Verwaltungsgerichte: Hooligan-Datei rechtswidrig
Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannovers (10 A 2412/07) ist die vom Bundeskriminalamt und den Bundesländern geführte Datei "Gewalttäter Sport", auch als"Hooligan-Datei" bekannt, möglicherweise rechtswidrig. Das Gericht stützt sich dabei auf die Auffassung, dass eine solche "Verbunddatei" nicht ohne Rechtsverordnung und Zustimmung des Bundesrates geführt werden darf. Weil dies nicht geschehen sei, sei die Datei rechtswidrig angelegt worden. Die umstrittene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist kurz vor Weihnachten vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigt worden. Gegen die Entscheidung hat die Polizeidirektion Hannover Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes[1] reicht weit über den unmittelbaren Anlass hinaus. Geklagt hatte ein Hannoveraner Fußballfan, der als Ultra[2] eingestuft und in der Datei "Gewalttäter Sport" (GWS) gespeichert wurde. Das Gericht befand, dass seine Daten gelöscht werden müssen, weil die Datei insgesamt gegenwärtig unzulässig sei. Das Gericht bemängelte eine fehlende Rechtsverordnung. Außerdem verneinte es die Argumentation des zuständigen Bundesinnenministeriums, nach der das Ministerium "nach eigenem Ermessen entscheiden könne, ob die Verbunddateien mit oder ohne eine Rechtsverordnung geführt werden". Eine solche Ermessensfrage sei weder vom Gesetzeswortlaut noch in der inneren Systematik des Gesetzes, noch in der Gesetzgebungsbegründung gestützt.
Ausdrücklich ist von Verbunddateien die Rede, von denen Bundeskriminalamt und Länderpolizeien eine Vielzahl von Datenbanken gemeinsam pflegen, füllen und durchsuchen. So betrifft das Urteil nicht allein die "Hooligan-Datei", sondern auch andere Verbunddateien, die nach dem gleichen Schema der GWS-Datei angelegt sind. Insbesondere berührt dies die vom Bundeskriminalamt angelegten Dateien LIMO (Erfassung politisch links motivierter Straftaten), REMO (Erfassung rechtsorientiert politisch motivierter Straftäter) und AUMO (Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität). Möglicherweise ist sogar die nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz rechtlich korrekt vom Parlament abgesegnete Anti-Terror-Datei[3] betroffen, in der viele Einzeldateien zusammengeführt werden. Auch die Zusammenarbeit europäischer Polizeien im Rahmen von Interpol ist gegenwärtig betroffen, denn ausländische Behörden dürfen ebenso wenig auf rechtswidrig angelegte Datenbestände zugreifen wie die hiesigen Ermittler.
Neben der grundsätzlichen Klärung der Frage durch das Bundesverwaltungsgericht könnte ein Weg darin bestehen, dass das Innenministerium nachträglich eine Rechtsverordnung erlässt und diese ins Parlament zur Abstimmung gibt. Bis dahin haben Sportfans gute Chancen, ihre Datensätze aus der Datei "Gewalttäter Sport" löschen zu lassen. Wie die Frankfurter Rundschau[4] berichtet, sind zahlreiche Fußballfans dabei, das Löschen ihrer Daten zu beantragen. Nach der Arbeit bei der Fußball-WM sieht die Zentrale Informationstelle Sport[5] (ZIS) in Neuss einen Berg von Arbeit auf sich zukommen. Sie ist für die Pflege der Datei "Gewalttäter Sport" zuständig. Die seit 2000 geführte Datei "Gewalttäter Sport" wird seit langer Zeit von den Datenschützern kritisiert.
Quelle: Heise Newsticker