Von Jens Bierschwale 1. Juni 2009, 18:29 Uhr
Gleich fünf Bundesligisten fahnden derzeit nach einem neuen Übungsleiter, lange schon nicht mehr war die Vakanz auf dem sportlichen Chefposten so groß wie in diesem Sommer. Hinter den Kulissen wird mächtig getrickst – weil es nur wenige Kandidaten für viele frei gewordene Trainer-Jobs gibt.
Bruno Labbadia
Im finalen Scheitern hat Bayer Leverkusen beeindruckende Erfahrungen gesammelt. Die Unart, Pokale und Meisterschaften noch in letzter Sekunde aus der Hand zu geben, hat kein anderer Klub derart zelebriert wie die als „ewige Zweite“ verspotteten Profis vom Rhein. Nach dem verlorenen Pokalendspiel gegen Werder Bremen (0:1) zeigte aber selbst die vom Verein engagierte Band bei der Saisonabschlussparty im Berliner Stadtbad Oderberger Straße wenig Mitleid. Zu Beginn des Auftritts schrie der Sänger recht unsensibel ins Mirophon: „Winner of the silver medal: Bayer Leverkusen“.
Die gesungene Peinlichkeit fügte sich unwidersprochen in die Atmosphäre der Verliererfeier, niemand mochte Anstand daran nehmen, obwohl die Silbermedaille im Pokalfinale der wohl denkbar schwächste Trost eines verkorksten Abends war. Auch Bruno Labbadia konnte nicht einmal mehr milde lächeln, vielleicht hatte er sich aber zu jenem Zeitpunkt auch schon damit abgefunden, demnächst nicht mehr Leidtragender von Bayers Image sein zu müssen.
Schon vor dem Finale hatte der Trainer in mehreren Interviews seinen Unmut kundgetan, offen Missstände im Klub angeprangert und vermutlich so seinen Rauswurf provoziert. Für Dienstag hat der Verein ein Treffen zwischen Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, Sportdirektor Rudi Völler und Labbadia angekündigt. Alles andere als eine Ablösung des Trainers wäre ein überraschendes Ergebnis der Analyse.
Die Trainerposse von Bayer steht symbolisch für die größte Problemzone der Liga. Gleich fünf Vereine fahnden nach einem neuen Übungsleiter, lange schon nicht mehr war die Vakanz auf dem sportlichen Chefposten so groß wie in diesem Sommer.
Die Gründe für die fortgesetzte Trainersuche sind allerdings vielschichtig. In Hamburg etwa forderte Martin Jol Allmacht und 30 Millionen Euro für Transfers ein. Als Klubchef Bernd Hoffmann des Trainers Begehr negativ beschied, nahm Jol dankend das Angebot von Ajax Amsterdam an. Seit einer Woche nun sucht der Klub einen Nachfolger. Der vor der Ablösung stehende Labbadia soll Wunschkandidat Nummer eins sein, was dessen verbaler Provokation in Leverkusen aber einen Beigeschmack verleiht. Vergangene Woche bereits soll Labbadia schon in Hamburg gewesen sein – möglicherweise zu ersten Sondierungsgesprächen mit seinem neuen Klub.
Ein anderer Kandidat beim HSV soll Mirko Slomka sein. Der ehemalige Schalker nutzt inzwischen jede Gelegenheit zur Eigenwerbung. „Ich stehe bereit“, sagte er erst am Sonntag – für ein Engagement in Hamburg, vielleicht aber auch in Frankfurt, wo sie nach Friedhelm Funkels Kapitulation vor allzu kritischen Fans auch noch keinen Nachfolger präsentiert haben.
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Ein Plätzchen frei wäre auch noch in Mönchengladbach. Trainer Hans Meyer (66) mochte dort mit Verweis auf sein Alter zwar keinen Neuaufbau leisten, gehört aber immerhin der Trainerfindungskommission an und empfahl nun seinen ehemaligen Adjutanten Michael Frontzeck. Der bringt zwar als Referenz nur den Abstieg mit Bielefeld mit, besitzt als ehemaliges „Fohlen“ der Gladbacher aber immerhin den nötigen Stallgeruch mit. Der Vollständigkeit halber sei nur genannt, dass Absteiger Bielefeld ebenso wie die in der Relegation gescheiterten Cottbuser auch noch auf der Suche sind.
Nirgendwo in der Liga dürfte es in der Trainerfrage allerdings so perfide zugegangene sein wie in Leverkusen in den vergangenen Tagen. Nachdem Trainer Labbadia mit seiner Mannschaft in der Rückrunde eine seltsame Talfahrt hingelegt und nur 17 Punkte errungen hatte, wurde er von der Klubführung öffentlich in Frage gestellt. Mehr noch: Hinter Labbadias Rücken soll Bayer den Trainer über Mittelsleute schon bei anderen Vereinen angeboten haben. Günstiger kann man seinen Trainer kaum loswerden.
Mag sein, dass Labbadia davon erfuhr und sich auf seine Art rächen wollte. Mag aber auch sein, dass er einfach nur mit breiter Brust gehen will. Über seinen Medienberater ließ er just am Tag des Pokalfinales ein Interview platzieren, in dem er offen seinen Arbeitgeber tadelte. „Ein Weiter-so kann es nicht geben“, sagte er und stellte sein eigenes Wohl über das des Vereins. „Ob das so glücklich war, weiß ich nicht“, sagte Kapitän Simon Rolfes nach der Finalniederlage gegen Bremen. Allein seine stark anschwellende Halsschlagader gab einen Hinweis darauf, was er wirklich über das Vorpreschen seines Trainers gedacht haben mag.
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Der Gescholtene verteidigte seine Maßnahme. „Der Zeitpunkt, etwas zu sagen, war richtig. Die letzten Wochen waren nicht schön“, erklärte Labbadia. „Ich war lange ruhig, weil ich das Pokalfinale nicht gefährden wollte. Die Dinge, die ich angesprochen habe, habe ich schon intern gesagt. Das hat die Leute nicht überrascht. Mir war aber klar, dass es Leute gibt, die das stört.“ Zu jenen dürfte auch Meinolf Sprink zählen. Der Bayer-Kommunikationsleiter schaute grimmig, als er bei der Abschlussfeier im Stadtbad auf Labbadias Wortwahl angesprochen wurde. Er habe es zur Kenntnis genommen, meinte Sprink und ergänzte vielsagend: „Wenn er meint, diesen Weg zu wählen, ist das seine Sache.“