Transfermarkt.de: Eren Derdiyok wird heiß gehandelt bei Bayer 04. Ist es grundsätzlich ein Aspekt, der bei der Auswahl des Arbeitgebers eine Rolle spielt, wer außerdem im Team stehen könnte?
Tranquillo Barnetta: Es ist sehr wichtig, dass ich mich wohlfühle in einem Verein. Schlussendlich muss jeder zwar auf sich selbst schauen, aber bei einem Wechsel oder einer Vertragsverlängerung rechne ich plus und minus gegeneinander auf, und da spielt auch eine Rolle, wer die Mitspieler sind. Ich bin in Leverkusen sehr glücklich, fällt es einem natürlich schwerer, den Verein zu verlassen, als wenn ich mich nicht wohlfühlen würde.
Transfermarkt.de: Sie gelten als beidfüßig. Ist das Talent oder haben Sie das speziell trainiert?
Tranquillo Barnetta: Als hundertprozentig beidfüßig würde ich mich nicht bezeichnen. Dadurch, dass ich seit vielen Jahren als Rechtsfüßer links eingesetzt werde, habe ich natürlich auch verstärkt den linken Fuß trainiert. Angeboren ist das bei mir nicht.
Transfermarkt.de: Dadurch können Sie offensiv auf jeder Position spielen. Welche Position spielen sie denn am liebsten?
Tranquillo Barnetta: Ob links oder rechts - auf den Außenbahnen habe ich keine Vorlieben. Ich spiele auch gerne zentral. Dort ist das Spiel halt ein anderes. Auf den Außen geht es öfter in eine Eins-zu-eins-Situation, während es in der Mitte darum geht, die Bälle schnell weiter zu leiten. Da ich die meisten Spiele auf den Flügeln gemacht habe, favorisiere ich diese Position.
Transfermarkt.de: Die Bayarena wird umgebaut, daher wird die Rückrunde in Düsseldorf gespielt. Sehen Sie es als Nachteil an, dass Leverkusen die Rückserie quasi nur auswärts spielt?
Tranquillo Barnetta: Wir sind zwar hier zu Hause und es ist nicht optimal, dass wir wechseln müssen, aber das können wir nicht ändern. Einen großen Nachteil sehe ich für uns nicht. Für uns spricht, dass wir auch auswärts immer auf Sieg spielen. Fußballerisch macht es für uns also keinen großen Unterschied.
Transfermarkt.de: Was erwarten Sie sich von der neuen Arena?
Tranqullo Barnetta: Wenn ich mir die Pläne sehe, muss ich sagen: Das wird ein echtes Schmuckstück. Es wird in jeder Hinsicht auf dem modernsten Stand sein. Die neue Arena wird den gesamten Verein wieder ein großes Stück nach vorne bringen, da bin ich mir sicher.
Transfermarkt.de: Sie haben bereits eine WM und eine EM gespielt und nehmen mit 23 in Verein und Nationalmannschaft eine tragende Rolle ein - welche Ziele verfolgen sie noch als Fußballer?
Tranquillo Barnetta: Soviel haben wir bei den Turnieren nicht gerissen (lacht). Aber bei solchen Turnieren entwickelt man sich als Spieler natürlich ein großes Stück weiter. Aber gerade wenn du solche Turniere erlebt hast, möchtest du sie immer wieder erleben. Mit der Schweiz haben wir hohe Ambitionen. Das gilt auch für den Verein. Am Ende zählen Titel, also wird mir die Motivation nicht ausgehen.
Transfermarkt.de: Sie waren in St. Gallen mit 18 bereits Kapitän. War es, im Nachhinein betrachtet, eine gute Entscheidung, so jung schon eine solche Verantwortung zu übernehmen?
Tranquillo Barnetta: Ich war nicht alleiniger Kapitän, sondern habe mir das Amt geteilt. Eine Mannschaft als Kapitän anzuführen, war sicherlich sehr wichtig für meine Entwicklung.
Transfermarkt.de: Hören die älteren Spieler auf einen solchen „Jüngling“?
Tranquillo Barnetta: Ja, schon. Ich musste natürlich darauf achten, was und vor allem wie ich etwas sagte. Auf dem Spielfeld muss aber eh jeder mit dem anderen reden, um erfolgreich zusammen zu spielen.
Transfermarkt.de: Wie sind Sie mit der Situation umgegangen, in der WM-Qualifikation nach vier Spielen schon praktisch aus dem Rennen gewesen zu sein?
Tranquillo Barnetta: Wir sind eigentlich nur froh, dass wir es wieder hingebogen haben mit den Spielen gegen Lettland und Griechenland. Wir hatten das Messer am Hals, konnten uns aber retten. Gegen Moldawien müssen jetzt zwei Siege her.
Transfermarkt.de: Was war ausschlaggebend für die krasse Leistungssteigerung nach dem Spiel gegen Luxemburg? Wie motiviert sich der Nationalspieler, der vielleicht eher Ruhe als noch ein weiteres Spiel will?
