VON ROMAN ZILLES - zuletzt aktualisiert: 29.05.2009
Leverkusen (RP) Ob Calli oder Paulchen, ZDF-Wetterfrosch Uwe Wesp oder Stadtdechant Teller – morgen drückt jeder Leverkusener oder mit Leverkusen eng Verbandelter die Daumen für die Werkself. Außer Christoph Efferoth, der steckt bis zu den Armen in Teig für den Pokalfinalsieg zum Anbeißen.
Die Erinnerung ist ungetrübt: Es war im Juni 1993. Das Pokalfinale war ein Fall für die Geschichtsbücher, endlich kam der unerreichbar scheinende Pokal in Reichtweite: "Ich konnte nicht anders und habe ihn mir geschnappt."
Es könnte die Geschichte eines der Bayer 04-Pokalhelden um Ulf Kirsten sein. Aber es ist die Schilderung von Georg Kraushaar. Er erzählt, wie man als Polizeisprecher und ohne ein Spiel als Fußball-Profi den goldenen "Pott" zu fassen bekommt: "Wir sind nach der Rückkehr der Mannschaft gebeten worden, ihn für eine Nacht im Tresor der Wache an der Heymannstraße aufzubewahren." Als die Trophäe an Kraushaar vorbei in den Keller gebracht wurde, da musste der Bayer-Fan einfach zugreifen.
Solche Anekdoten haben Hochkonjunktur vor dem Pokalfinale. Nun soll alles wieder so werden wie 1993: spontane Jubelfeiern, Hupkonzerte auf der Kölner Straße, feiernde Leverkusener. Ausgelassen, aber gesittet sei es damals zugegangen, sagt Kraushaar. Auch für morgen erwartet Peter Mohr in seinem Kölner Hof, "dass es Richtung Karneval geht". Das bezieht sich aber nur auf die Gästezahl. 150 Besucher und ein gutes Geschäft sollen es werden, sportlich hegt Mohr nur geringe Erwartungen – "es sei denn, am Samstag sitzt ein neuer Trainer auf der Bayer-Bank". 20 000 Leverkusener sind optimistischer und begleiten Bayer in die Hauptstadt.
Aber einer bleibt hier, obwohl er seit mehr als 50 Jahren Bayer-Anhänger ist: Rüdiger Genzikowski. Der 59-jährige Vorsitzende des Fan-Clubs "Zweidreizehner" muss feststellen, dass Großereignisse keine Rücksicht auf Einzelschicksale nehmen. "Meine Schwiegertochter feiert am Wochenende 30. Geburtstag." Klingt nach Anwesenheitspflicht. Aber Familie geht nun mal vor Fußball. Genzikowski, der in den 70er Jahren mit den Bayer 04-Vorvätern Frank Michael Schonert und Hubert Tenbrink in einem Haus in Steinbüchel wohnte, hat sich arrangiert ("Ich denke, wir treiben Fernseher oder Radio auf.") und schaut frohgemut nach vorne.
Michael Wilde schweift dagegen ins Jahr 1993 zurück. "Da stand ich mit meinen kleinen Kindern vor dem Rathaus", verrät der Stadtsprecher. Nun ist der Nachwuchs groß, besteigt mit den Eltern Samstagfrüh den Fanbus nach Berlin und muss wohl auf der Fahrt zusehen, wie der Vater sich den Daumen drückt, auf dass er am Sonntag Dienst machen darf. "Gewinnen wir, muss ich am nächsten Tag arbeiten", erzählt Wilde.
Nur: Weil niemand weiß, wie es kommt, will auch keiner vorab mit Ort und Zeit der Feste rausrücken. Der Mangel an Rathäusern und funktionierenden Stadien erschwert das Aufspüren der möglichen Feier-Stätte.
Meinolf Sprink mag bei der Suche nicht helfen. "Wir bewegen uns bei dem Thema auf einem schmalen Grat und müssen die nötige Diskretion wahren", sagt er. Am liebsten würde der Kommunikationschef der Fußballer darüber gar nicht kommunizieren. Verständlich: Erzählt er von großen Siegesfeiern, wirkt das überheblich und bringt im Falle einer Pleite Spott ein. "Wir befinden uns in der Vorbereitung, für den Fall, dass wir gewinnen würden", verrät Sprink immerhin und bittet, den Konjunktiv in seinem Satz "sechs Mal zu unterstreichen".
Ein Sieges-Szenario
Eine mögliche Variante: Die Stadt könnte für die neuen Pokalhelden einen Empfang am Schloss Morsbroich auf die Beine stellen, der würde vielleicht zu einer Fan-Party in den Süden Wiesdorfs live übertragen, wohin sich das Team nach Autogrammen fürs Goldene Buch eventuell in Form eines Autokorsos in Bewegung setzen würde.
Setzt es eine Niederlage: "Dann gehen wir mit einer offenen sportlichen Wunde auseinander", sagt Sprink. Christoph Efferoth müsste dann sein Rezept weglegen. Für einen Triumphs tüftelt der Wiesdorfer Bäcker am "Pokalsieger"-Brot. Das ist: "Weizen, Roggen, Dinkel- und Roggenmalzflocken, Sonnenblumenkerne, Backerbsenschrot, Meersalz im Dreistufen-Natursauerteig", verrät Efferoth – und mit ihm hofft die ganze Stadt, dass Bayer keine brotlose Kunst bietet.