...finde ich sehr zutreffend....
Seit Jahren zerbricht sich die Sportwissenschaft den Kopf über ein Phänomen, das unter dem Begriff Leverkusen-Syndrom firmiert. Das Leverkusen-Syndrom, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Stockholm-Syndrom, bezeichnet eine Krankheit, die ausschließlich in Leverkusen auftritt, bei der Fußball-Mannschaft des TSV Bayer 04. Das Leverkusen-Syndrom schlägt meist in der Rückrunde einer Bundesligasaison zu. Seine auffälligsten Symptome sind: rapider Leistungsverfall, Lust-, Rat- und Orientierungslosigkeit. Auch in diesem Jahr plagen sich die Bayer-Fußballer wieder mit dem hundsgemeinen Leverkusen-Syndrom herum. Sie leiden sehr. Bisher war in Fachkreisen umstritten, wo der Grund für das Leverkusen-Syndrom zu suchen ist. Als wahrscheinlich galt, dass die Krankheit wechselnde Ursachen hat, immer der aktuell größten Schwachstelle des Vereins entspringt und sich von dort epidemisch ausbreitet - erinnert sei nur an den Bauch von Reiner Calmund, die Rhetorik von Michael Skibbe oder die Frisur von Rudi Völler. Das Leverkusen-Syndrom hat dafür gesorgt, dass plötzlich alle Spieler Angst davor hatten, dick zu werden, gestelzt zu reden oder graue Locken zu kriegen - und darüber das Kicken verlernten. In dieser Saison nun ist der Ursprung des Leverkusen-Syndroms so leicht zu lokalisieren wie nie: Die Modernisierung des eigenen Stadions, verbunden mit der Austragung der Heimspiele im Exil in Düsseldorf, ist schuld. Die Leverkusener treten an in einer Arena, die nach einem Ferienflieger benannt ist und mit ihrer Klimaanlage auf Befehl den Fans ungefragt die Haare föhnt; in einer Stadt, wo man Alt trinkt und aufpassen muss, auf der Kö nicht über frisch geschminkte Pudel zu stolpern. Das kann nichts werden. Immerhin: Nach dieser Saison kehren die Leverkusener in die Heimat zurück. In der Ferienflieger-Arena droht ihnen dann in absehbarer Zeit noch nicht mal ein Auswärtsspiel: Die Düsseldorfer Fortuna spielt in der 3. Liga.
Berliner Zeitung 23.03.2009