Eren Derdiyok ist schon gut integriert
Er hat mit seinen erst 21 Jahren zwar schon in Wembley und im Nou Camp getroffen, trotzdem ist er für viele Leverkusener Fans noch ein unbeschriebenes Blatt. Das will Eren Derdiyok, Neuzugang vom FC Basel, jedoch schnell ändern. sportal.de stellt Bayers neue selbstbewusste Sturmhoffnung im Porträt vor.
Als Jupp Heynckes seine Bayer-Mannschaft zur ersten Einheit auf das Trainingsgelände bat, schauten die Ordner zunächst etwas verdutzt. Simon Rolfes, René Adler und Co. kannten sie, doch wer ist dieser 1,90m-Schlaks mit dem geschmeidigen Gang? Gleiches passierte Eren Derdiyok im Trainingslager auf Borkum. Nachdem zwei jugendliche Fans sich sein Autogramm geholt hatten, berichtet der Kölner Stadt-Anzeiger, versuchten sie erst einmal den Namenszug zu entziffern. "Derdiyok" sagte ihnen aber offenbar nicht viel.
In der Schweiz war der Stürmer mit den kurdischen Wurzeln dagegen bereits ein bekannter Name, kickte mit dem FC Basel in der Champions League und gehört zur Nationalmannschaft. Für die hatte er auch gleich in seinem ersten Spiel ein Tor erzielt - und was für eins: Als 19-jähriger Joker war er im Februar 2008 im Londoner Wembley-Stadion gegen England auf den Platz geschickt worden und traf sofort zum 1:1-Ausgleich. Dass das Spiel trotzdem mit 1:2 verloren ging, war letztlich unerheblich. Sein persönliches "Wembley-Tor" machte ihn schweizweit bekannt. Weitere Popularität erlangte er, als er im November 2008 ebenfalls als Joker stach und dem FC Barcelona einen Punkt (1:1) aus dem heimischen Camp Nou entführte.
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Familie als stabiler Rückhalt
Abgehoben ist der Junge, der als Sohn türkischer Eltern in Basel geboren und aufgewachsen ist, dadurch aber nicht. Seine Eltern, mit denen er bis zu seinem Wechsel nach Leverkusen zusammen gewohnt hatte, und sein älterer Bruder haben ihn stets auf dem Teppich gehalten und ihm erklärt, dass man sich professionell verhalten müsse. "Eren hat ein stabiles Umfeld und eine gesunde Einstellung", erklärte sein letzter Trainer in Basel, Christian Gross, in der Basler Zeitung.
Gross war es auch, der Derdiyok am 22.10.2005 in einem Pokalspiel entdeckte. Der junge Stürmer erzielte für seinen Stammverein BSC Old Boys den einzigen Treffer bei der 1:6-Niederlage gegen den FC Basel und wurde daraufhin vom Coach für die U18-Auswahl des FCB verpflichtet. Basel und Derdiyok war Liebe auf den zweiten Blick. Kurz zuvor war der Spieler bei einem Probetraining der U18 noch als "nicht gut genug" wieder nach Hause geschickt worden.
Trotzdem folgte Derdiyok dem Ruf, brach mit Zustimmung seiner Eltern die angefangene Elektriker-Lehre ab und konzentrierte sich voll auf den Fußball, der ihn von Kindesbeinen an sowieso am meisten interessiert hatte. "Als Kind hatte ich immer einen Ball dabei, auch in der Schule unter dem Tisch. Den ganzen Tag habe ich mich auf den Abend gefreut, wenn ich ins Training durfte", erzählte er der Basellandschaftlichen Zeitung. Sein Eifer wurde belohnt, schnell schaffte er den Sprung in die erste Mannschaft und das Nationalteam, für das er bei der Heim-EM drei Spiele bestreiten durfte.
Fünf Millionen? Bin ich wert
Schnell wurde auch das Ausland auf ihn aufmerksam, obwohl er es bei Basel nie zum richtigen Stammspieler geschafft hatte. Coach Gross zog ihm immer wieder Marco Streller vor, Derdiyok überzeugte aber auch bei Kurzeinsätzen regelmäßig. Angebote aus Italien, England, Russland und der Türkei flatterten ins Haus. Doch Derdiyok zögerte zunächst, da die Rahmenbedingungen ihm nicht zusagten. Schließlich ist er ein Mensch, der genau überlegt, nicht zu Schnellschüssen neigt, sondern lieber weiter an sich arbeitet.
Erst das Angebot von Bayer Leverkusen erfüllte seine persönlichen Kriterien. Derdiyok sagte zu, ein Wechsel zur Winterpause scheiterte und so kam er erst im Sommer für fünf Millionen Euro an den Rhein. Eine hohe Ablöse, aber keine zu hohe Bürde, wie der Schweizer findet. "Ich bin das Geld wert", erklärte er selbstbewusst in der BILD und machte in seinen ersten Testspielen gleich deutlich, dass er diesen Worten auch Taten folgen lassen kann.
Beim 20:0-Kantersieg über den TuS Borkum erzielte er drei Treffer, beim 3:3 gegen Casablanca markierte er per Kopf den wichtigen zwischenzeitlichen Ausgleich. Tore, die für ihn wichtig, aber auch für Bayer elementar sind, denn nach dem Ausfall von Patrick Helmes ruhen die Hoffnungen nun früher als erwartet auf dem Neuzugang.
Derdiyok fühlt sich wohl
An der Feinjustierung muss zwar noch geschraubt werden, doch deutlich ist für Derdiyok bereits, dass die Chemie zwischen ihm und den neuen Mannschaftskollegen bereits stimmt. "Ich bin völlig überrascht. Die Mannschaft hat mich sehr gut aufgenommen. Sie sind alle sehr freundlich und wir haben direkt auch ein wenig Spaß miteinander gemacht. Das macht es einfacher und da kommt man gut rein", erklärte er und urteilte im Kölner Stadt-Anzeiger: "Bei Bayer bin ich richtig."
Sicherlich auch, weil er sich von Jupp Heynckes mehr Rückendeckung verspricht als er zuletzt in Basel unter Gross genoss. "Herr Heynckes ist sehr erfahren und menschlich super. Wie er mit jungen Spielern umgeht, ist komplett anders als zum Beispiel bei Christian Gross in Basel", erklärte er in BILD.
Auch Sportdirektor Rudi Völler ist nach den ersten Einrücken seines Neuzugangs begeistert. "Der Junge macht einen ganz hervorragenden Eindruck", lobte er. Und wenn er dann auch in den Pflichtspielen einschlägt, dann werden auch alle Fans bald seinen Namen und seine Nummer 19 erkennen und weitere Großtaten wie in Wembley und Nou Camp sicher folgen.
Malte Asmus
sportal.de