Wada
Fußball schockt Doping-Bekämpfer
Erstellt 25.03.09, 23:02h
Gerne würde die Antidoping-Agentur Wada auch den Betrügern im Fußball das Handwerk legen. Allein, man lässt siie nicht. Fifa-Präsident Blatter lehnt das Meldesystem ab. Die Wada begreift das als „Angriff auf das System“.
DÜSSELDORF/KOPENHAGEN - Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) sieht nach der vehementen Attacke der Fußball-Verbände Fifa und Uefa die Existenz des neuen Anti-Doping-Meldesystems bedroht. „Das ist erschreckend“, erklärte Wada-Generaldirektor David Howman bei der Exekutiv-Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Denver. „Das ist ein bedeutender Angriff auf das System.“ Die Wada sorge sich über die kategorische Haltung des Weltverbandes Fifa und der Europäischen Fußball-Union (Uefa): „Dieser Schritt geht in die falsche Richtung.“
Fifa und Uefa lehnen die seit 1. Januar 2009 gültige Meldepflicht (Whereabouts-Regel), nach der auch Fußball-Profis drei Monate im Voraus ihre Aufenthaltsorte melden müssen, als zu großen Eingriff in die Privatsphäre ab. „Wir kämpfen zusammen gegen Doping, aber dürfen nicht plötzlich eine Hexenjagd veranstalten“, sagte Fifa-Präsident Joseph Blatter am Mittwoch auf dem Uefa-Kongress in Kopenhagen. „Wir sind der internationale Verband, der wahrscheinlich am meisten unternimmt, aber wir brauchen auch etwas Privatsphäre für unsere Spieler.“ Deshalb sind die Verbände gegen die individuelle Meldepflicht und halten Doping-Tests im Urlaub für inakzeptabel.
„Die Fifa lässt die Muskeln spielen und will zeigen, wir sind eine starke Organisation“, meinte Howman, „ich hoffe sehr, dass die Vernunft siegt. Ich habe Vertrauen in Kommunikation.“ Allerdings könnte eine Weigerung der Fußball-Verbände, sich am Wada-Meldesystem zu beteiligen, zum Bumerang werden. „Es gibt mehrere Konsequenzen. Eine wäre der Ausschluss von Olympischen Spielen. Das sieht die IOC- Charta bei Nichteinhaltung des Wada-Codes vor“, betonte Howman, „aber soweit sind wir noch lange nicht.“ Einem Verzicht auf Doping-Tests in Ferienzeiten erteilte er eine Absage: „Der Anti-Doping-Kampf ist eine Aufgabe, die 365 Tage im Jahr dauert. Da gibt es keine Auszeit.“
Unterstützt wird die Fundamentalkritik von Fifa und Uefa am Wada-Kodex vom Deutschen Fußball-Bund (DFB). „Die Anwendung aller Wada-Bestimmungen im Fußball wird ein Stück weit übertrieben“, sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger in der dänischen Hauptstadt und reklamierte eine „argumentative Sonderrolle“. Der DFB werde aber weiter mit Wada und Nationaler Anti-Doping-Agentur (Nada) zusammenarbeiten, „um einen möglichst großen Schutzwall unter Berücksichtigung der Spezifika des Fußballs zu errichten“. Geteilt werden die Bedenken gegen das Whereabouts-System auch von der Deutschen Fußball Liga (DFL). „Der seit 1. Januar in Kraft getretene Wada-Code schießt über ein angemessenes Maß hinaus“, kritisierte Ligapräsident Reinhard Rauball. Man müsse dieses Thema neu unter dem Aspekt behandeln, was nötig sei. „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist wichtig“, so der Jurist.
Auch bei internationalen Top-Athleten hatte sich in den vergangenen Monaten Widerstand gegen das umfassende Wada-Meldesystem und die dazugehörige Ein-Stunden-Regel, die für Fußball-Profis nicht gilt, geregt. Danach müssen Athleten Tag für Tag angeben, zu welcher Stunde sie jeweils für die Kontrolleure erreichbar sind. 65 belgische Sportler haben gegen das Anti-Doping-System sogar Klage eingereicht. (dpa)
http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1233584170538
Kommentar - Doping
Verstörende Pose
Von Frank Nägele, 25.03.09, 22:58h
Im Kampf gegen Doping sind im Grunde nur zwei Dinge von Bedeutung: Ein guter Test und der Überraschungsmoment. Doch Fifa-Präsident Blatter lehnt umfassende Tests ab. Das zeigt, wie der Weltfußball mit dem Thema Doping umgeht.
