Nach einem Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich musste Leverkusens Spielmacher Bernd Schneider 250 Tage pausieren. Nun strebt er zurück in die Bundesliga - ein Comeback mit ungewissen Ausgang.
Bernd Schneider geht es nicht gut. Das Gesicht blass, die Augen matt. In Turnschuhen und kurzer Hose schleicht der Fußballprofi zum Fahrstuhl des Hotels Sueno Golf Resort, ein kurzer Schluck aus der Wasserflasche, dann verschwindet er in seinem Zimmer, während sich der Rest der Kollegen von Bayer Leverkusen auf einem Rasenplatz in Sichtweite von Schneiders Balkon die Bälle zuspielt. Mit erstaunlicher Akribie und in höchsten Tempo. Aber eben wieder ohne Schneider. Wie schon 250 Tage im alten Jahr. Doch diesmal sind es nicht die Nachwirkungen einer komplizierten Operation am fünften und sechsten Halswirbel, sondern ein grippaler Infekt, der dem 35-Jährigen zusetzt. Immerhin: Die baldige Genesung zeichnet sich ab, das Wetter an der türkischen Riviera tut sein übriges. „Sonst fühle ich mich auch gut“, sagt er, „es ist für mich einfach wichtig, wieder bei der Mannschaft zu sein.“
Schneider, Spitzname „weißer Brasilianer“, will sich ja nicht durch die Hintertür von der Fußballbühne verabschieden. Nach 295 Ligapartien und 81 Länderspielen. „Wir werden alles tun, damit er den Abschied bekommt, den dieser fantastische Spieler verdient“, sagt Trainer Bruno Labbadia, und in der Aussage darf ein bisschen Pathos durchklingen. Der gebürtige Jenaer ist der personifizierte Beleg für die immer auch vorhandene spielerische Klasse des deutschen Fußballs. In seinen Finessen und Flanken, seinen Tricks und Täuschungen lag oft etwas Einmaliges. Ob sie je wieder zu besichtigen sind?
Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich sind gefährlich – und bei Profifußballern äußerst selten. „Wir haben alles abgecheckt. Ich bin mit ihm sehr zufrieden“, sagt Holger Broich. Der 34-Jährige ist seit fünf Jahren Leistungsdiagnostiker und Konditionstrainer bei Bayer Leverkusen; gleichzeitig war Broich auch Schneiders wichtigster Aufbauhelfer in der Reha. Schneiders Rückkehr ins Mannschaftstraining am 3. Januar war ein erster Meilenstein und doch ist das Comeback aufs Spielfeld nicht absehbar. „Es geht nur Schritt für Schritt vorwärts: Wir werden nicht zu viel verlangen“, sagt Labbadia. Der Spieler selbst müsse sich vorsichtig rantasten, was schwierig ist, wenn einer wie er keine Erfahrung mit langen Verletzungspausen hatte. Schneider weiß, dass Geduld gefragt ist. In den ersten Einheiten unter türkischer Sonne hat er sich merklich zurückgehalten. „Alles ist weg“, sagt Schneider, „das Gefühl für den Ball, für den Raum, für den Zweikampf.“ Es gibt keine Prognose fürs Debüt. Lieber hat der letztmals in der Bundesliga am 13. April 2008 eingesetzte Profi von sich aus angeregt, Spielpraxis möglicherweise in der zweiten Mannschaft zu erlangen. Labbadia kann sich für die Variante erwärmen, „es ist doch nicht das Ziel, das uns Bernd schon die ersten drei, vier Spiele in diesem Jahr weiterbringt“. Der ehemalige Kapitän, mittlerweile offiziell abgelöst von Simon Rolfes, wäre aktuell auch eher ein Ballast. Generell aber gilt: „Bernd hat einen Bonus“, sagt der Trainer. Schneider selbst hat sein Mitwirken für das Pokalspiel am 28. Januar gegen Cottbus und dem Rückrundenstart kurz darauf in Dortmund von sich aus ausgeklammert. „Beides schaffe ich nicht ganz“, sagt er. Hier Begehr auszusprechen, verbietet eine Genesung ungewissen Ausgangs. Immerhin hatte die lange Leidenszeit eine gute Seite. Im August brachte seine Frau einen Sohn zur Welt. Schneider denkt zurück an die Geburt seiner Tochter vor fünf Jahren. „Damals war ich nur unterwegs: Bundesliga, Champions League, WM-Vorbereitung“. Und jetzt? „Diesmal habe ich alles intensiver miterlebt.“
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