Heynckes’ Rezept: Lockerheit, Offenheit und Vertrauen

  • LEVERKUSEN: Der neue Trainer lernt seinen Klub kennen, ist angetan von den Möglichkeiten


    Die Zeit wird Jupp Heynckes (64) nicht lang. Zwar steigt Bayer Leverkusen erst am kommenden Dienstag wieder ins Training ein, doch der neue Trainer des Pokalfinalisten ist Tag für Tag im Einsatz. „Wir müssen eine Saison vorbereiten“, sagt Heynckes, der in den vergangenen zwei Wochen jede erreichbare Abteilung durchlief und Gespräche führte. Mit seinen Assistenten, seinen Reha-Trainern, den Ärzten und Physiotherapeuten, den Scouts, mit ein paar neuen Spielern wie Stefan Reinartz (20) und Eren Derdiyok (21) und immer wieder mit Sportchef Rudi Völler (49). So langsam kann sich der erfahrene Coach ein Bild machen von seinem neuen Arbeitsplatz, es wirkt positiv: „Was ich bisher gesehen habe – ob handelnde Personen oder die Infrastruktur dieses fantastischen Stadions – ist absolut top.“


    Ein Bild gemacht hat er sich auch von seiner Mannschaft. Auf die traf er als Bayern-Trainer in der Endphase der vergangenen Saison noch als Gegner, analysierte sie damals vor dem 3:0-Sieg der Bayern entsprechend, sitzt aktuell an den DVDs mit Toren und Gegentoren und bereitet sich darauf vor, das große Mysterium dieser Bayer- Generation zu enträtseln: „Dieser Mannschaft fehlt Konstanz. Und wir müssen herausbekommen, woran das liegt.“


    Die Mannschaft will er bei dieser Arbeit mit ins Boot nehmen: „Ich will das mit den Spielern analysieren. Sie sind verantwortlich. Und ich möchte von ihnen die Bestätigung, ob meine Eindrücke richtig sind.“


    Viel sprechen möchte er, allerdings nicht nur zu den Spielern, in erster Linie mit ihnen: „Der zwischenmenschliche Bereich ist von allergrößter Bedeutung. Es muss hier eine Atmosphäre geschaffen werden, in der es sich angenehm arbeiten lässt. Bei höchster Ernsthaftigkeit, bei größter Intensität. Druck haben die Jungs genug, den machen sie sich selber, den machen ihnen die Fans, die Medien. Ich muss dafür sorgen, dass es unverkrampft zugeht.“ Würde Heynckes dies gelingen, davon sind viele Kenner der Leverkusener Szene überzeugt, wäre nach den Irrungen und Wirrungen der abgelaufenen Spielzeit schon einiges gewonnen. Der Routinier propagiert Vertrauen, Lockerheit und Offenheit und hofft auf den Erfolg. Eine Mannschaft hat er noch nicht im Kopf, vermeidet aber auch Plattitüden wie „Jeder beginnt bei null“. Heynckes: „Das ist doch Quatsch.“ Jeder wisse ohnehin, auf welche Spieler er bauen kann. Dass er keinen verkaufen will, ist ebenfalls bekannt. Im Gegenteil: Mit Tranquillo Barnetta steigen Gespräche wegen einer Vertragsverlängerung bis 2011. Und in Argentinien läuft die Suche nach einem Defensivspieler unverändert intensiv.
    FRANK LUSSEM





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 22.06.09