Es war wohl einer der längsten Stammtische in der bisherigen Geschichte und einer mit den meisten Diskussionen. Bayer 04-Trainer Bruno Labbadia besuchte am Dienstagabend die Fans im SoccerCentor gegenüber der BayArena. Mehr als zwei Stunden lang beantwortete er die Fragen der knapp über 100 Werkself-Anhänger geduldig und ausführlich.
Einblicke in Trainerarbeit
Nach einer herzlichen Begrüßung und einem einleitenden Gespräch zwischen Moderator Frank Linde und Bruno Labbadia durften die Fans ihre Fragen loswerden und taten dies zahlreich. Immer wieder war dabei natürlich das junge Durchschnittsalter der Mannschaft ein großes Thema. „Diese Mannschaft muss aufgebaut werden. In der Vorrunde haben wir gezeigt, dass wir erfolgreich spielen können und haben auch da immer gesagt, dass bei uns alles passen muss. Der Vorteil einer jungen Mannschaft ist, dass man sensationellen Fußball spielen kann. Die Nachteile müssen wir verringern und die Mannschaft entwickeln. Wir werden auch in dieser Saison noch alles versuchen und aus der jetzigen Situation lernen“, erklärte der frühere Torjäger.
Auch die mitunter kritischen Fragen beantwortete Labbadia mit zahlreichen Argumenten und gewährte den Fans dabei auch tiefere Einblicke in die Mannschaft sowie in die Gedanken eines Trainers – beispielsweise in Sachen Aufstellung: „Grundsätzlich gehe ich in jedes Spiel rein, um es zu gewinnen. Da stelle ich den Spieler auf, der mich weiterbringt und gehe nicht nach Beliebtheit. Dazu gehören aber auch immer Gedankenspiele, wie die Frage, ob in der Innenverteidigung ein Karim Haggui beispielsweise zu Lukas Sinkiewicz passt.“
„Keine Ausreden, sondern Feststellungen“
Wenn man dann nicht die Startelf ändert, könne man den Spielern aber doch noch mehr Druck mit den Reservisten machen, so die Idee eines Besuchers des Fanstammtischs. „Die eigene Erwartungshaltung in der Mannschaft ist sehr groß und nun fehlt eben das Selbstvertrauen. Wenn ich dann nach zehn oder zwanzig Minuten bereits die Auswechselspieler zum Warmmachen schicke, ist das erst recht nicht gut“, antwortete Bruno Labbadia und erntete größtenteils verständnisvolles Nicken.
In der angenehmen und ungezwungenen Atmosphäre des SoccerCentors machte der 43-jährige Familienvater klar, dass er sich der schweren Aufgabe, Geduld und Erfolg zusammenzuführen, bewusst sei. Ohne explizit gefragt zu werden, machte Labbadia auch deutlich, dass er sich in der Öffentlichkeit natürlich vor seine Spieler stellt, aber intern auch schon mal andere Töne anschlägt. „Glauben Sie mal nicht, dass wir mit den Spielern nur sanft umgehen. Das sind hier keine Ausreden, sondern Feststellungen, Erklärungen. Wir packen die Mannschaft nicht nur mit Samthandschuhen an, müssen ihr gleichzeitig aber natürlich auch Vertrauen entgegenbringen.“
Gesänge und Applaus zum Abschied
Die teils taktisch fundierten Fachfragen beeindruckten den 328maligen Bundesligaspieler. Doch neben Fragen zum Abwehrverhalten (Gegentore in Überzahl) oder Fehlern in der Vorwärtsbewegung ging es auch um einzelne Spieler, wie etwa um Bernd Schneider: „Es wäre falsch, irgendwelche Hoffnungen zu schüren, aber wenn ich mir eines wünsche, dann dass Bernd wieder zurückkommt. Er lebt Fußball und es ist eine Freude mit ihm zu arbeiten. Wir machen ihm aber keinen Druck und werden ihn nur in einer Topverfassung bringen.“
Am Ende der offenen Diskussion durfte ein Appell an die Anhänger natürlich nicht fehlen: „Ich wünsche mir, dass sie wie in der Vorrunde hinter der Mannschaft stehen, denn das braucht sie. Wir sind gestürzt und müssen jetzt alle zusammen aufstehen“, sagte Labbadia, bevor er geduldig die zahlreichen Autogrammwünsche erfüllte. Verabschiedet wurde der Coach mit den bekannten „Bruno Labbadia“-Gesängen und großem Applaus.
Quelle: bayer04.de