von Andreas Morbach
Bayer Leverkusen hat vor dem Pokal-Viertelfinale gegen den FC Bayern (20.30 Uhr) ein Grundproblem geortet: Was fehlt, ist ein bezahlbarer und kompatibler Führungsspieler. Doch die Fahndung nach einem solchen ist, das weiß Rudi Völler, kompliziert.
Am Tag vor dem Besuch des FC Bayern im Bayer-Ausweichquartier in Düsseldorf macht sich Völler erst einmal aus dem Staub. Im Rhein-Main-Gebiet wuselt der Sportdirektor von Bayer Leverkusen herum und löst auf heimatlicher Erde unter anderem ein altes Versprechen ein: Der "Offenbach-Post" hatte der einstige Kickers-Stürmer immerhin schon vor einer kleinen Ewigkeit ein ausführliches Interview versprochen. Am Dienstag ist es nun soweit gewesen- doch nach der kleinen Reise in die eigene Vergangenheit widmet sich Völler gleich wieder der Zukunft von Bayer 04.
Scharfe Töne beim Kuschelklub
In großer Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit des Werksklubs ist zurzeit vor allem Schlussmann René Adler. Bayers jüngste Niederlage in Hannover nahm der Nationalkeeper zum Anlass, in aller Öffentlichkeit über das hartnäckige Bayer-Phlegma und die ungesunde Leverkusener Weichheit auf dem Fußballfeld zu referieren.
Von Völler erhielt der 24-Jährige dafür postwendend eine verbale Kopfwäsche - und am Sonntagvormittag zudem eine Privataudienz. "Es kam alles auf den Tisch, wir haben das Ganze aus der Welt geschafft", fasst der Sportchef die Unterredung mit seinem Keeper zusammen. Doch vor dem heutigen Pokal-Viertelfinale gegen den Titelverteidiger FC Bayern bleibt die Vermutung: René Adler hat den Nagel wohl sehr genau auf den Kopf getroffen.
Kann's Vidal?
Selbst Cheftrainer Bruno Labbadia ließ zuletzt durchblicken, dass er in seinem Ensemble aus vielen hoch begabten Fußballern gerade in unangenehmen Spielen wie dem in Hannover eine Führungsfigur vermisst. "Das ist sicher ein Ansatzpunkt. So ein kleiner Drecksack fehlt uns schon", gesteht auch Rudi Völler.
Der Chilene Arturo Vidal könnte den Job theoretisch gut ausfüllen, ist jedoch gerade einmal 21 Jahre alt. Und einem anderen Kandidaten, Spielführer Simon Rolfes, erteilt der frühere DFB-Teamchef höchstpersönlich die Absolution. "Den Simon muss man nicht verbiegen", betont Völler, denn: "So wie er als Kapitän ist, so ist es gut für uns. Und so mögen wir ihn auch."
Vorbild Barbarez
Was bleibt, ist die Drecksack-Lücke. Sergej Barbarez hatte diesen Job bis zu seinem Karriere-Ende 2008 wunderbar erledigt. "So einen wie ihn brauchen wir jetzt wahrscheinlich", ahnt der Sportchef.
Leverkusens Scouts sind schon längst auf der Suche. "Aber", so Völler, "solche Typen wachsen natürlich nicht auf den Bäumen. Außerdem muss so ein Spieler bezahlbar sein - und er muss sportlich zu uns passen." Fazit: "So einfach ist das alles nicht."
Ein Weckruf
Mancher Beobachter zeigt sich dank des intensiven Disputs zwischen Bayer-Keeper und Bayer-Sportchef jedenfalls geradezu erleichtert. Solch deutliche Gefühlsregungen sind im rheinischen Kuschelklub eine Rarität - und pünktlich zum Duell mit den Bayern könnten sie der passende Weckruf für alle Beteiligten gewesen sein.
Die Leverkusener sind nämlich mit ihrer notorischen Frühjahrsmüdigkeit ausgesprochen zeitig dran (nur ein Sieg in den fünf Spielen seit Rückrundenbeginn). Sollte das schon der Anfang des alljährlichen Strudels sein, der Bayer nach traumhaften Vorrunden regelmäßig ins Niemandsland der Tabelle zu ziehen pflegt? René Adler scheint genau dies zu befürchten - und funkte nun eben vorzeitig SOS.
Ein Mann, der Leverkusens Ball spielende Aristokraten mit seiner Erfahrung, seinem fußballerischen Instinkt und seiner spielerischen Intelligenz weiter helfen könnte, ist Bernd "Schnix" Schneider. Allerdings erlitt der 35-Jährige, der sich im April 2008 wegen einer seltenen Bandscheibenverletzung im Halswirbelbereich operieren lassen musste, nach einer guten Vorbereitung im Januar und kurz vor seinem Comeback einen Rückschlag.
"Eine Muskelverletzung, die gerade abklingt. Wir warten einfach ab", sagt Völler schicksalsergeben. Schneiders Vertrag jedenfalls hat er im letzten Herbst nicht ohne Grund bis Sommer 2010 verlängert. "Schließlich wollen wir wieder ins internationale Geschäft", erklärt Leverkusens Sportdirektor. "Und da brauchen wir Bernd Schneider." Im Zweifelsfall auch als Drecksack.
Quelle: [url=http://fussball.zdf.de/ZDFsport/inhalt/11/0,5676,7529227,00.html?dr=1]ZDF[/url] online