Wertvoll wie Öl
Von Christian Oeynhausen, 13.01.09, 20:22h
Die beiden brasilianischen Neuzugänge Renato Augusto und Henrique haben sich bei Bayer 04 Leverkusen gut eingelebt. Das Duo ist aus Bruno Labbadias Mannschaft nicht mehr wegzudenken.
BELEK - Bruno Labbadia quält seine Männer am Dienstagmorgen mit einer langen Taktikeinheit. 22 Mann stehen auf dem Platz, denen man ansieht, dass sie am liebsten ein lockeres Spielchen machen würden. Aber sie sind nicht zum Spaß hier. Der Trainer lässt Spieleröffnung üben, verschieben, Seitenwechsel. Er unterbricht oft und erklärt. Es geht manchmal nur um einen Meter, ein paar Schritte vor oder zurück, Labbadia ist ein Detailfanatiker. Manchmal springt ein junger Mann in roter Trainingsjacke auf den Platz zwischen die grünen und die gelben Leibchen. Peter Jünnemann ist der Dolmetscher für die beiden brasilianischen Spieler Renato Augusto (20) und Henrique (22). Sie sind sportlich großartig angekommen in Leverkusen. Mit der deutschen Sprache wird es länger dauern.
Ein Jahr lang ist Leverkusen ohne Portugiesisch ausgekommen. Die Saison 2007 / 08 war die erste seit 20 Jahren, in der der Werksklub ohne einen Spieler aus dem Land des fünffachen Weltmeisters antrat. Mit den beiden Verpflichtungen hat sich der Klub zurückgemeldet auf dem brasilianischen Markt. In einer Zeitungs-Umfrage wurde der Werksklub nicht zuletzt wegen Renato Augusto zum „Transfermeister 2008“ gewählt, sie heißen dort Bayer Cleverkusen. Renato Augusto hat in der Hinrunde gewirbelt und getrickst. Er ist keine Diva, sondern ein für sein Alter erstaunlich ernsthafter, laufstarker Spieler, der sich in der Bundesliga schnell zurecht gefunden hat. „Hier geht es vor allem um Kraft, um physische Stärke. Aber das kommt meinem Spiel sogar entgegen“, sagt er. „Was soll man noch sagen?“, sagt der sonst um Superlative nicht verlegene Bayer-Manager Michael Reschke, „er ist einfach ein außergewöhnlicher Typ.“
Renato hat sich, wie sein Landsmann Henrique, für Köln als Wohnort entschieden. Die beiden kannten sich vorher kaum. Nach einigen Wochen ist Renato Augustos Mutter nach Deutschland gekommen: „In der ersten Zeit haben mir Familie und Freunde stark gefehlt.“ Renato Augusto hat keine der vielen brasilianischen Fußballer-Geschichten vom Aufstieg aus dem Elend zu bieten. Er kommt aus wohlhabenden Verhältnissen in Rio de Janerio und überraschte in Deutschland mit der Feststellung, eine gute Köchin sei die Mutter nicht. Man habe stets Haus-Personal gehabt.
Er trägt das Haar kurz wie ein Soldat, man sieht die Narbe gut, die in Höhe des rechten Auges am Kopf sitzt. Der Brasilianer wurde vom Fuß eines Gegenspielers getroffen und erlitt schwere Kopfverletzungen. Das war im Januar 2008. Die Ärzte haben sein Augenlicht gerettet und den Kopf mit Titanplatten geflickt. „Ich habe keine Probleme mehr und kann ohne Angst zum Kopfball gehen“, sagt er heute.
Der Unfall wurde für Bayer 04 Leverkusen zur Chance. In den folgenden Monaten sank der Transferwert des als größtes Mittelfeldtalent Brasiliens gepriesenen jungen Mannes von 30 Millionen Euro in jenen Bereich, in dem Leverkusen mit einiger Anstrengung mitspielen kann. Er kam für zehn Millionen Euro, wie der Chef von Renato Augustos altem Klub Flamengo Rio de Janeiro ausplauderte. Es war ein komplizierter Deal. 52 Prozent der Rechte am Spieler hielt Flamengo, den Rest teilen sich zwei Investorengruppen - Leute, die auf die Wertsteigerung von Fußballern setzen wie auf Rohöl oder Gold. Wird Renato Augusto eines Tages mit Gewinn weiterverkauft, sind die Investoren beteiligt. „Es sind Leute, die Anteile an den Rechten an mir gekauft haben. Aber das hat keinen Einfluss darauf, wo ich spiele. Das entscheide immer noch ich“, sagt Augusto.
Bei Henrique (siehe Interview), ausgeliehen vom FC Barcelona, liegt der Fall etwas anders. Rund 100 000 Euro musste Bayer 04 zahlen, um den Transferwert zu versichern. Eine Leihgebühr wäre erst fällig geworden, wenn der Verteidiger, der in Brasilien deutschstämmige Vorfahren hat, nicht gespielt hätte. „Wir haben eine gute Chance, dass er noch ein Jahr bleibt“ sagt Reschke nach ersten Gesprächen mit dem Berater. Eine Entscheidung soll bis zum März fallen.