Ein Fan, der mitspielen will

  • Bernd Schneider arbeitet im Leverkusener Trainingslager im türkischen Belek am Comeback, doch alles fällt noch schwer. Chefcoach Labbadia will den 35-Jährigen so behutsam wie nur möglich an die Mannschaft


    BELEK - Je weiter man entfernt ist, desto kleiner sehen die Dinge aus. Vielleicht gilt das auch für Probleme. „Sie sind für uns einer der besten Fußballer der Welt“, sagt der Reporter vom türkischen Sender TRT im Bayer-Trainingslager zu Bernd Schneider, und der lächelt verlegen. Im Moment ist es ja so, dass er froh ist, überhaupt noch ein Fußballer zu sein. „Wir erinnern uns gut an 2002“, sagt der Mann vom Fernsehen, und Schneider findet die Sprache wieder: „2006 war noch besser.“


    2009 hat zumindest gut angefangen. Bernd Schneider trainiert wieder mit der Mannschaft, aus der er im April wegen eines Bandscheiben-Vorfalls hinausfiel. Das ist eine sehr seltene Verletzung bei Fußballern. Schneider musste operiert werden, recht weit oben an der Wirbelsäule zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel. Wochenlang durfte er danach nur Mountainbike fahren, die Europameisterschaft zog vorbei.


    Die Zeit in der Reha war eine neue Erfahrung für einen, der seine ganze Karriere über nie ernsthaft verletzt war. Und der es ohne Ball nicht lange aushält. Legendär sind die Geschichten, in denen „Schnix“ im Urlaub inkognito die Hotelgäste schwindlig spielt. Nach der Operation musste der „weiße Brasilianer“ aus Jena Geduld lernen, viel Geduld. Er ist 35 Jahre alt, und er hat über das Aufgeben nachgedacht: „Zweifel gab's mit Sicherheit.“


    In Leverkusen sagen sie, man konnte Schneider stets im Gesicht ablesen, wie sein Reha-Tag gelaufen war, ob es einen kleinen Fortschritt gab oder nicht. Er ist zum zweiten Mal Vater geworden im vergangenen Jahr. Die Tochter verlangt Zeit, die sonst fürs Grübeln über den Sinn der Quälerei drauf gegangen wären.


    Am 3. Januar stand der 81-malige Nationalspieler im eisigen Leverkusen das erste Mal wieder mit den Kollegen auf dem Platz, 253 Tage nach der Operation. „Es ist ein sehr schönes Gefühl, wieder intensiv dabei zu sein“, sagte er da. Als die Kollegen in der Hinrunde punkteten und für ihr schönes Spiel gelobt wurden, als Renato Augusto, der fast 15 Jahre jüngere Brasilianer, an Schneiders Stelle im Mittelfeld zauberte, sagte er einmal: „Ich bin jetzt ein Fan dieser Mannschaft geworden“.


    Im Trainingslager in Belek soll aus dem Fan wieder ein Teil des Teams werden. In den ersten zwei Tagen nahm ihn Trainer Bruno Labbadia manchmal aus den Übungen heraus. „Es fehlt noch an allem. Das Gefühl für den Ball und Raum, das Zweikampfverhalten“, sagt Schneider. Bis zum Comeback ist es noch weit. Jeder Trainingstag ist wichtig, um aufzuholen. Am Samstag erwischte ihn die Grippewelle, die im Team umgeht. Am Sonntag musste er aussetzen. Verlorene Tage.


    Wird er es noch mal schaffen? „Wenn er es schafft, wäre es Klasse für uns. Er ist ein fantastischer Spieler, der es verdient hat, einen würdigen Abschied zu bekommen. Wir müssen ihn Schritt für Schritt aufbauen und dürfen nicht zu viel verlangen“, meint Trainer Bruno Labbadia. Eigentlich fängt jeder zweite Satz, den sie in Leverkusen im Moment über Schneider sagen, mit „wenn“ an. „Wenn er fit wird, dann ist für einen Spieler von seiner Qualität immer Platz in der Mannschaft“, sagt Sportdirektor Rudi Völler.


    Sie wollen ihm die Zeit lassen, die er braucht. „Der Plan ist nicht, dass er uns schon in den ersten drei, vier Spielen voranbringt“, sagt Trainer Labbadia. Behutsam wollen sie vorgehen. Für Träume, etwa von der WM 2010, ist es viel zu früh. Schneider hat selbst die Idee aufbracht, erst mal bei Leverkusens U 23 zu testen. Dort ist Ulf Kirsten Trainer, der Torjäger, den Schneider einst noch selbst mit Vorlagen beliefert hat. Dahinter standen die Ballack, Ramelow, Nowotny, Butt, die alte Garde von Bayer 04, die immer Zweiter wurde. Er, Schneider, „ist der letzte der Mohikaner“ (Völler), in einer Mannschaft, die ohne Schneider oft ein Durchschnittsalter von etwas über 23 Jahren hat.


    Im Herbst hat Bayer 04 ohne großes Theater den Vertrag mit „Schnix“ um ein Jahr bis 2010 verlängert. „Wir hängen das verlorene Jahr einfach hinten dran“, erklärte Völler. Man wird sehen, ob es mehr sein kann als eine schöne Geste.


    http://www.ksta.de/html/artikel/1231173643555.shtml