Interview - Sözer: "Ich lebe meinen Traum"

  • Erschienen am 28. November 2008


    Das Interview führte Lukas Lehmann


    Zusammen mit Chefcoach Bruno Labbadia [1] hat Bayer Leverkusens Co-Trainer Eddy Sözer die Werkself zu einer jungen, aufstrebenden Mannschaft geformt, die sich mit attraktivem Offensiv-Fußball zu einem heimlichen Titelkandidat gemausert hat. Im Exklusiv-Interview mit t-online.de spricht der 40-Jährige über die Zusammenarbeit mit Bruno Labbadia, die Leverkusener Spiel-Philosophie und die Rückkehr von Bernd Schneider [2] .



    Herr Sözer, Ihr persönlicher Aufstieg im Fußball liest sich kometenhaft: In wenigen Jahren haben Sie sich von den Amateurligen zum Co-Trainer einer der Top-Klubs in der Bundesliga hochgearbeitet. Sind Sie von Ihrem eigenen Werdegang überrascht?


    "Ich bin mir meiner Position und meines Werdegangs sehr bewusst. Ich bin sehr zielstrebig, arbeite hart und bin stets offen, neue Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen. Aber manche Entwicklungen kann man nicht beeinflussen. Da gehört auch eine Portion Glück dazu. Glück kann man sich erarbeiten. Fußball ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Seit meinem 22. Lebensjahr bin ich Trainer, habe mittlerweile in allen Ligen gearbeitet und mich stets weitergebildet. Vor über zehn Jahren sagte ich während eines Trainerlehrgangs mal zu einem Bekannten: 'Ich will meine Trainerlaufbahn ohne Druck zu meinem Berufsleben als Informatikkaufmann weiterentwickeln. Mein Wunsch wäre es, irgendwann einmal in der Bundesliga zu arbeiten.' Diesen Traum lebe ich zur Zeit.


    Fiel es Ihnen schwer, den Beruf zu wechseln?


    "Nein, aber dieser Schritt bedurfte Verantwortungsbewusstsein. Wann macht man diesen Schritt? Nicht jeder in meinem Alter hätte es gewagt, aus dem normalen beruflichen Werdegang herauszutreten und in den Profi-Fußball zu wechseln. Ich habe diese Chance genutzt und in Bruno Labbadia den besten Partner für mich gefunden. In Darmstadt haben wir uns über die fachliche und inhaltliche Arbeit kennen- und schätzen gelernt. Wir teilen die gleichen Ziele und ergänzen uns optimal."


    Ist zwischen Ihnen und Bruno Labbadia eine Freundschaft entstanden, auch neben dem Platz?


    "Es hat sich eine enge Freundschaft entwickelt. Das ist natürlich sehr positiv, weil wir sehr viel Zeit miteinander verbringen. Durch die Zusammenarbeit haben wir festgestellt, dass sehr viele Inhalte übereinstimmen. Sei es in der Führung einer Mannschaft oder die Auffassung, einen offensiven, erfolgsorientierten Fußball spielen zu lassen. Ich komme sehr von der Methodik und habe über die letzten Jahre meine Trainings-Inhalte entwickelt. Wir haben sie dann zusammengeführt und arbeiten inzwischen partnerschaftlich sehr eng zusammen."


    Wie sieht die Rollenverteilung beim Trainer-Duo Labbadia/Sözer aus?


    "Bruno Labbadia ist das Gesicht unserer gemeinsamen Arbeit, das Gesicht unserer Spiel-Philosophie, unserer gesamten inhaltlichen und fachlichen Arbeit in der Trainingssteuerung, sowie im Bereich der Mannschaftsführung und – Entwicklung. Ich mag aus meiner Position heraus ein gewisses Maß an Zurückhaltung, ich agiere eher im Hintergrund."


    Bruno Labbadia sieht Sie nicht nur als Co-Trainer, sondern als Partner an.


    "Ja, diese positive Wertung ehrt mich sehr und sie spiegelt unser Arbeitsverhältnis wider. Wir arbeiten tagtäglich zusammen, um leistungsorientiert erfolgreich Fußball spielen zu lassen. In unserer Zusammenarbeit haben sich innerhalb der letzten drei Jahre wichtige Grundwerte wie Respekt, Loyalität, Ehrlichkeit, das absolute Vertrauen und blindes Verständnis entwickelt. Wir können uns die Dinge praktisch gegenseitig von den Augen ablesen. Einen enorm hohen Stellenwert hat bei uns das Feedback. Feedback geben wir uns jeden Tag und sehen darin keine Kritik, sondern die Möglichkeit den nächsten Schritt zur Verbesserung. Wo und wie kann man sich verbessern? Wir geben uns Feedback über die Mannschaft, über die Trainingsinhalte und über die eigene Arbeit."


    Sie sind zusammen über die Station Greuther Fürth zu Leverkusen gegangen. Gab es auch andere Angebote?