Tranquillo Barnetta: Ruhe ist das Letzte, was man nach einem solchen Spiel will. Man will am liebsten sofort wieder spielen. Gegen Luxemburg hat kein Einziger seine Leistung gebracht, und ich bin froh, dass wir das wieder ausbessern konnten.
Transfermarkt.de: Wieso spielt die Schweiz besser, wenn sie das Spiel nicht gestalten muss, wenn sie nicht in der Favoritenrolle ist?
Tranquillo Barnetta: Ich glaube nicht unbedingt, dass das der Fall ist. Gegen Lettland zum Beispiel waren wir Favorit und haben ein gutes Spiel gemacht. Wenn wir Favorit sind, ist es für uns ungewohnt, weil es nicht so oft vorkommt, dass die Schweiz als klarer Favorit in ein Spiel geht. Trotzdem muss man mit dieser Situation umgehen können. Ich bin sicher, dass wir aus dem Fehltritt gegen Luxemburg alle gelernt haben und dies in Zukunft besser machen.
Transfermarkt.de: Vor der EM sagte Alexander Frei: „Wir wollen Europameister werden.“ Überschätzen sich Schweizer Fussballer?
Tranquillo Barnetta: Nein. Gar nicht. Wenn du ein Turnier zu Hause spielst und das nicht gewinnen willst, brauchst du gar nicht anzutreten. Wenn man seine Ziele klar formuliert, sagt der zurückhaltende Schweizer wieder, man überschätze sich. Niemand hat gesagt, dass wir Favorit auf die EM gewesen wären. Aber die Griechen zum Beispiel haben gezeigt, was möglich ist, wenn alles perfekt läuft. Daher ist es richtig, mit diesem Ziel in ein solches Turnier zu gehen.
Transfermarkt.de: Wollen Sie vor allem aus Nationalstolz bei einer WM dabei sein, oder sehen Sie gewisse Nutzen und Vorteile für die persönliche Karriere?
Tranquillo Barnetta: Als Spieler muss du natürlich immer beides in Betracht ziehen. Das Schaufenster bei solchen Turnieren ist groß. Du kannst dich schnell in den Vordergrund spielen, aber nach einem schlechten Turnier auch schnell hinten anstehen. Aber alleine durch die Erlebnisse mit dem Team ist ein solches Turnier eine tolle Erfahrung.
Transfermarkt.de: Was halten Sie davon, dass Hitzfeld Spieler aufbietet, die in ihren Vereinen keine Stammspieler sind, wie etwa Ziegler und Nef?
Tranquillo Barnetta: Ziegler hat in der U21 auf sich aufmerksam gemacht. Ich denke, der Trainer lässt die spielen, die im Team gute Leistungen gezeigt hat. Die Auslese ist in der Schweiz nicht so groß, da muss der Trainer schauen, wer insgesamt die Mannschaft weiter bringt und nicht, wer im Verein spielt.
Transfermarkt.de: Sie haben eine Lehre als kaufmännischer Angestellter abgeschlossen, gleichzeitig bei den Junioren des FC St. Gallen und der Nati gespielt. Wie haben Sie als 17-Jähriger ein solches Pensum geschafft?
Tranquillo Barnetta: Mir sind da alle entgegengekommen, vor allem der Lehrmeister. Natürlich musste ich meine Freizeit dann oft mit Büffeln verbringen, um Stoff nachzuholen, den ich durch Spiele verpasst hatte. Ich habe aber in dieser Zeit gelernt, mich durchzubeißen, was mir dann im Verein hinterher sehr geholfen hat.
Transfermarkt.de: Gibt es für sie auch Schattenseiten des "Traumberufes" Fußballprofi?
Tranquillo Barnetta: Die gibt es. Ich könnte mir zum Beispiel nicht einfach eine Auszeit nehmen und drei Monate ins Ausland reisen. Der Terminplan ist halt das ganze Jahr vorgegeben. Darauf müssen wir warten, bis die Karierre beendet ist. Aber es wird sich mit Sicherheit niemand beklagen, denn insgesamt haben wir schon wirklich Glück und ich bin sehr froh, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben.
Transfermarkt.de: Leverkusen gilt nicht zwingend als schönste Stadt Deutschlands. Was können Sie denn über die Stadt Leverkusen sagen?
Tranquillo Barnetta: Ich muß zugeben, dass ich in Köln wohne. Und - ehrlich gesagt: Ich habe von der schönen Stadt Leverkusen gar nicht so viel gesehen in den vier Jahren.
Transfermarkt.de: Sie leben also als Bayer Spieler in Köln. Bekommen Sie da tagtäglich auf der Straße etwas von der Rivalität zum 1. FC Köln mit?
Tranquillo Barnetta: Nicht wirklich. Einmal wurde mir zugerufen: „Geh zurück auf deine Rheinseite“. Aber die Leverkusener Spieler, die in Köln wohnen, werden nur sehr selten erkannt. Der Kölner an sich kennt meist nur 22 Spieler, nämlich die des eigenen Vereins.