Ehrlichkeit ist Adlers Stärke

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    Fußball, 10.02.2009, Peter Müller


    Düsseldorf. Rene Adler hütet an diesem Mittwoch das Tor der Nationalelf gegen Norwegen in Düsseldorf. Der Leverkusener gilt nicht mehr als unfehlbar. Im WAZ-Interview erklärt er, wie er mit Kritik, Konkurrenz und Druck umgeht.


    Die Karriere des Rene Adler glich lange Zeit einem Steilflug: Als der Leipziger im Februar 2007 in Schalke erstmals für Bayer Leverkusen in der Bundesliga spielte, legte er ein sensationelles Debüt hin, ein Stammplatz war ihm fortan sicher. Im Oktober 2008 folgte gegen Russland in Dortmund ein fehlerfreier erster Auftritt im Nationaltrikot. Ein Patzer im November gegen England in Berlin und ein Fehlgriff am vergangenen Samstag gegen Stuttgart ließen ausgerechnet vor dem ersten Länderspiel 2009 am Mittwoch gegen Norwegen eine Torwartdiskussion aufkommen. Peter Müller fragte den 24-Jährigen, wie er damit lebt.


    Ihr Freund und Entdecker Rüdiger Vollborn, der lange Jahre selbst Torhüter bei Bayer Leverkusen war, ist der Ansicht, aus Rückschlägen könnten Sie nur lernen. Was lernen Sie aus dem Spiel vom Samstag, als Sie bei Thomas Hitzlspergers Schuss schlecht aussahen?


    Adler: So schnell geht das nicht. Es war aber doch klar, dass ich nicht während meiner gesamten Karriere fehlerfrei spielen kann. Das war eine unglückliche Situation, die ich aber genauso wenig überbewerte wie gute Spiele. Ich sehe jedes Training, jedes Spiel als Entwicklungsstufe, schlechte Spiele gehören dazu. Ich lüge mir nichts in die Tasche, ich stelle ja selbst hohe Ansprüche an mich. Durch gute Leistungen habe ich eine hohe Erwartungshaltung bei Medien und Zuschauern aufgebaut, das ist ja grundsätzlich erfreulich.


    Sie haben im Gegensatz zu Kollegen kein Problem damit, Fehler zuzugeben.


    Adler: Da gibt es zwei Wahrheiten. Einerseits ist das mein Weg. Ich beschuldige weder meine Vorderleute noch den Rasen. Ich denke, das ist auch ein Zeichen von Stärke, wenn ich sage: Okay, Jungs, mein Fehler, weiter geht's.


    Und die zweite Wahrheit?


    Adler: Na ja – wenn du darauf verzichtest, den Druck auf dich selbst durch solche ehrlichen Aussagen zu erhöhen, wird vielleicht nicht so viel über dich diskutiert. Aber ich bleibe lieber meiner Linie treu. Wenn das der Preis ist, dass der Druck wächst, dann nehme ich das eben inkauf.


    Haben Sie den Kopf weniger frei als noch vor einem Jahr?


    Sieht sich als Nationaltorwart wesentlich kritischer beäugt: Rene Adler. (Foto: AP) (AP)
    Sieht sich als Nationaltorwart wesentlich kritischer beäugt: Rene Adler. (Foto: AP)


    Adler: Ich stehe natürlich jetzt als Nationaltorwart ganz anders im Fokus, werde wesentlich kritischer beäugt. Aber das ist eine Situation, die ich so haben wollte. Die Kunst ist, sich dem Druck zu entziehen. Ich sage mir immer wieder, dass mir meine Arbeit auch Spaß machen muss. Ich wollte doch schon als Kind Fußball spielen. Es gibt so viele Menschen, denen es schlecht geht, da darf ich doch nicht den Blick für die Realität verlieren.


    Was muss ein guter Torhüter heutzutage können?


    Adler: In erster Linie muss er verhindern, dass der Ball ins Tor fliegt, das galt immer und wird immer gelten. Aber er muss inzwischen auch das Angriffsspiel einleiten können. Neulich las ich den Begriff Torspieler – da ist was dran.


    Rene Adler, Tim Wiese, Robert Enke, Manuel Neuer – die Konkurrenz ist groß. Wie leben Sie damit?


    Adler: Es ist ja eine Luxussituation für Fußball-Deutschland, so viele gute Torhüter zu haben. Man wäre völlig falsch beraten, wenn man da Ansprüche anmelden würde. Der Druck wird aber wachsen, je näher das WM-Turnier rückt.


    Jeder Trainer findet Konkurrenz ideal, jeder Torwart wünscht sich, dass er zur Nummer 1 erklärt wird.


    Adler: Tendenziell meine ich, dass es für einen Torhüter schon wichtig ist, dass er frühzeitig, zum Beispiel am Abend vor einem Länderspiel, erfährt, ob er spielen wird.


    Sind Sie momentan die Nummer 1 der Nationalelf?


    Adler: Schwierige Frage. Ich könnte jetzt darauf verweisen, dass auf meiner Sporttasche die 1 steht. Aber damit ist doch nichts gesagt.


    Robert Enke hat Ihnen im Herbst zu dem gelungenen Debüt gratuliert, als er selbst verletzt fehlte. Wenn man an das Verhältnis zwischen Kahn und Lehmann zurückdenkt: keine schlechte Basis.


    Adler: Robert ist ein absoluter Sportsmann, der auch Leistungen anderer anerkennt. Ich selbst habe meinen Einstand gegen Russland aber gar nicht so hoch gehängt. Es war einfach nur ein gutes Spiel.


    Sie wurden teilweise als unfehlbar dargestellt. Haben Sie sich darüber geärgert?


    Adler: Entscheidend ist, dass ich authentisch bleibe, dass ich mich nicht verändere. Ich bin in meinem Beruf sicher nicht der Schlechteste, ich habe eine gewisse Begabung, Bälle fangen zu können. Aber ich muss deshalb nicht jeden Tag lesen, dass ich der Größte sei.


    Es gibt Fotos von Ihnen mit cooler Sonnenbrille und langem Haar. Mittlerweile wirken Sie bodenständiger.


    Adler: Die Brille habe ich noch, den Haarschnitt wollte ich mal verändern. Aber ich habe nie einen Imagewandel angestrebt. Das wäre der falsche Weg. Die Leute merken, wenn einer eine Show abzieht.


    Könnten Sie sich vorstellen, die Geduld zu haben, nur der zweite Torhüter der Nationalmannschaft zu sein?


    Adler: Wenn man in einem so elitären Team dabei ist, stellt man sich für dessen Erfolg in jeder Position zur Verfügung.


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