Interview mit Frank Lußem in "Catenaccio", Teil 2

  • Du hast bereits das mächtige Bayer-Kreuz, dass von vielen Fans argwöhnisch beäugt wird, im Rücken des Vereins angesprochen, ebenso wie der VW-Konzern in Wolfsburg oder Dietmar Hopp in Hoffenheim. Siehst du die 50+1-Regelung irgendwann kippen? Wäre das eine Bedrohung für die Liga? Oder wird die Bundesliga dann international wettbewerbsfähiger?


    Was in Leverkusen und Wolfsburg passiert, das ist absolut in Ordnung. Und sind nicht drei englische Klubs im Halbfinale der Champions League? Wem gehören die? Investoren! Was wurde über Abramovich geschimpft! Zu recht? Ich sehe das nicht. Und Hopp? Er setzt 50 plus eins doch schon ein wenig außer Kraft, oder? Was wäre ohne ihn? Gar nichts. Ist er eine Bedrohung für die Liga? Nein! Die Rahmenbedingungen stimmen, tolle Stadien, klasse Infrastruktur - ich denke, der Wegfall würde nicht schaden. Die deutschen Klubs sind tolle, starke Marken, keine Luftschlösser. Die würden es verkraften und im Endeffekt die Liga international wettbewerbsfähiger machen.


    Ein heißes Thema hier im Blog ist Doping im Fußball. Mit der Hoffenheim-Geschichte rückte die Problematik ins Blickfeld der Medien und der Fans. So ganz ausgeschlossen werden leistungsfördernde Mittel nicht mehr in der öffentlichen Wahrnehmung. Just dieser Tage setzt die FIFA bei der WADA durch, dass A-Kader-Spieler den persönlichen Aufenthaltsort nicht mehr angeben müssen, sondern nur noch den des Teams. Urlaubsproben sind bei “unverdächtigen” Spieler nicht mehr vorgesehen. Ist das das richtige Zeichen?


    Bei “Welt Hertha Linke” habe ich ein richtig gutes Dossier zum Thema gefunden. Sowas schürt natürlich Bedenken. Ich bin nicht wirklich tief im Thema drin, aber auch nicht so naiv, den Fußball auf einer Insel der Glückseligkeit zu sehen. Dabei hilft es nicht, den Fußballern Sonderrechte einzuräumen. Deshalb halte ich diese Änderung für ein absolut falsches Zeichen.


    Du bist im Netz sehr umtriebig. Neben den zahlreichen Blogs, frequentierst du auch das FC-Brett gelegentlich, wo du einen legendären Auftritt hattest. Worum ging es und wie kam es dazu?


    Gerade jetzt bin ich wieder abgemalt worden, weil ich in einem Posting schrieb “…meine Zeitung”. Dabei wollte ich nur deutlich machen: Nach knapp 30 Jahren sehe ich den kicker insofern als “meine” Zeitung, wie man sagt: “Meine Familie”. Meine Güte, den weitaus größten Teil meines Lebens habe ich beim kicker verbracht. Und ich bin ja auch nicht als Privatperson im Netz unterwegs. Ich habe immer versucht, meine Beweggründe zu erklären. Warum schreibt er dies, warum jenes? Diese Fragen habe ich versucht zu beantworten. Was ich mir teilweise anhören musste, ging über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus - aber was soll’s? Es hat auch viel Spaß gemacht, vor allen Dingen auch dieser Derby-Thread, den du ansprichst. Das war ein recht witziger Schlagabtausch. Man will ja nicht missionieren, nur versuchen, Dinge klar zu stellen. Aber tatsächlich habe ich den Eindruck, viele mögen das nicht. Die hauen gerne die Sprüche raus, wollen aber nicht, dass der Angesprochene sich dazu äußert.


    Ich persönlich habe Foren aufgrund der mangelnden Diskussionskultur abgeschworen und versuche hier im Blog einen relativ neutralen und objektiven Ton anzuschlagen. Blogs erscheinen mir überhaupt eine gute Möglichkeit zum gepflegten Gespräch. Hast du Favoriten? Gibt es Blogger, bei denen du gerne reinschaust aufgrund spezieller Qualitäten und welche Bedeutung misst du Blogs in Deutschland bei?


    Die Bedeutung wächst, keine Frage. Frag’ mal Theo Zwanziger;-)) An dieser gewachsenen Bedeutung haben in meinen Augen Top-Journalisten wie Jens Weinreich und Stefan Niggemeier ebenso ihren Anteil wie du, der das ja aus einer Liebe heraus machst. Bild-Blog finde ich klasse und absolut wichtig. Ansonsten “linke” ich mich so durchs Netz und pick’ mir die interessantesten Sachen raus. Richtig oft bin ich aber nur bei Weinreich, Niggemeier und bei Catenaccio. Hier schätze ich besonders, dass der Fußball nicht so in Frage gestellt wird, dass der moralische Zeigefinger unten bleibt. Da haben einige Blogger ein richtig großes Problem. Die kommen mir ein bisschen negativ und besserwisserisch rüber. Was ich überhaupt nicht abkann, ist Twittern, da bin ich dann doch ein paar Jahrchen zu alt, fürchte ich. Das ist mir zu oberflächlich, Bruno Labbadia würde sagen: “Da fehlt die Nachhaltigkeit!”


    Wie sähe deine Bayer-Elf des Jahrhunderts aus?


    Das ist nur ein untauglicher Versuch, mehr nicht:


    Vollborn - Jorginho, Lucio, Nowotny, Placente - Ramelow - Emerson, Ballack, Cha - Kirsten, Völler.


    Meine Güte, das ist so schwer…Tita, Paulo Sergio, Zé Roberto, Hörster, Ökland, Thom, Schuster, Berbatov - wo soll ich die alle lassen? Es gab zu viele Gute für eine Jahrhundert-Elf, man wird der Fülle an Spitzenkönnern nicht gerecht. Was schöneres kann man eigentlich nicht sagen, ich habe jeden von ihnen spielen sehen und die meisten persönlich mehr oder weniger eng kennen lernen dürfen.


    Und aus dem aktuellen Kader? Momentan stocken die Leistungen der Bayer-Kicker ja ein wenig. Wie siehst du denn die Entwicklung der aktuellen Nationalspieler? Haben Sie eine Chance sich dort durchzusetzen?


    Schwere Fragen, weil es seit ein paar Monaten stagniert. Es muss sich etwas ändern, aber es ist Aufgabe der Verantwortlichen, da was zu machen. Ich kann nur beobachten und bewerten. Vom Talent her sehe ich Spieler wie Adler, Castro, Sinkiewicz, Rolfes, Helmes, Kießling durchaus im weiteren oder engen Kreis der Nationalmannschaft.


    Vielen Dank für das nette Gespräch!