Mit Eren Derdiyok, derzeit beim Schweizer Tabellenführer FC Basel unter Vertrag, taucht in der Bundesliga ab der kommenden Saison ein neues Gesicht auf. Der Nationalspieler wechselt im Sommer zu Bayer Leverkusen.
Der Transfer zur Truppe von Bruno Labbadia hätte schon in der Winterpause vollzogen werden sollen, doch Derdiyok einigte sich mit dem FCB darauf, ein weiteres halbes Jahr zu bleiben und die Qualifikation zur Champions League in Angriff zu nehmen.
Problem: Er darf bei diesem Unternehmen nur selten mithelfen. Ganze neun Mal stand der Stürmer kurdisch-türkischer Abstammung in der aktuellen Spielzeit von Beginn an auf dem Platz, 17 Einsätze und sechs Tore stehen insgesamt zu Buche.
Im Interview mit SPOX spricht der 20-Jährige von seiner Verärgerung über das Reservistendasein in Basel, von der Herausforderung Leverkusen und über seine Chancen in der Nationalmannschaft.
SPOX: Herr Derdiyok, Sie kommen in Basel nicht über den Status eines Ersatzspielers hinaus und drohten vor einigen Wochen ihrem Trainer Christian Gross im Schweizer "Blick", "ungemütlich zu werden". Worin sehen Sie das Problem, dass Sie nicht spielen?
Eren Derdiyok: Ich habe ja nicht gedroht, sondern meinen Gedanken freien Lauf gelassen. Der Trainer spielt gerne mit einer Spitze. Da wird Marco Streller bevorzugt. Das muss ich akzeptieren. Da kann ich nichts dran ändern. Doch ich bleibe ruhig und hoffe, dass er bald auf zwei Sturmspitzen umstellt.
SPOX: Hatte Ihre Kritik am Trainer damit zu tun, dass Sie im Spitzenspiel gegen Zürich nicht einmal eingewechselt wurden?
Derdiyok: Nein, das denke ich nicht. Das, was der "Blick" berichtete, war ein bisschen übertrieben. Ich habe nicht gesagt, dass ich ungemütlich werden könnte. Ich habe gemeint, wenn ich noch vier oder fünf Spiele nicht spiele, dann wird es ungemütlich für mich. Ich habe ein gutes Verhältnis zum Trainer. Es läuft derzeit nur etwas gegen mich.
SPOX: Ärgern Sie sich, nicht schon im Winter nach Leverkusen gegangen zu sein?
Derdiyok: Auf jeden Fall. Ich habe ja angedeutet, dass ich gerne im Winter wechseln möchte. Es ist aber nun auch nicht so, dass ich unbedingt im Winter weg musste. Aber nun bin ich schon ein bisschen enttäuscht, dass sie mich nicht gehen ließen und ich jetzt nicht spiele.
SPOX: Sie sind in Basel geboren und haben bisher nur dort Fußball gespielt. Wie schwer wird Ihnen der Abschied fallen?
Derdiyok: Das wird sicher nicht einfach. Ich werde alleine nach Deutschland gehen und sicherlich ein wenig Zeit brauchen, um mich an die neue Situation zu gewöhnen.
SPOX: Es stand schon relativ früh fest, dass Sie nach Deutschland wechseln möchten. In der öffentlichen Wahrnehmung rangiert die Bundesliga jedoch meist hinter England, Spanien und Italien. Wieso also Bundesliga?
Derdiyok: Ich bin anderer Meinung. Deutschland steht für mich an Nummer drei hinter England und Spanien. Für einen jungen Spieler, der den ersten Sprung ins Ausland wagen möchte, ist die Bundesliga optimal.
SPOX: Was wissen Sie denn schon von Leverkusen? Verfolgen Sie deren Spiele?
Derdiyok: Ich verfolge sie über die Zeitung. Wenn ich Zeit habe, schaue ich mir die Spiele auch an. Was Leverkusen bietet, ist einfach hervorragend. Schade, dass sie zuletzt an Boden verloren haben. Man sieht aber schon von außen, dass das eine super Truppe sein muss.
SPOX: Was gefällt Ihnen an Leverkusens Spielweise?
Derdiyok: Ich finde die Einstellung des Trainers wunderbar. Er lässt offensiv spielen. Der Ball soll schnell erobert und mit schnellen Spielzügen in Richtung Tor gebracht werden. Ich finde, dass wenige Mannschaften so attraktiv spielen wie Leverkusen.
