BILD am SONNTAG: Herr Heynckes, sind Sie Jürgen Klinsmann dankbar?
JUPP HEYNCKES (64): Wieso?
Weil Sie ohne dessen Scheitern beim FC Bayern kein Trainer in Leverkusen geworden wären.
Ja, das stimmt. Ich war außen vor, wenige nahmen noch Notiz von mir – bis zu diesen fünf Wochen beim FC Bayern. Aber so ist dieses Geschäft.
Dieses Geschäft ist auch so: Nachdem Sie und Felix Magath mit Ihren Klubs in der letzten Saison Erfolg hatten, setzt man in der Bundesliga wieder auf ältere Trainer.
Sehen Sie: Natürlich gibt es gute junge Trainer in Deutschland. Aber Erfahrung ist in diesem Job viel wert. Mich kann nichts mehr überraschen. Ich habe alles erlebt: Auf und außerhalb des Platzes. Aber wenn man sich den Werdegang von sehr guten internationalen Trainern wie Fabio Capello oder Rafael Benitez ansieht, dann sieht man auch: Die haben nicht sofort tolle Klubs übernommen, sondern erst einmal in der Jugend oder bei den Amateuren oder später in der zweiten Liga gearbeitet. So holt man sich Erfahrung, da wirst du für spätere Zeiten bei einem großen Klub präpariert.
Der Trend zuletzt, vor allem nach Klinsmanns Arbeit als Team-Chef der Nationalmannschaft, ging verstärkt zu jungen Trainern. Das schien manchmal wie ein Hype bei den Vereinen: Hauptsache jung.
Da habt ihr von den Medien doch schön mitgemischt.
Herr Heynckes, die Medien können doch keine Trainer einstellen.
Aber Druck ausüben. Aber Sie haben Recht: Die Hauptursache lag bei den Vereinen. Die haben sich manchmal blenden lassen.
Junge Trainer greifen seit Jahren in der Vorbereitung zu Teambuildung-Maßnahmen wie gemeinsames Kochen oder Klippenspringen. Ihre Mannschaft ist in einen Vergnügungspark gefahren.
Das ist aber keine Teambuildung-Maßnahme, die haben schwere Beine, da ist es gut, wenn sie mal frei haben. Das Entscheidende ist, was auf dem Platz passiert oder wenn man abends einfach mal länger zusammensitzt. Alles andere sind nur schöne Bilder für die Medien.
Haben Sie Ihrem Freund Uli Hoeneß geraten, einen erfahrenen Trainer zu Bayern zu holen?
Ja, das habe ich. Die brauchten einen Fußball-Lehrer, der auch kompetent ist. Einen, der die deutsche Sprache spricht. Einen, der in Europa erfolgreich war. Da boten sich dann nicht viele an.
Unter Ihnen als Bayern-Trainer ist vor allem Lukas Podolski wieder aufgeblüht. Ist es richtig, dass er zu einem Verein wie Köln geht?
Ich habe immer gesagt: Wenn ein Spieler bei Bayern ist und Titel holen kann, dann muss er alles versuchen, das auch zu tun. Ich denke, dass seine Entscheidung eine sehr emotionale war, dass er aus der Enttäuschung heraus entschieden hat. Und: Er muss sich wohlfühlen, um Leistung zu bringen. Er ist ein Wohlfühlspieler.
Sind Sie immer noch der Meinung, dass der FC Bayern Podolski nicht hätte verkaufen dürfen?
Ich hätte Lukas Podolski nie weggegeben. Es gibt nicht viele Fußballer in Deutschland, die das können, was er kann.
Wie wollen Sie Bayer Leverkusen den Vize-Fluch austreiben? In den vergangenen Jahren verlor man alle entscheidenden Spiele, zuletzt das Pokal-Finale.
Ich will meinen Spielern folgendes vermitteln: Man darf nie aufgeben, man darf nie lernen, zu verlieren. Das muss in die Köpfe bei Bayer Leverkusen rein. Die Philosophie bei Bayer war so: Man spielte attraktiven Angriffs-Fußball, aber es gab dieses extreme Erfolgs-Denken nicht. Jetzt will ich dieses Sieger-Gen nach Leverkusen bringen.
Sind Sie vielleicht der einzige in Leverkusen, der dieses Gen zurzeit hat?
Dieses Gefühl habe ich nicht. Das Gen ist vielleicht etwas verschüttet, man muss es nur herauskitzeln. Früher als Spieler in Gladbach haben wir Gott sei Dank nie den Fehler gemacht und hatten die Spiele schon vorher gewonnen. Bei großen Klubs wird das Wir-müssen-siegen-um-jeden-Preis-Denken von Generation zu Generation weitergegeben. Das kann bei Leverkusen noch gar nicht stattgefunden haben.
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