Von Peter M. Birrer, Basel. Aktualisiert um 09:48 Uhr
Im Winter wollte Eren Derdiyok zu Leverkusen, durfte aber nicht und sitzt nun in Basel auf der Bank. Die verzwickte Situation des 20-jährigen Nationalspielers, der um seinen Marktwert kämpft.
Die Bühne ist das Leichtathletik-Stadion in Basel, der Platz ist holperig und der Anlass ein Testlauf. Der FCB spielt, oder besser: der FCB II. Wer sich Stammspieler nennen darf, muss sich an diesem Dienstagnachmittag nicht vor 300 Zuschauern gegen den FC Winterthur abmühen. Aufgeboten sind andere, zum Beispiel Leutwiler, der Nachwuchsgoalie. Oder Almerares, Argentinier noch ohne Einsatz in der Super League. Oder und vor allem: Eren Derdiyok, 20, Schweizer Nationalspieler, prominenter Reservist.
67 Minuten dauert für den Stürmer die Partie. Dann lässt er sich auswechseln, er ist angeschlagen. Sein Trainer Christian Gross sagt später: «Ihm hat Bindung zum Spiel gefehlt.»
Derdiyok hat in Basel einen schweren Stand. In den bisherigen 21 Meisterschaftsrunden hat er es auf 935 Einsatzminuten (und 5 Tore) gebracht. Im Durchschnitt sind das knapp 45 Minuten. Nur neun Mal stand er von Anfang an auf dem Platz. Gegen YB und GC reichte es im neuen Jahr zu jeweils 22 Minuten, gegen Zürich blieb Derdiyok Zuschauer. Ausgerechnet er also, der 2008 in den Vordergrund gestürmt war, EM-Teilnehmer und plötzlich so interessant war, dass Bayer Leverkusen ihn am liebsten in der Winterpause schon in die Bundesliga geholt hätte.
Heusler verteidigt die Entscheidung
In Leverkusen wird behauptet, man habe als klares Bekenntnis pro Derdiyok ein Angebot unterbreitet, das man eigentlich kaum habe ablehnen können. FCB-Vizepräsident Bernhard Heusler staunt über derlei Aussagen. Eine schriftliche Offerte hat er nie bekommen, konkrete Verhandlungen gab ebenso wenig. Es fanden lediglich Telefongespräche statt. «Leverkusen war an einem Leihgeschäft plus Kaufoption interessiert. Dabei wurden auch Zahlen genannt, die ordentlich klangen. Aber insgesamt überzeugte uns dieses Konzept nicht», sagt Heusler. Er wundert sich überdies, dass es wiederholt heisst, der Spieler stehe bei Leverkusen in der Pflicht: «Er steht einzig und allein bei uns in der Pflicht.» Laut Vertrag ist das noch bis 2010 der Fall. Dass die Basler Derdiyok nicht ziehen liessen, wurde mit ihren «sportlichen Interessen» begründet. Das klingt heute seltsam. Heusler aber bekräftigt: «Auf dem Weg zu unseren Zielen wird Derdiyok eine bedeutende Rolle spielen. Davon bin ich überzeugt.»
Vor sich hat Derdiyok im Basler Ein-Mann-Angriff Marco Streller, der auch deshalb den Vorzug bekommt, weil seine Zukunft in Basel liegt. «Streller ist längerfristig bei uns. Eren hingegen wird uns wohl im Sommer verlassen», erklärt Gross. «Wir werden ihn verpflichten, wenn wir eine vernünftige Regelung finden», sagt Leverkusens Manager Michael Reschke, «Derdiyok ist ein Talent, wir halten sehr viel von ihm.» Was nicht heisst, dass Reschke sich nicht Gedanken über die Situation des Schweizers macht.
Derdiyok macht selber gute Miene. Die Fassade steht und hält dicht. Ja, er sei enttäuscht, klar, aber aus dem Fenster lehnen will er sich nicht. Oder nicht mehr. Darum sagt er zum einen: «Ich habe in Basel alles, was ich brauche.» Zum andern fügt er an: «Ich bin nicht besonders gern Joker. Aber wenn ich eingewechselt werde und treffe, ist das auch gut.» Tief drin in ihm sieht es anders aus. Eine Menge Frust hat sich aufgestaut. Das Reservistendasein beim FCB mindert nicht nur den Marktwert, sondern auch die Chancen, Nationalspieler zu bleiben. Eine klärende Unterredung mit Gross hat es bis jetzt nicht gegeben. «Noch nicht», präzisiert Derdiyok.
«Ich zweifle nicht an mir»
Dass er im Fall eines Wechsels nach Leverkusen auf ungleich grösserer Konkurrenz treffen wird, ist Derdiyok bewusst. Vor dem Sprung scheut er sich trotzdem nicht: «Ich zweifle nicht an mir.» Heusler wiederum will nicht so forsch sein und voreilig verkünden, dass Derdiyok sicher nach Leverkusen wechselt. Im März trifft er sich mit Vertretern von Bayer ein erstes Mal. Er geht davon aus, dass die Verhandlungsbasis so ist wie im Dezember.
Gleichzeitig bemüht sich auch Christian Gross, die gute Miene aufzusetzen: «Eren ist sehr aktiv und positiv. Selbstverständlich wird er noch seine Einsätze bekommen. Ich lasse ihn nicht versauern.» (Tages-Anzeiger)
Erstellt: 26.02.2009, 08:05 Uhr
Quelle: Basler Zeitung online