LEVERKUSEN: Der neue Trainer setzt auf variables Defensivspiel statt Dauerdruck
Eine stabilere Defensive steht ganz oben auf der Agenda. Und auch wenn die Vorbereitung noch lange nicht abgeschlossen ist, deuten die jüngsten Eindrücke darauf hin, dass Jupp Heynckes auf einem guten Weg ist, seine neue Mannschaft vom Image der Schießbude (46 Gegentreffer) zu befreien. Beim 1:0 gegen Galatasaray Istanbul spielte seine Elf zum zweiten Mal in Folge zu Null, ließ nur zwei Kopfballchancen zu. „Die Mannschaft hat hervorragend gespielt, vor allem von der Defensivorganisation her. Daran haben wir in der ganzen Woche gearbeitet“, lobt Heynckes seine Schützlinge. Diese sind von der Strategie des neuen Chefs überzeugt. Wie Stefan Kießling: „Wenn man sieht, wie alle nach Ballverlust nach hinten sprinten und die Räume zumachen – wenn wir das beibehalten, wird es schwierig, gegen uns durchzukommen“, prognostiziert der Angreifer.
Doch was macht Heynckes anders als sein Vorgänger? Der Unterschied liegt nicht im Personal: Auch Heynckes setzt in der Mittelfeldraute auf drei Offensive (Renato Augusto, Barnetta, Kroos) wie es Bruno Labbadia im 4-1-3-2 tat. Der springende Punkt liegt in der Strategie: „Wir müssen lernen, ökonomischer zu spielen. Man kann keine 90 Minuten Tempo, Pressing oder Forechecking praktizieren“, weiß Heynckes. Unter Labbadia aber versuchte Bayer, diesen Dauerdruck aufzubauen, und wurde in der Rückrunde von den meisten Mannschaften taktisch ausgeguckt: „Als die anderen gemerkt haben, wie wir spielen, haben sich auch die guten Mannschaften wie Stuttgart und der HSV gegen uns hinten reingestellt“, meint Thomas Zdebel. Die Folge: Bayer rannte an und wurde ausgekontert. „Da haben wir nicht die Balance gefunden – was auch nicht die Philosophie des Trainers war“, so Zdebel, der gegen Galatasaray vor der Abwehr überzeugte.
Weg vom Hurrastil also, aber nicht vom attraktiven Offensivfußball. Den zeigte Bayer auch gegen Galatasaray – nur aus unterschiedlichen Ausgangspositionen: Mal nach frühem Stören, mal mit Kontern, wenn man sich zuvor zurückgezogen hatte. „Wir versuchen, das Spiel zu kontrollieren, das Tempo zu variieren. Das beherrschen die wenigsten Mannschaften“, nennt Heynckes das hohe Ziel. Damit Bayers fußballerische Klasse anders als in der vergangenen Saison über eine komplette Spielzeit zu bestaunen ist.
STEPHAN VON NOCKS
Quelle: kicker-Printausgabe vom 13.07.09