SPOX: Sie werden mit Patrick Helmes und Stefan Kießling auf große Konkurrenz stoßen. In welcher Rolle sehen Sie sich?
Derdiyok: Wichtig wird sein, dass ich eine gute Vorbereitung abliefere und topfit bin. Bin ich fit, bin ich auch davon überzeugt, dass ich meine Chance ergreifen werde. Es wird natürlich nicht einfach. Die beiden spielen ja auch hervorragend im Moment.
SPOX: Sie werden wohl nur als Stürmer Nummer drei ins Rennen gehen...
Derdiyok: Das werden wir sehen. Leverkusen spielt mit zwei Stürmern. Sobald ich reinkomme, muss ich einfach meine Chance nutzen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass wir alle drei spielen werden. Leverkusen spielt sehr offensiv, da sind drei Stürmer nicht besonders abwegig.
SPOX: Ihnen lagen diverse lukrative Offerten vor. Warum haben Sie sich gegen mehr Geld und für Leverkusen entschieden?
Derdiyok: Ich hatte zum Beispiel auch Angebote aus Russland. Man weiß ja, dass die Russen sehr gut zahlen. Für mich persönlich ist Geld derzeit aber überhaupt nicht wichtig. Als ich mit Leverkusen gesprochen habe, wurden Argumente erwähnt, die mich einfach überzeugt haben. Das, was mir Leverkusen auf sportlicher Ebene bietet, kann mir kein russischer Verein bieten.
SPOX: Es gab ja aber auch andere Angebote aus Deutschland...
Derdiyok: Ja, einige sogar. Und die waren vom finanziellen Aspekt her auch besser. Gerade was die Vertragslaufzeit angeht. Nur damit das mal klargestellt wird.
SPOX: Nach der Verletzung von Vedad Ibisevic hat Hoffenheim in der Winterpause bei Ihnen angeklopft. Sie haben abgesagt. Warum?
Derdiyok: Ich stand bei Leverkusen im Wort. Ich hatte mich da schon längst entschieden. Es ist nicht meine Art, dann noch meine Meinung zu ändern. Dadurch zeigt sich ja auch, dass mich die Leverkusener wirklich überzeugt haben.
SPOX: Haben Sie auch mal mit Ihren Nationalmannschaftskollegen Tranquillo Barnetta und Pirmin Schwegler über Leverkusen gesprochen?
Derdiyok: Ich habe natürlich mit Tranquillo gesprochen. Er hat mir gesagt, dass mich eine super Truppe erwarten würde. Er hat mich auch ein wenig überzeugt. Das war schon lustig: Der hat mich immer gefragt, wann ich endlich zu ihnen kommen würde.
SPOX: In Deutschland sind Sie noch nicht sehr bekannt. Auf was für einen Typen muss sich die Bundesliga bald einstellen?
Derdiyok: Ich bin ein bodenständiger Typ und hebe nicht ab. Ich möchte immer einen Schritt nach vorne machen. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und daher bin ich auch sehr ehrgeizig.
SPOX: Wie sehen Sie sich als Stürmer? Was sind Ihre Stärken und woran müssen Sie noch arbeiten?
Derdiyok: Ich bin kopfballstark und habe eine gewisse Schnelligkeit für meine Größe. Und ich habe den Torriecher. Vor allem aber bin ich ein Mannschaftssportler.
SPOX: Und was ist mit den Schwächen?
Derdiyok: Ich kann und will mich überall noch verbessern. Ich bin noch längst kein fertiger Spieler.
SPOX: Wie viele Tore trauen Sie sich denn in der Bundesliga zu?
Derdiyok: Da kann ich keine Zahlen nennen. Mir ging es meist so, dass wenn ich mal in der Mannschaft drin war, dann habe ich eigentlich auch öfters getroffen.
SPOX: In der WM-Qualifikation kamen Sie unter Trainer Ottmar Hitzfeld bislang nur als Einwechselspieler zum Zuge. Sind Sie davon enttäuscht?
Derdiyok: Natürlich. Mein Problem ist eben, dass ich bei Basel wenig spiele. Würde ich sozusagen nicht am Toreschießen gehindert werden, dann wären meine Chancen auch wieder größer.
SPOX: Hat Ihnen Hitzfeld erklärt, warum Sie nicht erste Wahl sind?
Derdiyok: In seinen Augen sind wohl Blaise N'Kufo und Alex Frei gesetzt.
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