Provoziert der Coach seinen Rauswurf?
Sonntag, 31.05.2009
Labbadia hat die Mannschaft verloren
Bruno Labbadias Generalangriff zur Unzeit wird ihn wohl den Job kosten. Zwischen Coach und Team tut sich ein riesiger Graben auf. Am Dienstag soll über das Schicksal des Trainers entschieden werden. Patrick Helmes findet bei SPOX deutliche Worte.
Stefan Kießling weinte. Bayer Leverkusen hatte das DFB-Pokal-Finale gerade mit 0:1 gegen Werder Bremen verloren, und Kießling sank enttäuscht auf die Knie. Also machte sich Bruno Labbadia auf den Weg, seinen Angreifer zu trösten.
Doch auf halber Stecke hielt er inne, steckte die Hände in die Hosentaschen - und blieb einsam im Mittelkreis stehen. Schon vor diesem Finale war allenthalben zu lesen, dass das Verhältnis zwischen dem bisweilen pedantischen Trainer und seiner Mannschaft zerrüttet sei. Die Szene schien den Eindruck plastisch zu belegen.
Was hätte Labbadia Kießling in diesem Moment auch sagen sollen? Nur wenige Stunden vor diesem richtungweisenden Spiel erschien in der "Süddeutschen Zeitung" immerhin ein Interview, in dem der 43-Jährige auch seine Spieler massiv kritisierte. Unter anderem warf er Teilen der Mannschaft dabei unprofessionelles Verhalten vor.
Helmes wehrt sich gegen Kritik
"Wir haben uns nicht unprofessionell verhalten", wehrte sich Kießlings Sturmpartner Patrick Helmes nach der Finalniederlage gegenüber SPOX, "wir haben das ganze Jahr mit durchgezogen."
Trotzig fügte der 25-Jährige hinzu: "Aber er ist eben mein Trainer: Er kann sagen, tun, und machen was er will. Aber da stehe ich drüber." Ein intaktes Verhältnis klingt in der Tat anders.
Zumal Helmes die Kritik auch nicht nachvollziehen kann: "Ich weiß nicht, was er damit meint. Ich weiß nur, dass wir eine gute Mannschaft haben. Von daher kann er sich nicht beschweren."
Aber Labbadia beschwerte sich - und zwar zu einem denkbar merkwürdigen Zeitpunkt. "So eine Aussage unmittelbar vor dem Finale ist sicher nicht optimal. Das hätte er auch anders machen können. Am Montag, oder nächste Woche, wenn alles erledigt ist. Aber es war ja nicht mein Interview", sagte Helmes.
Labbadia vs. Reschke
Es war Labbadias Interview, und darin beklagte er neben der "Komfortzone" seiner Spieler vor allem die fehlende Rückendeckung für sein Konzept in den Führungsgremien von Bayer. "Die Aussagen waren in Stil und Zeitpunkt unglücklich", sagte daraufhin Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.
"Für mich war aber der Zeitpunkt wichtig", verteidigte sich Labbadia, "denn ich kann mich als Trainer nicht von einem Spiel abhängig machen."
Heißt im Klartext: Der Trainer fordert uneingeschränkte Rückendeckung vom Vorstand - unabhängig von Ergebnissen. Diese Forderung richtet sich vor allem an seinen größten internen Gegner, Manager Michael Reschke, mit dem Labbadia, laut eigener Aussage, "von Anfang an keine gemeinsame Arbeitsebene" fand.
Labbadia kann Kampf nicht gewinnen
Die Vehemenz, mit der er dabei Druck auf Reschke ausübte, kommt de facto fast einem Erpressungsversuch gleich: Entweder er oder ich. Ein struktureller Richtungskampf, den Labbadia allerdings nur schwerlich gewinnen kann.
Denn Michael Reschke ist seit 30 Jahren bei Bayer Leverkusen. Er meidet zwar die Öffentlichkeit, gilt aber intern als die rechte Hand von Sportchef Rudi Völler. Manche behaupten sogar, er sei auch seine linke.
Demnach leite der 51-Jährige im Wesentlichen das operative Geschäft und damit auch die in den letzten Jahren sehr erfolgreiche Kaderplanung, während Holzhäuser vor allem für Lizenzierungsfragen und Sponsoren zuständig sei und Völler in erster Linie repräsentative Aufgaben übernehme.
Entscheidung am Dienstag
"Wir gehen in diesem Moment davon aus, dass Labbadia bleibt", sagte Völler nach dem verlorenen Pokalendspiel und kündigte ein bilanzierendes Gespräch mit Trainer und Vorstand am Dienstag an. Dann freilich könnte "dieser Moment" allerdings auch schon wieder vorbei sein - und Labbadia bleibt nicht.
Denn sollte er bleiben, droht der Eindruck einer eklatanten Führungsschwäche bei Bayer, vor allem dann, wenn der Trainer auch in der kommenden Saison nicht früh die gewünschten Ergebnisse vorweisen kann - was angesichts des atmosphärischen Grabens zwischen ihm und der Mannschaft durchaus nicht abwegig erscheint.
So kritisierte selbst der sonst so besonnene Kapitän Simon Rolfes nach der Niederlage in Berlin die späten Auswechslungen seines Trainers: "Wenn man zurückliegt, sollte man mehr Risiko gehen."
Will Labbadia zum HSV?
Das unorthodoxe Mittel eines Generalangriffs zur Unzeit und die Aussichtslosigkeit von Labbadias Kampf legen für viele Beobachter daher den Schluss nahe, er provoziere selbst seinen Rauswurf.
Angeblich führt er bereits Gespräche mit dem HSV, wo er schon vor einem Jahr als ernsthafter Trainerkandidat auf der Liste stand. Nun könnte er dort Martin Jol ersetzen, der völlig überraschend zu Ajax Amsterdam wechselte.
Dass Hamburg die Gerüchte bislang nicht dementiert, mag als Indiz für dieses Szenario gelten. Im Berliner Olympiastadion saß übrigens auch Mirko Slomka als interessierter Beobachter auf der Tribüne.
Slomka bietet sich an
Der ehemalige Schalke-Coach gilt praktisch überall als Kandidat, wenn ein Trainerposten frei wird. Also auch in Hamburg und ziemlich sicher auch in Leverkusen. Dass die Trainerstelle bei Bayer zu haben ist, kann sich Slomka gut vorstellen, wie er im "DSF" einräumte:
"Es ist sichtbar, dass irgendwas zwischen Trainer, Mannschaft und Management nicht so funktioniert, dass man den schönen Fußball der Hinrunde weiterspielen konnte."
Slomka sagte, dass er bereit sei für eine neue Aufgabe. Genauso bereit, wie wohl die Leverkusener Spieler für einen neuen Trainer sind.