Wie es um die Moral des Sports bestellt ist, zeigt die Tatsache, dass Wahrhaftigkeit, wenn überhaupt, nur in Urin und Blut zu finden ist. Es hat keinen Sinn, das bestreiten zu wollen. Das Wort ist längst als flüchtigstes Bekenntnis eines Athleten entlarvt. Egal, wer was sagt - es darf angezweifelt werden. Deshalb haben die Doping-Jäger alleine die Überraschung als faires Mittel im Kampf gegen Betrug erkannt. Mit der Folge, dass Weltklasseathleten auf Monate hinaus ihren Aufenthaltsort angeben müssen, um nicht als Testverweigerer zu gelten. Jeder kann sich ausmalen, was für eine Zumutung das ist. Aber eine bessere Idee wird auf Anhieb keiner haben können. Die minimalen Nachweiszeiten hoch effektiver Dopingmittel erlauben keine andere Strategie.
Die Verweigerungshaltung, die der Weltfußball zu diesem Thema einnimmt, ist deshalb verstörend. Seine Kritik klingt wie die unverhohlene Ankündigung, das System demnächst zu verlassen, damit die Herren Profis in Ruhe Urlaub machen können. Als hätte Doping jemals Urlaub. Die Repräsentanten des Fußballs wirken wie Leute, die sich mit ihrem Sport auf einem eigenen Planeten wähnen, nur weil er unglaublich populär ist und in vielen Bereichen führend. Aber eben nicht im Bewusstsein für die globale Doping-Problematik. Das hat sich jüngst wieder in der Bundesliga gezeigt - im Fall Hoffenheim mit seinem dilettantischen Testfehler.
Was so unsympathisch wirkt an dem neuesten Vorstoß der Fifa und Uefa, ist seine Pose: Sollen sich die Randsporttrottel doch Tag und Nacht für Tests zur Verfügung stellen. Wir sind der Fußball. Wir brauchen die anderen nicht. Und jetzt mal im Ernst: Doping bringt bei uns doch sowieso nichts.
Ja genau, so ist es. Schönen Urlaub auch.
http://www.ksta.de/jks/artikel.jsp?id=1233584170545
Doping-Agentur ist entsetzt
Blatter kontra WADA: "Privatsphäre für unsere Spieler"
Joseph S. Blatter hat nachgelegt und die Haltung des Fußball-Weltverbandes FIFA sowie des Europäischen Fußballverbandes UEFA verteidigt, wonach beide in einer gemeinsamen Erklärung das Meldesystem der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA abgelehnt hatten. Die FIFA-Chef mahnte an, im "Kampf gegen Doping keine Hexenjagd" zu betreiben und forderte "eine Privatsphäre für unsere Spieler".
Der Schweizer unterstrich am Rande des UEFA-Kongresses in Kopenhagen, dass die FIFA Pionier im Kampf gegen Doping sei - "und vielleicht der Verband, der am meisten gegen Doping unternimmt". Jedes Jahr organisiere der Fußball zwischen 25.000 und 30.000 Anti-Doping-Kontrollen und unterstütze den Kampf gegen Doping im Fußball mit allen Kräften, hieß es vonseiten der FIFA und UEFA.
Beide hatten am Vortag vor allem gegen die Tatsache protestiert, dass die WADA die "genaue Nennung der Aufenthaltsorte von Mannschaftssportlern" fordert.
Die Behörde reagierte am Mittwoch entsetzt über die Haltung der Fußballverbände. "Das ist erschreckend", erklärte WADA-Sportdirektor David Howman am Mittwoch am Rande der Exekutiv-Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Denver. "Das ist ein bedeutender Angriff auf das System" und zudem ein "Schritt in die falsche Richtung".
FIFA und UEFA argumentieren wie folgt: Es gebe "fundamentale Differenzen" zwischen der Behandlung von Einzelsportlern und der von Mannschaftssportlern. Zudem könne nicht akzeptiert werden, dass Fußballprofis in ihrer kurzen Ferienzeit kontrolliert würden. Lediglich Spieler, die schon einmal des Dopings überführt worden seien sowie lange verletzt waren, dürften gemäß der WADA-Forderung unter die Lupe genommen werden.
Beim UEFA-Kongress in Kopenhagen kritisierte auch UEFA-Präsident Michel Platini die seit dem 1. Januar 2009 in Kraft getretene Meldepflicht der WADA. "Wir können nicht tolerieren, dass die Spieler 365 Tage im Jahr unter Kontrolle stehen. Wir verlangen Respekt für die Privatsphäre der Spieler, die mit ihren Familien auch mal in Ruhe Urlaub machen sollen", erklärte Platini. Deshalb sind FIFA und UEFA strikt gegen die individuelle Meldepflicht und halten Doping-Tests in der Sommer- und Winterpause für inakzeptabel.
Den gleichen Standpunkt wie Platini vertritt auch DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger. "Die Anwendung aller WADA- Bestimmungen im Fußball wird ein Stück weit übertrieben", sagte Zwanziger in der dänischen Hauptstadt, wo er in das Exekutivkomitee gewählt wurde, und reklamierte eine "argumentative Sonderrolle" für den Fußball.
25.03.2009, 18:00