Sami Hyypiä im Interview "Ich war nie das größte Talent der Welt"

  • Liverpool-Legende Sami Hyypiä erzählt, warum es ihn auf seine alten Tage nach Leverkusen verschlagen hat und warum Liverpool für ihn wie ein Märchen war.


    Herr Hyypiä, wie gefällt es Ihnen in Ihrer neuen Umgebung?


    Gut bislang. Deutschland ist ein großes Fußballland, die Bundesliga eine der großen europäischen Ligen. In Liverpool habe ich in der abgelaufenen Saison ja nur wenig gespielt und wusste, ich würde dort auch in der neuen Runde nicht so viele Spiele machen, wie ich es gewollt hätte.


    Also haben Sie sich anderweitig umgesehen.


    Das habe ich. Ich hatte viele Angebote aus England, aber das war kompliziert...


    ...weil Sie nicht gegen die "Reds" spielen wollten?


    Ja, das war sicher auch ein Grund, warum ich mich für Deutschland, für Bayer 04 entschieden habe. Der Klub hat mir von Anfang das Gefühl gegeben, dass man mich hier wirklich haben will. Natürlich habe ich auch ein paar deutsche Freunde angerufen und sie zum Klub befragt.


    War darunter Tote-Hosen-Sänger Campino? Er ist ja einer ihrer Freunde.


    Nein, wir haben vor dem Wechsel nicht telefoniert. Aber ich habe ihm eine SMS geschickt und ihn gefragt: "Wirst du immer noch mein Freund sein?"


    Weil er ein großer Fan von Fortuna Düsseldorf ist.


    Genau. Er hat aber geantwortet, es sei okay. Ich habe Markus Babbel angerufen, den ich aus der gemeinsamen Zeit in Liverpool sehr gut kenne und mit dem ich seitdem in Kontakt geblieben bin. Auch Philipp Degen habe ich gefragt, der ja von Borussia Dortmund nach Liverpool kam. Sie haben nur Positives über Bayer 04 berichtet. Nun bin ich ein paar Wochen da und kann sagen: Es läuft alles sehr professionell.


    Wie sieht´s mit den Sprachkenntnissen aus? Kommen Sie und die Mitspieler schon klar?


    Mein Problem ist im Moment, dass die Jungs alle ihr Englisch verbessern wollen und deshalb englisch mit mir reden. Ich will aber, dass sie deutsch sprechen. Auf dem Spielfeld gibt es aber kein Problem. Es sind ja nur ein paar Kommandos, die du brauchst. Ich hatte in der Schule fünf Jahre Deutschunterricht, irgendwo in meinen Kopf muss also noch eine kleine Basis sein. Ich verstehe ziemlich viel von dem, was Trainer Heynckes in den Team-Besprechungen sagt, eigentlich alles. Er spricht sehr klares Deutsch.


    Haben Sie den Bundesliga-Fußball in den vergangenen Jahren eigentlich verfolgt?


    Nicht jede Woche. Aber klar, wenn ich Spiele sehen konnte, etwa am Freitagabend, habe ich sie mir natürlich angeschaut. Das Niveau ist sehr hoch. Ich glaube, es ist anders als in der Premier League, wo die ersten vier Plätze doch ziemlich fest vergeben sind und die anderen Teams um die restlichen Positionen kämpfen. In der Bundesliga ist Bayern immer Favorit. Aber dahinter sind acht, neun Teams auf Augenhöhe.


    Sie kennen die verbreitete Meinung über das Team von Bayer, dem viel Talent, aber zugleich ein Mangel an Konstanz und Erfahrung zugeschrieben wird?


    Ja. Als ich hier meinen Medizin-Check machte, habe ich mir eine DVD mit vier Spielen aus der vergangenen Saison mitgenommen. Da konnte man sehen, dass die Auftritte sehr wechselhaft waren. Bayer wollte mehr Erfahrung im Team, das war sicher einer der Gründe, warum sie mich wollten. Ich weiß, was es braucht, um sich zu verbessern. Man muss hungrig sein. Und man muss bereit sein, neue Dinge zu lernen und hart zu arbeiten. Wenn du eines Tages mit dir selbst zufrieden bist also bei mir würden da im Kopf sofort die Alarmglocken klingeln.


    Sie hatten das Problem mit der Selbstzufriedenheit nie?


    Natürlich bist du glücklich, wenn du die Champions League gewonnen hast oder auch den Uefa-Cup. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit mir zufrieden gewesen zu sein. Ich war nicht das größte Talent der Welt und musste immer hart arbeiten, um zu erreichen, was ich erreicht habe. Ich denke bis heute so: Ich nütze niemandem, wenn ich nicht hart arbeite ob im Training oder im Spiel. An dem Tag, an dem ich nicht mehr versuche, mich zu verbessern, schlage ich einen Nagel in die Wand und hänge meine Fußballschuhe dran.


