Das größte Fragezeichen steht hinter der Abwehr

  • Qualitätscheck: So stark ist Leverkusen


    Das Loblied kam aus dem Munde von Frank Rijkaard. „Leverkusen war besser als wir“, attestierte der niederländische Trainer von Galatasaray Istanbul nach der überzeugenden Vorstellung von Bayer 04 gegen die Türken, die – anders als die Werkself – schon heute, Donnerstag, in der Europa-League-Qualifikation ran müssen. Beim 1:0-Sieg hatte man allerdings den Eindruck, dass die Elf von Jupp Heynckes (64) unmittelbar vor dem ersten Pflichtspiel der Saison steht. Defensiv ungewohnt kompakt und offensiv mit flüssigen Kombinationen auftrumpfend, präsentiert sich der Bundesliga-Neunte in beachtlicher Frühform, sodass sich die Frage stellt: Wie stark ist Bayer 04?


    Dieses dicke Fragezeichen gibt es in erster Linie nicht wegen des Potenzials. „Es ist eine lohnende Aufgabe so eine Mannschaft zu trainieren, die so voller Inspiration und fußballerischer Klasse steckt“, betont auch Heynckes. Vielmehr war es die mangelnden Konstanz, die die Werkself zweimal den Einzug nach Europa kostete.


    Spielerisch bietet sein Team Bundesliga-Spitzenniveau an: Eine Mittelfeldraute mit Simon Rolfes (27) als Sechser, Renato-Augusto (21) und Tranquillo Barnetta (24) auf den Halbpositionen sowie Spielmacher-Talent Toni Kroos (19) auf der Zehn, der zudem mit guten Standards aufwartet, stellt Liga-Feinkost dar, die sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Vorbereitung in ansehnlichen Ballpassagen niederschlägt. „Das spricht für die Mannschaft. Hier ist riesiges Potenzial vorhanden”, ist Thomas Zdebel (36) überzeugt, der gegen Galatasaray den am Meniskus operierten Rolfes glänzend vertrat. Gegen die Türken mischte in der Schlussphase auch Arturo Vidal (22, nach verlängertem Urlaub wegen Länderspielen für Chile) erstmals wieder im Mittelfeld mit, der in der Vorsaison zur Stammelf gehörte. Für das Herzstück seiner Elf hat Heynckes die freie Auswahl.


    Auch im Angriff scheint die Mannschaft trotz des langfristigen Ausfalls von Torjäger Patrick Helmes (Kreuzbandriss) gut aufgestellt. Auch wenn Kroos zu bedenken gibt: „Die Frage ist, wie wir Patricks Ausfall verkraften – 21 Tore muss man erst mal ersetzen.“ Doch bislang hinterlässt 3,8-Millionen- Einkauf Eren Derdiyok (21) als Sturmpartner von Stefan Kießling (25) einen starken Eindruck. Der Schweizer präsentiert sich lauf- und einsatzfreudig, ist ballsicher und bestens anspielbar, zeigt gutes Spielverständnis. Zudem setzte Theofanis Gekas (29) erste kleine Duftmarken, sodass Heynckes mit dem pfeilschnellen Griechen über eine spielerisch völlig andersgeartete Alternative verfügt, falls das Duo Kießling/Derdiyok nicht harmoniert. Doch die Bedenken, dass die beiden 1,90-Meter-Hühnen nicht zusammenpassen, sind wohl unberechtigt. „Besonders im Defensivverhalten ergänzen wir uns gut“, hat Kießling festgestellt. Angesichts der größten Baustelle der Elf kein unbedeutender Faktor.


    Das größte Fragezeichen steht nämlich hinter der Qualität der Viererabwehrkette, insbesondere der der Innenverteidigung. „Auf den Außenverteidigerpositionen haben wir richtig gute Fußballer”, schwärmt Kießling zu Recht. Doch wie stark ist das Zentrum besetzt? Gegen Galatasaray überzeugten dort Manuel Friedrich (29) und der aus Nürnberg zurückgekehrte Stefan Reinartz. „Er macht das sehr, sehr gut”, lobt Heynckes den 20-Jährigen. Der aus Liverpool geholte Finnen-Tower Sami Hyppiä (36) soll mit seiner Erfahrung helfen. Die erste Bewährungsprobe für ihn gab es erst gestern beim Testspiel in Genk (bei Redaktionsschluss nicht beendet). Wie Hyppiä, dessen Schnelligkeitsdefizite bei Bayers neuer, kompakter Spielweise in der Defensive womöglich nicht so entscheidend ins Gewicht fallen werden, bewirbt sich auch noch der wieder verletzte Lukas Sinkiewicz (23, Faserriss) um einen Platz.


    Reicht die Qualität für die Bundesligaspitze? „Die Abwehr ist immer nur so gut wie die gesamte Mannschaft funktioniert”, nennt Heynckes sein Credo und ist sich sicher: „Wir kriegen eine sehr wettbewerbsfähige Mannschaft zusammen. Da kann man schon einiges erwarten.“





    Quelle: kicker-Printausgabe vom 16.07.09