziele ist in die Zukunft verlegt. Von der deutschen Meisterschaft spricht niemand. Schließlich ist Leverkusen zum Beispiel um den Heimvorteil gebracht, weil das Team die Hinrunde in einem Baustellenstadion ohne Dach und die Rückrunde auswärts in Düsseldorf austrägt.


    Außerdem ist es eine Art Naturgesetz, dass Bayer der ewige Zweite des deutschen Fußballs ist. Oder wissen die Jungen etwa nicht?


    Quelle: [URL=http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,593178,00.html]spiegel.de[/URL]