Der Älteste, aber noch der "Alte"?
NRZ, 07.06.2009, Walter BRÜHL
Leverkusen. Michael Skibbe war jung, Bruno Labbadia war jung – und beide sind mehr oder weniger gescheitert. Jetzt hat Bayer Leverkusen mit dem 64-jährigen Jupp Heynckes den ältesten Trainer der ganzen Bundesliga für die kommende Saison präsentiert. Trotzdem trat Sportdirektor Rudi Völler am Samstag bei der Vorstellung von Heynckes vehement der Einschätzung entgegen, damit leite Bayer die Rückehr zum Althergebrachten ein. „Unsere Richtung”, so Völler, „bleibt die gleiche. Wir wollen mit dieser jungen Mannschaft zum Erfolg kommen.”
Und Jupp Heynckes, der sich nach seinem vierwöchigen Intermezzo als Klinsmann-Nachfolger bei Bayern München angeblich wieder auf seinen Alterssitz im niederrheinischen Schwalmtal zurückziehen wollte, komme auch nicht als der alte Disziplin-Fanatiker, für den die meisten ihn nach den unrühmlich zu Ende gegangenen Gastspielen bei Eintracht Frankfurt, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach halten.
Die Stichworte, die Heynckes anschließend in den Mund nahm, klangen tatsächlich alles andere als furchterregend. „Vertrauen aufbauen”, „angenehme Atmosphäre schaffen”, „Harmonie herstellen” – so beschrieb der Fußball-Lehrer seine vorrangigen Ziele als neuer Coach der Leverkusener.
Andere Sicht der Dinge
Nanu? Ist das wirklich noch der „alte” Jupp Heynckes, der vor seiner zweieinhalbjährigen Pause als pedantischer Sturkopf beschrieben wurde? „Ich habe heute”, sagt er über sich selbst, „eine andere Sicht auf viele Dinge. Sie ist geprägt von den letzten Jahren, in denen es mir gesundheitlich nicht so gut ging. Inzwischen ist es mir sehr wichtig, dass die Menschlichkeit nie zu kurz kommt.”
Mit altbekannter Strenge kanzelt Heynckes allerdings die Kollegen ab, die in letzter Zeit so heftige Turbulenzen auf dem Trainer-Markt ausgelöst hatten. Martin Jols Abschied aus Hamburg, Christoph Daums Wechsel nach Istanbul, Felix Magaths Wechsel nach Schalke – dies alles trotz laufender Verträge: für den neuen Bayer-Trainer ist dies nicht akzeptabel. „Das kann ich nicht gutheißen”, schimpft er und betont: „Ich habe noch nie einen Vertrag gebrochen. Nicht mal 1996, als ich auf Teneriffa gearbeitet habe und ein Angebot vom FC Barcelona bekam. Juan Gaspart war damals platt, als ich ablehnte.” „Sie wissen doch, dass wir Barcelona sind”, habe der Spanier damals laut Heynckes ungläubig geantwortet.
Am Tag nach den spektakulären Vorwürfen des Bayer-Geschäftsfühers Wolfgang Holzhäuser, der bei Trainern und Vereinen „ethische und moralische Grundsätze” vermisste, drehten die Leverkusener allerdings auch selbst schon wieder an diesem Karussell. Aus Nürnberg, so Holzhäuser, kehrt Peter Herrmann zu Bayer zurück. Der soll bei seinem Stammverein Assistent von Jupp Heynckes werden. Herrmanns bis 2010 laufender Vertrag als Co-Trainer beim „Club” störte die Bayer-Bosse da offenbar überhaupt nicht.
Nette Worte über Labbadia
„Ich kann mich über die hochmoralischen Töne aus Leverkusen in diesem Zusammenhang nur wundern”, meinte dazu Nürnbergs Manager Martin Bader. Was ihn allerdings auch nicht daran hindern wird, den Deal am heutigen Montag bei einem Treffen mit Wolfgang Holzhäuser über die Bühne zu bringen.
Eine Menge netter Worte fand am Ende des Tages Rudi Völler noch für den zum HSV abgewanderten Bruno Labbadia. „Der Bruno”, so Völler, „ist eigentlich ein guter Kerl.” Bayer hätte sogar versucht, den Coach zum Weitermachen zu überreden, aber Labbadia hätte abgelehnt, weil er Angst hatte, das Vertrauen zur Mannschaft nicht wieder herstellen zu können.
Hinter Labbadias Interview mit der Generalattacke gegen den Klub am Vorabend des Pokalfinales, so Völlers Vermutung, stecke dessen Medienberater Christian Frommert. Völler: „Das war ganz schlechter Stil. Das hat uns wirklich geschadet. Danach gab es für Bruno hier keine echte Chance mehr.”