Von Christoph Pluschke, 02.05.09, 17:34h, aktualisiert 03.05.09, 20:31h
Bayer Leverkusen hat den Negativtrend der letzten Spieltage gestoppt und verdient mit 1:2 gegen den FC Schalke 04 gewonnen. Vor 61 162 Zuschauern in der Veltins-Arena sorgten Patrick Helmes und Renato Augusto für die Leverkusener Treffer.
GELSENKIRCHEN - Wolfgang Holzhäuser stand im Kabinentrakt der Veltins-Arena und schüttelte ungläubig den Kopf. „Nein“, sprach der Geschäftsführer der Bayer 04 Fußball GmbH, „diese Leistung kann ich mir auch nicht erklären.“ Woraufhin der Mann ein schelmisches Grinsen aufsetzte und in seinen Bart murmelte: „Ich sag's doch immer wieder - Bayer, das ist 'ne Wundertüte!“
Sollte heißen: Diese Leverkusener Mannschaft überrascht einen immer wieder. Da hatte sie vor einer Woche bei der peinlichen 0:1-Heimniederlage gegen den Tabellenletzten Karlsruher SC eine desaströse Leistung abgeliefert und damit ihre Vorgesetzten ebenso verärgert wie die Fans. Und nun, nur eine Woche, ein halbes Dutzend Trainingseinheiten und ein paar Einzelgespräche später, legte sie im Gastspiel beim FC Schalke 04 eine spielerisch, kämpferisch und taktisch nahezu einwandfreie Darbietung hin, die ihnen einen hochverdienten und in der Höhe dem wahren Spielverlauf nicht mal ansatzweise gerecht werdenden 2:1-Sieg einbrachte.
Und so traten die Spieler der Werkself auch anschließend ganz anders auf als sieben Tage zuvor: Waren sie nach dem Debakel gegen den KSC in der Mixed Zone der ungeliebten LTU-Arena noch mit gesenkten Häuptern, wortlos und geradezu fluchtartig an den Journalisten vorbeigerannt, so stellten sie sich diesmal bereitwillig allen Fragen und Fragern. Jeder fand dabei andere Worte, aber der Inhalt der Botschaft war allen gemein: Ja, wir haben vorige Woche Mist gebaut und sind zurecht dafür runtergemacht worden. Nein, wir dürfen uns jetzt nicht ausschließlich mit dem Pokalfinale befassen. Und ja, wir haben uns vorgenommen, wieder aufzustehen, zurückzukommen und unser wahres Gesicht zu zeigen.
Wobei die von Holzhäuser favorisierte Wundertüten-Metapher im Grunde nicht ganz stimmig ist. Denn bei der Wundertüte kann der Kunde - es sei denn, er pflegt allerbeste Beziehungen zum Verpacker - beim besten Willen vor dem Aufreißen nicht wissen, was ihn erwartet. Im Falle Bayer dagegen weiß man eigentlich sehr wohl, was drinsteckt in dieser Mannschaft. Eine Menge Talent nämlich, Spielwitz, jugendlicher Sturm und Drang, also ein beträchtliches Leistungsvermögen. Das aber hat das Team zum Entsetzen seines Trainers Bruno Labbadia in den vergangenen Wochen und Monaten nach der Winterpause viel zu oft vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. „Die Jungs können's doch, das haben wir ja auch die ganze Zeit gewusst. So wird Fußball nun mal gespielt“, befand Rudi Völler am Samstagabend in Gelsenkirchen, bevor er hinzufügte: „Umso frustrierender ist, dass wir im Kampf um die internationalen Plätze mittlerweile so abgeschlagen sind.“ Nun aber gelte es nachzulegen, am Freitag gegen Bielefeld endlich den ersten Punktspielsieg in Düsseldorf klar zu machen und weiteres Selbstvertrauen mit Blick auf das Pokalfinale aufzubauen, ergänzte der Bayer-Sportchef, der noch einen speziellen Wunsch an die Adresse der Medien formulierte: „Jetzt lobt die Mannschaft bitte nicht zu doll!“
Die aber hatte - das lässt sich nun mal nicht verschweigen - gegen Schalke zeitweilig und besonders in der ersten Halbzeit exzellent aufgespielt; wobei sich besonders auswirkte, dass man endlich mal wieder jenes Forechecking betrieb, das die Leverkusener in der Hinrunde so ausgezeichnet hatte. Der einzige Vorwurf, den sich das Team hinterher gefallen lassen musste, galt der mangelhaften Chancenverwertung - es hätte wesentlich mehr Zählbares herausspringen müssen als die beiden glänzend herausgespielten Treffer durch Patrick Helmes (9.) und Renato Augusto (26.). So musste René Adler nach dem Wechsel den Vorsprung mit einer Reihe Glanzparaden verteidigen, ehe er im Privatduell mit Kevin Kuranyi kurz vor Schluss doch noch - aber eben nur einmal - bezwungen wurde.