Rüffel zur rechten Zeit
VON REINHARD SOGL
Bruno Labbadia hatte genau gewusst, dass das Gastspiel seiner Mannschaft beim Tabellenführer TSG 1899 Hoffenheim wegweisend sein würde. Weshalb der Trainer der zuletzt kollektiv schwächelnden Werkself aus Leverkusen nicht zuletzt seinem Torjäger die Richtung vorgab. Nach dessen doch eher mauen Auftritten in der Düsseldorfer Arena im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart und in der zweiten Halbzeit in der Nationalmannschaft gegen Norwegen hatte Labbadia Patrick Helmes klar zu verstehen gegeben, dass Stürmer zwar an Toren gemessen werden, es aber auch auf den Weg zum Ziel ankomme.
Der führt in der Spitze der Bundesliga nicht immer direkt in den Strafraum, sondern sieht eben auch Nebenstrecken und Umleitungen vor. "Er hat mir gesagt, dass ich mehr arbeiten muss", berichtete der darob überhaupt nicht beleidigte Helmes, der das verbale Navigationsprogramm denn auch prompt verinnerlichte.
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"Ich bin eben der klassische Mittelstürmer, der nicht gerne viele Wege geht. Aber ich weiß, dass ich das ändern muss. Ich bin heute viel für die Mannschaft gelaufen und dafür auch belohnt worden", sagte Helmes, der sich ausgerechnet an der eigentlichen Wirkungsstätte des bis zum Saisonende verletzten Goalgetters Vedad Ibisevic mit seinen Saisontreffern 14 und 15 bis auf drei Tore dem langzeitverletzten Branchenprimus näherte. Dem wegen eines gerissenen Kreuzbands auf Eis gelegten Kollegen sprach Helmes denn auch pflichtschuldig gleich sein Mitgefühl aus ("Ibisevic tut mir leid"), verhehlte aber nicht, dass er alsbald den Bosnier an der Spitze der erfolgreichsten Schützen abzulösen gedenke.
Helmes, der außer seinen beiden Toren auch die Vorlage zum 2:0 durch Rolfes gab, hätte sein Nahziel bei etwas mehr Konzentration schon in Sinsheim fast erreichen können. "Wenn wir zwei oder drei Tore mehr erzielt hätten, hätte sich auch keiner beschweren können. Mit etwas Glück hätten wir die komplett abgeschossen", erklärte Helmes ebenso keck wie korrekt und hätte dabei ruhig auch den Singular verwenden können. Im Hochgefühl eines perfekten Abends schickte der zu Saisonbeginn vom 1. FC Köln nach Leverkusen gekommene 24 Jahre alte Vollblutstürmer gleich eine Kampfansage an die gesamte Konkurrenz hinterher: "Wir haben ein Riesenpotenzial. Wenn wir wie heute unser ganzes Können abrufen, ist mit uns noch zu rechnen."
Vor allem auch mit Helmes selbst. "Seine Schusstechnik ist sensationell, aber diesmal hat er sich mehr bewegt und ist für die Mannschaft gelaufen", lobte Sportdirektor Rudi Völler seinen Nach-Nach-Nachfolger in Bayers Angriffszentrum, der mit einem Vertrag bis 2013 ausgestattet ist. Fast die gleichen Worte wählte auch Ex-Stürmer Bruno Labbadia: "Patrick ist kein lauernder Stürmer, sondern einer, der aufgrund seiner Spielweise dauernd in Bewegung sein muss. Er hat jetzt viel für die Mannschaft gearbeitet. Das ist mir genauso wichtig wie die Tore. Denn dass er in Sachen Abschluss außergewöhnliche Fähigkeiten hat, wissen alle."
Nur die Hoffenheimer Abwehrspieler schienen es nicht gewusst zu haben. Sowohl beim 1:0 als auch beim 3:1 ließen sie den Strafraumschreck unbedrängt Maß nehmen. Der schoss sich den Frust vom Länderspiel in Düsseldorf, als er nur einmal geschossen und das Tor um zehn Meter verfehlt hatte, gleich zweimal von der Seele.
Quelle: Frankfurter Rundschau online, 16. Februar 2009