Bayer Leverkusen - Der heimliche Titelkandidat
VON FRANK HELLMANN
Es sieht ja so einfach aus. Das im Fußball-Branchenjargon nur "Zehn-gegen-Null" genannte Spiel, bei dem sich zwei Mannschaften über das Feld verteilen. Es ist eine ungleiche Begegnung, denn die einen sind aus Fleisch und Blut, die anderen aus Metall und Plastik. Der zu bespielende Gegner besteht bei dieser Übung nämlich aus starr im Rasen steckenden Figuren. Kaum ein Profiteam, dass zuletzt nicht im Trainingslager mit dieser Spielform vorgegebene Pass- und Laufwege einstudiert hat. Doch was so einfach aussieht, ist wahrhaftig eine Höchstschwierigkeit. Den Ball hart und präzise, zielgenau und direkt weiterzuleiten. Wer dabei Bayer Leverkusen beobachtet, ist beeindruckt. Wie auf Schienen zischt die Kunststoffkugel von hinten nach vorne und am Ende des atemberaubenden Zirkels schlägt Renato Augusto eine scharfe Flanke, die Patrick Helmes ohne Umschweife ins Netz hämmert. "Gut so", brüllt aus der Ecke ein Mann in blauer Jacke. Bruno Labbadia.
Ein Video wie ein Lehrfilm
Nicht nur im Training imponiert sein Ensemble, sondern auch in den Testspielen oder jüngst im DFB-Pokal, so dass Bojan Prasnikar, Trainer des hoffnungslos unterlegenen Widerparts Energie Cottbus, zur Strafe seinen Profis erst das Spiel in voller Länge, dann noch einmal die erste Halbzeit auf Video anschauen ließ. Und neben Lausitzer Unzulänglichkeiten wurde auf dem Lehrfilm eben auch deutlich: Konservieren die Bayer-Kicker, die heute bei Borussia Dortmund antreten, diese Verfassung, dann scheint das titelverdächtig. "Es gibt ein Hauen und Stechen um die internationalen Plätze", sagt Labbadia voraus, "aber wir haben auch Platz eins noch im Hinterkopf."
Dabei ist seine Mannschaft erst in der Entwicklungsstufe. Rene Adler, 23, Gonzalo Castro, 21, Simon Rolfes, 26, Stefan Kießling, 24, Patrick Helmes, 24, sind erstaunlich gereifte Leistungsträger - zu dem deutschen Block gesellen sich international angesehene Hochbegabte wie der Chilene Arturo Vidal, 21, der Schweizer Tranquillo Barnetta, 23, der brasilianische Verteidiger Henrique, 22 oder eben Landsmann Augusto, 20.
Das Team braucht sich in der Qualität hinter dem des FC Bayern oder von 1899 Hoffenheim nicht zu verstecken, dennoch redete am Hinrundenende kaum jemand mehr über die rheinischen Überflieger. "Zu Recht", sagt Sportchef Rudi Völler, "wir haben ja zum Schluss nicht mehr so toll gespielt." Doch drei Punkte Rückstand sind eine Lappalie.