Hört, hört. Wer René Adler da mit sachlicher, aber deutlicher Stimme unmittelbar nach der 0:1-Niederlage bei Hannover 96 so reden hörte, glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. In bester Oliver-Kahn-Manier, nur eine ganze Tonlage überlegter, ging der deutsche Nationaltorwart auf seine Vorderleute los. "Jeder muss wissen, dass Fußball ein Männersport, ein Kampfspiel ist. Wenn's läuft, spielen wir auf einer Welle. Wenn nicht, wehren wir uns nicht. Das fängt schon im Training an. Wir müssen uns zusammensetzen, sonst werden wir nach hinten durchgereicht", kritisierte der 24-Jährige unverhohlen. Und Adler, einmal in Fahrt, legte nach. "Bei uns hat sich ein gewisses Phlegma breitgemacht. Das Phänomen gibt es schon länger", polterte er.
Wenige Minuten später setzte Rudi Völler den direkten Konter. Mit den Aussagen seines auf der Linie guten, im Strafraum unsicheren Keepers konfrontiert, setzte der Sportchef eine Miene auf, als habe ihm gerade Waldemar Hartmann den tiefsten aller Tiefpunkte vorgehalten. "René soll die Bälle festhalten - das ist oberstes Gebot." Der Tormann solle sich, bitteschön, an die eigene Nase fassen, "es sagt ja auch keiner was, wenn er unter den Flanken herläuft." Und dann rüffelte der in Rage geratene Völler noch: "Mein guter Rat an den talentierten Nationaltorwart ist, an den Kameras und Mikrofonen vorbeizugehen."
Schon zu Skibbe-Zeiten hätten ihm einige Äußerungen des großen Blonden nicht gefallen. "Es ist leicht, im Tor zu stehen und zu sagen: ,Rennt mal schön da vorne.'" Der Disput zwischen Völler und Adler verdeutlicht, wie dick im Spätwinter 2009 die Luft rund ums Bayer-Kreuz geworden ist. Nach drei Rückrundenpleiten sind alle Saisonziele akut in Gefahr, das DFB-Pokalviertelfinale am Mittwoch gegen den FC Bayern München wird unfreiwillig zum Schlüsselspiel.
Gemunkelt wird auch von einer ersten, noch sehr leisen Unzufriedenheit an der bislang so vorzüglichen Arbeit von Trainer Bruno Labbadia. Warum ist dessen Ensemble nicht in der Lage, den Widrigkeiten - am Samstag: ramponierter Rasen, schlechtes Wetter, aggressiver Gegner - zu trotzen? Warum lässt sich seine Elf nach einem Eckstoß in fünf Zügen auseinanderspielen wie beim 0:1 von Arnold Bruggink?
Der 43-Jährige analysierte den schleichenden Niedergang sachlich. "Wir wissen um das Problem, dass wir eine junge Mannschaft haben, die vor allem über das Spielerische kommt." Aber muss sie sich deshalb gleich dem Kampf verweigern? Labbadia widerspricht: "Es ist kein Phlegma, sondern die Rädchen greifen nicht ineinander. Wir betreiben keinen intelligenten Aufwand." Er räumt indes ein, "dass der eine oder andere Typ fehlt". Sein Kader ist zwar hoch veranlagt, aber vielleicht sind wieder mal zu viele nette Schwiegersöhne angestellt. Genau diese Wahrheit hatte Adler ja nur ausgesprochen. Schade, dass er das in Zukunft nicht mehr tun soll.