    Ist diese Ethik etwas, das sie jüngeren Spielern vermitteln wollen?


    Ich lasse nicht den Allwissenden raushängen, falls Sie das meinen. Aber wenn ich im Training durch meine Einstellung ein Vorbild sein kann, hilft das vielleicht anderen, über sich selbst nachzudenken. Ich bin selbst mein größter Kritiker. Nach einem Spiel gehe ich alles noch mal im Kopf durch, frage mich, was ich hätte besser machen können.


    Was erwarten Sie von der Bundesliga?


    Soweit ich weiß, hat die Bundesliga die meisten Zuschauer aller großen Fußball-Ligen überhaupt. Die Stadien sind alle neu. Also wird der Rahmen richtig gut sein.


    Aber doch nicht ganz dasselbe wie an der Anfield Road vor der legendären Tribüne The Kop?


    Klar werde ich die Liverpool-Fans vermissen. Aber wir haben als Spieler großen Einfluss auf die Stimmung im Stadion hier. Wenn wir gut spielen, wird sich das positiv auf die Atmosphäre auswirken.


    Wo liegen die Unterschiede zwischen dem Fußball in der Premier League und der Bundesliga?


    Vielleicht ist das Tempo in England ein bisschen höher, es geht mehr rauf und runter. Aber es hat sich schon stark geändert. Es gibt viele ausländische Spieler und Trainer, die eine andere Vorstellung von Fußball mitgebracht haben. Man hat sich dem Spiel auf dem Kontinent stärker angepasst. Es heißt, die Premier League ist der Ort, wo du sein musst, dort sind die besten Spieler. Das stimmt in gewisser Hinsicht...


    ...weil dort das meiste Geld gezahlt wird.


    Ja, aber Geld ist nicht alles. Natürlich gibt es dort Spieler mit großen Einkommen.


    Sie versuchen, das Wort "verrückt" zu vermeiden.


    Von mir aus, nennen Sie es verrückt. Aber ich denke, als beispielsweise Abramowitsch nach Chelsea kam mit seinem Geld und diese exzellenten Spieler holte, war das letztlich gut für das Spiel. Es hat das Interesse gesteigert.


    Waren die letzten Wochen in Liverpool eine traurige Zeit?


    Natürlich. Ein Abschied ist nie einfach. Das letzte Spiel war eine sehr emotionale Sache. Ich hatte schon befürchtet, ich würde von der ersten bis zur letzten Minute heulen. Aber ich konnte mich ganz gut zusammenreißen. Bis die Gefühle am Ende rausbrachen. Die Fans waren großartig. Ich werden sie vermissen.


    Sind Sie stolz auf die zehn Jahre in Liverpool?


    Sehr stolz. Der FC Liverpool ist schließlich einer der berühmtesten Fußballklubs der Welt. Und ich war schon als Kind dessen Fan. Da war es natürlich, als ob ein Traum wahr wird, als ich dort unterschrieben habe. Ich hätte damals aber nie gedacht, dass mal zehn Jahre daraus werden. Ich habe mehr als 450 Spiele für sie gemacht. Es war ein Märchen.


    Wie war das dann, als Sie plötzlich Helden Ihrer Kindheit wie Ian Rush oder Kenny Dalglish gegenüberstanden?


    Das sind großartige Momente. Ian Rush war mein Liebling. Er hat immer sehr hart für das Team gearbeitet. Dann vor ihm zu stehen, ist schon toll. Aber das gilt eigentlich für alle Liverpool-Legenden: Ich bin stolz darauf, sagen zu können: Ich kenne sie.


    Und jetzt sagen einige Leute, Sie sind selbst zur Liverpool-Legende geworden.


    Hmmm, vielleicht in 20 Jahren. Jetzt spiele ich erst mal Fußball, und versuche, Bayer dabei zu helfen, erfolgreich zu sein. Ich habe eine neue Seite in meinem Leben aufgeschlagen und werde nun alles für meinen neuen Klub geben.


    Erwarten Sie, dass Ihre Gegenspieler sich doppelt reinhängen, weil es gegen den großen Sami Hyypiä geht?


    Kann sein. Mir ist egal, was sie tun. Ich begegne jedem Gegenspieler auf dieselbe Weise. Ich bin immer noch angespannt, fast nervös, vor jedem Spiel. Selbst vor Freundschaftsspielen gegen Viert- oder Fünftligisten geht es mir so. Es hilft mir im Spiel.


    Freuen Sie sich schon auf einen bestimmten Gegenspieler in der Bundesliga Mario Gomez vielleicht oder Miro Klose?


    Fragen Sie mich das noch mal, wenn die Saison vorbei ist.


    http://www.fr-online.de/in_und…863166&em_cnt_page=2&sid=