    "Zunächst einmal war Fürth ein ganz wichtiger Schritt für uns. Das war sehr bewusst ausgewählt, um unsere Fußball-Philosophie gemeinsam umzusetzen. Wir hatten dort alle nötigen Freiheiten. Wir haben Verantwortung und Vertrauen von Präsident Helmut Hack übertragen bekommen. Dieses Jahr in Fürth war die erste richtige Zusammenarbeit zwischen Bruno Labbadia und mir. Dort sind wir zusammengewachsen. Der Wechsel nach Leverkusen war wohl überlegt. Natürlich kamen andere Anfragen. Aber Leverkusen hat eine junge, dynamische, technisch versierte und attraktiv spielende Mannschaft. Insofern passt auch diese Auswahl sehr gut in unseren Werdegang.


    Inwiefern fließt die Leistungsdiagnostik bei Ihnen in die Trainingsgestaltung mit ein?


    "Im Mittelpunkt steht immer das Fußballspielen. Der Spieltrieb bei unseren Spielern muss erhalten bleiben, das ist enorm wichtig. Dazu gehört Spaß und Freude. Der methodische Ansatz wie man trainiert, wie konzeptionell und wie zielgerichtet man herangeht, hat bei der Trainingssteuerung für uns eine große Bedeutung. Wir zerlegen ein Fußballspiel in Einzelteile und fügen es am Ende wieder zu einem großen Teil zusammen. Wir wollen nicht reagieren, wir wollen agieren. Agieren heißt aktiv sein, Bälle fordern, nach vorne spielen, sich immer wieder zeigen, das ist ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Spiel-Philosophie. Um diese Spielweise aktiv zu gestalten braucht man die körperliche Fitness. Die Leistungsdiagnostik und die Spielanalyse sind wichtige Hilfsmittel hierfür. Wir haben mit Holger Broich in der Leistungsdiagnostik und Zvonko Komes in der Konditionsarbeit hervorragende Leute, die uns die körperlichen Voraussetzungen unserer Spieler gewährleisten."


    Leverkusen ist bekannt für sein exzellentes Scouting-System. Wie ist die Talentsuche organisiert?


    "Wir haben ein sehr aktives, weltweit offenes Scouting-System. Unser Manager Michael Reschke und Scouting-Leiter Norbert Ziegler mit seinem Team sind überall unterwegs .Wir haben Scouts, die über Jahre junge Spieler in ihrer Entwicklung beobachten, unter anderem aus Brasilien."


    Aus Brasilien stammt auch Renato Augusto, der für Bayer bislang eine wirkliche Verstärkung darstellt. Wie weit kann er es bringen?


    "Renato Augusto hat ein riesiges Potenzial. Was er an technischen Fähigkeiten, an Spielverständnis, an Antizipation, an körperlicher Stärke mitbringt, ist enorm. Der Junge ist erst 20 Jahre, er muss nun die nächsten Schritte machen, um dieses Potenzial auch in Ergebnisse umzumünzen. Daran arbeiten wir momentan mit ihm."


    Abwehrspieler Henrique spielt bislang ebenfalls eine sehr gute Saison, ist allerdings momentan nur vom FC Barcelona ausgeliehen. Gibt es Bestrebungen, ihn zu verpflichten?


    "Henrique spielt bisher wirklich eine hervorragende Saison, er hat sich von Spiel zu Spiel weiterentwickelt. Ich denke, Henrique fühlt sich in Leverkusen sehr wohl. Für uns ist er, als junger talentierter Spieler, ein interessanter Mann."


    Wann betritt Bernd Schneider wieder die Bundesliga-Bühne?


    "Bernd Schneider arbeitet parallel zur normalen Reha mittlerweile mehrmals mit Holger Broich auf dem Platz. Er führt ihn langsam an das Mannschaftstraining heran. Momentan macht er richtig gute Fortschritte. Wenn es weiterhin gut läuft – und da ist keinerlei Druck dahinter – kann er nach Winterpause wieder zum Kader stoßen."


    Am Wochenende steigt das Spitzenspiel gegen den FC Bayern München. Dürfen wir eine offensive Bayer-Elf erwarten, die auf Sieg spielt?


    "Eins ist klar: Der FC Bayern ist immer der Favorit. Bayern hat ein hohes Maß an Einzelqualität, das einfach über allen Mannschaften in der Bundesliga steht. Wir wollen immer unser eigenes Spiel umsetzen, auch gegen Bayern München. Inwieweit wir damit durchkommen oder Anpassungen vornehmen müssen, das wird die Trainingswoche zeigen. Unsere grundsätzliche Ausrichtung werden wir aber nicht verändern."


    Wann sehen wir Eddy Sözer als Cheftrainer in der Bundesliga?


    "Ich habe mich für eine Partnerschaft mit Bruno Labbadia entschieden. Wir haben einen Weg gefunden, uns weiter zu entwickeln und gleiche Ziele zu verfolgen. Ich fühle mich neben ihm sehr gut in meiner Position. Daher sehe ich keinen Grund, mir Gedanken darüber zu machen. Im Gegenteil: Ich sehe mich neben Bruno Labbadia in der richtigen Position. Wir haben ein tolles Trainerteam mit Torwarttrainer Rüdiger Vollborn, Broich und Komes. Bruno Labbadia ist das Gesicht unserer Teamarbeit. Ich sehe eine langfristige Partnerschaft mit Bruno Labbadia und gebe alles für den gemeinsamen Erfolg.


    Herr Sözer, vielen Dank für das Gespräch.


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