"Bruno ist manchmal etwas verbissen"

  • Herr Völler, Wolfsburg, der eine Werksklub ist Meister. Sie können nun als Tochter eines anderen Weltunternehmens den Pokal gewinnen. Geht der traditionelle Vorteil der Großklubs gerade verloren?


    Man kann Wolfsburg und Leverkusen da nicht mehr vergleichen. Der VfL ist uns enteilt, was Transfers betrifft, die haben ihre Muskeln spielen lassen und sehr viel Geld sehr gut angelegt. Bei aller taktischen Umsetzung war es eine Meisterleistung von Felix Magath, dass er Herrn Winterkorn (Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns, Anm. d. Red.) in zwei Jahren 60 Millionen Euro aus den Rippen geschnitten hat. Wir dagegen mussten unsere Gehaltskosten in den vergangenen sechs Jahren halbieren und sind mittlerweile gezwungen, unsere Ausgaben hier in der Fußballabteilung einigermaßen selbst zu refinanzieren.


    Deshalb setzen Sie auf junge Talente mit außergewöhnlichem Potenzial. Ist dieses Konzept nach Platz neun in der Bundesliga gescheitert?


    Nein. Man sagt immer schnell, es war eine total enttäuschende Rückrunde, dabei war eigentlich nur die Heimbilanz enttäuschend. Wir sind über die Saison die zweitbeste Auswärtsmannschaft, aber nur ein Sieg an unserem vorübergehenden Heimspielort Düsseldorf, das war natürlich zu wenig.


    Dennoch ist der Zauber der ersten Saisonhälfte, als die Mannschaft einen hinreißenden Fußball spielte, bis auf ganz wenige Ausnahmen verloren gegangen.


    Wir haben am elften Spieltag gegen Wolfsburg gewonnen und waren Tabellenführer, da war alles richtig. Aber jeder hat mal eine Schwächephase. Es zeichnet die guten Mannschaften aus, dass sie in der Lage sind, sich dagegen zu stemmen. Uns hat dieses Mittel gefehlt. Es fällt ja auf, dass mit uns und Hoffenheim ausgerechnet die jungen Mannschaften, die in der Hinrunde den attraktivsten Fußball gespielt haben, abgestürzt sind.


    Deshalb drohen für Bayer erstmals seit zwölf Jahren zwei Spielzeiten am Stück ohne Europapokal. Es gibt Gerüchte, Patrick Helmes und René Adler wollten den Klub verlassen, wenn sie im Jahr vor der WM nicht international spielen.


    Das ist für uns kein Thema. Ich kann den Jungs nur sagen: Besser spielen, mehr Tore schießen, dann seid ihr auch dabei. So einfach ist es. Die Spieler haben das selber in der Hand. Wenn jemand sagt, die sind enttäuscht und wollen im Europapokal dabei sein, kann ich nur erwidern: Ja, spielt besser!


    Vielleicht liegt es am Trainer. Viele Beobachter behaupten, wenn das Pokalfinale verloren geht, muss Bruno Labbadia seinen Hut nehmen.


    Nach der Saison setzt sich die sportliche Führung immer noch einmal zusammen, um das Spieljahr Revue passieren zu lassen, unabhängig, ob wir nun Erster, Fünfter oder Neunter geworden sind. Wir sind aber überzeugt, dass Bruno Labbadia der richtige Trainer für uns ist. In den vergangenen Monaten gab es zwar Enttäuschungen, aber wir schätzen den Fußball, den er spielen lässt. Ich bin sicher, dass der Bruno ein sehr großes Potenzial hat. Egal, wo ich vor Weihnachten und in der Winterpause hingekommen bin, da hieß es immer: Oh, den Labbadia, den hatten wir auch auf dem Zettel, aber ihr wart schneller als wir. Allerdings muss er auch noch ein paar Dinge lernen.


    Was fehlt ihm?


    Er frisst zu viel in sich rein. Er will immer das Optimale aus sich herausholen, wenn es dann nicht klappt, arbeitet er noch mehr und noch mehr. Normalerweise sagt man ja zu einem Trainer: Komm, mach doch mal dies, tu doch mal das. Bei ihm ist das ein bisschen andersrum. Er wird die Erfahrungen dieser Rückrunde nutzen und kleine Dinge ändern, ohne von seiner Linie abzuweichen.


    Teile der Mannschaft sind angeblich unzufrieden mit Bruno Labbadia, es soll deshalb Gespräche der sportlichen Leitung mit dem Mannschaftsrat gegeben haben. Interessieren Sie solche Klagen überhaupt?


    Es gab ein paar Reibereien, aber es gibt eben immer Spieler, die nicht so oft spielen, die nicht glücklich sind mit dem Trainer. Klar ist Bruno manchmal etwas verbissen, aber er wird seinen Weg finden und noch ein bisschen lockerer werden. Er hat seine Linie, aber als Trainer muss man auch mal den Bauch entscheiden lassen.


    Ja, und wir haben da auch schon Korrekturen vorgenommen. Der Mannschaft fehlt Erfahrung. Gerade in schwierigen Situationen hätten wir einen Spieler gebrauchen können, der die Jungen führt. Den haben wir jetzt mit Sami Hyypiä vom FC Liverpool geholt.


    Können Trainer und Mannschaft diese Saison denn noch retten mit einem Pokalsieg gegen Bremen?


    Nein, da muss man Bundesliga und Pokal klar trennen. Ich bin nicht zufrieden mit dieser Saison, der Abstand zu den Europapokalplätzen in der Bundesliga ist einfach zu groß. Aber jetzt sind wir im Pokalfinale, und das könnte ein Wendepunkt sein. Der Pokal hat enorm an Wertigkeit gewonnen, und wir haben diesen Titel verdient, denn wir haben mit Bayern München die beste deutsche Mannschaft rausgeschmissen. Auf neutralem Platz in Düsseldorf.


    Berliner Zeitung von heute