Kießling: „Wir müssen uns zusammenreißen“

  • LEVERKUSEN: Neuer Rückschlag nach der Gala


    ES BERICHTEN OLIVER BITTER, FRANK LUSSEM UND JAN LUSTIG


    Bayer Leverkusen bleibt ein Rätsel – und in Düsseldorf ohne Punktspiel- Sieg. Vier Tage nach der 4:2-Gala im DFB-Pokal-Viertelfinale gegen Bayern München folgte in der Liga der nächste Rückschlag: Nur 1:1 gegen den VfL Bochum nach einer zu lange umständlichen Vorstellung, noch dazu begünstigt durch einen aus Gäste-Sicht dummen Handelfmeter. „In der ersten Halbzeit war es von uns einfach zu wenig“, stellte Innenverteidiger Lukas Sinkiewicz selbstkritisch fest. Hinzu kam eine besonders in der Endphase schon dramatische Abschluss-Schwäche. „Jetzt sind wir weit davon entfernt, oben mitzumischen“, urteilt Angreifer Stefan Kießling zu Recht. „In den nächsten Wochen müssen wir uns richtig zusammenreißen, um unser Ziel Platz fünf noch zu erreichen.“


    Als eine Art Charaktertest hatten Trainer Bruno Labbadia und Sportdirektor Rudi Völler die Rückkehr in den „Bundesliga-Alltag“ ausgerufen. Zufriedenstellend bestanden wurde dieser nicht, auch wenn Bayer letztlich kein Einstellungsproblem nachgesagt werden kann. „Es hatte nichts damit zu tun, dass wir im Kopf nicht umgeschaltet hätten“, erklärte Kießling nachvollziehbar. „Bochum war für uns heute ein Gegner wie der FC Bayern am Mittwoch. Aber uns hat die Kaltschnäuzigkeit gefehlt. Wir hatten vier Riesen-Chancen, die wir leider nicht nutzen konnten.“


    Hinzu kommt allerdings: In der lange Zeit so heilen Bayer-Welt treten neben sportlichen Betriebsunfällen jetzt zusehends auch atmosphärische Störungen zutage. Vor einer Woche nach dem 0:1 in Hannover die Kollegen-Schelte von Torwart René Adler samt Völlers Konter, nun der gereizte Abgang von Stefan Kießling: Bei seiner Auswechslung gegen Angelos Charisteas stapfte der Nationalspieler stinksauer vom Feld, verweigerte sogar Co-Trainer Eddy Sözer den Handschlag. Auf dem Platz hatte Kießling, bei allem Bemühen, gute Gelegenheiten vergeben, außerdem vorm 0:1 just den Torschützen Christoph Dabrowski aus den Augen verloren.


    „Wir sind zu schnell unzufrieden, wenn wir mit unserem Kurzpassspiel nicht richtig durchkommen. Aber wir brauchen kurzfristig die Entwicklung, auch im Liga-Alltag, gerade gegen eine Mannschaft wie Bochum, die nötige Geduld und ebenso den nötigen Druck zu entwickeln“, hatte Trainer Labbadia vor dem Anpfiff analysiert. „Das ist die Voraussetzung, um international zu spielen.“ Eben das forderte auch Völler: „Es wird nur eine gute Woche, wenn wir jetzt nachlegen. Bei einem Sieg gegen Bochum sind wir wieder im Geschäft um die Europacup-Plätze.“ Doch die Aussichten verschlechtern sich nun mehr und mehr. Lediglich auf Rang sieben steht Bayer momentan, wohlgemerkt punktgleich mit dem Vorzeige-Krisenklub Schalke 04, wo Trainer und Manager seit Monaten in den Mittelpunkt der Kritik geraten sind bzw. sogar kurz vor der Ablösung stehen. Seit der Saison 1995/1996, als der Abstieg haarscharf vermieden wurde, rangierte Leverkusen zum gleichen Zeitpunkt nur zweimal schlechter als aktuell: 2002/2003, in einer weiteren Fast- Abstiegssaison, auf Position zwölf, 2006/07 auf Platz acht. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der Tatsache, dass der Kader qualitativ stärker besetzt ist als in den Vorjahren, könnten sich auch bei Bayer bald Fragen auftun.


    Quelle: kicker-Printausgabe vom 09.03.09