Interview mit Jupp Heynckes: „Das ist ja eine Poldolski-Manie.“

  • Seit gut fünf Wochen ist Jupp Heynckes nun bei Bayer 04 Leverkusen. Vor dem Start in die neue Saison sprachen Kerstin von Kalckreuth und Joachim Schmidt mit dem Trainer des Fußball-Bundesligisten über dessen Mannschaft und das Potential von Podolski.


    Herr Heynckes, Ihr Gegner am Samstag, Mainz 05, hat sich vor dem ersten Spieltag von Trainer Jörn Andersen getrennt. Was sagen Sie dazu?


    Ich bin jetzt seit 30 Jahren Trainer und sage das deshalb, weil mich nichts mehr überraschen kann. Ich müsste die Gründe und Motive kennen, um das zu bewerten. Der Zeitpunkt ist natürlich ungewöhnlich, aber ansonsten nehme ich das hin und schaue, dass ich meine eigene Mannschaft auf Vordermann bringe.


    Inwieweit wirkt sich die Entlassung auf das Spiel aus?


    Es kann natürlich sein, dass der neue Trainer Thomas Tuchel etwas am Spielsystem ändert. Das ist aber nicht so gravierend, weil ich es mit meinen Mannschaften immer so handhabe, dass wir jedes System spielen können. Sollten die Spieler mit dem alten Trainer nicht mehr harmoniert haben, könnte der Wechsel zusätzliche Motivation bedeuten. Wichtig aber ist, wie wir auftreten, wie wir vorbereitet und motiviert sind.


    Welche Rückschlüsse haben Sie aus dem knappen 1:0-Sieg im Pokalspiel in Babelsberg gezogen?


    Dass wir unsere Arbeit intensiv und akribisch fortsetzen müssen. Bayer 04 ist, ich möchte nicht sagen eine Stimmungsmannschaft, aber schon eine Mannschaft, die emotionalen Fußball spielt und die sich von äußeren Einflüssen beeindrucken lässt.


    Zum Beispiel?


    Man sagt ja immer: Die spielen sich in einen Rausch - das ist positiv, es ist gut, mit der Unterstützung des Publikums zu spielen. Aber man muss immer noch kontrollierten und organisierten Fußball spielen. Das vergessen meine Jungs ab und zu mal. Wichtig ist auch, dass Schiedsrichter-Entscheidung respektiert werden. Dass man sich da nicht aus dem Gleichgewicht bringen lässt, diskutiert und darüber seine Aufgaben auf dem Spielfeld vergisst. Oder auch äußere Einflüsse, wie Rivalitäten mit Gegenspielern, persönliche Duelle, das gehört nicht in den Fußball. Wir brauchen eine große Disziplin, um unser Spiel durchzubringen. Da ist die Mannschaft sicher noch nicht so weit, dass wir solch einen kontrollierten Kollektivfußball spielen und uns nicht beeinflussen lassen.


    Sind Sie zu diesen Erkenntnissen schon gelangt, als Sie den Bundesligafußball mit etwas Abstand im zwischenzeitlichen Ruhestand verfolgt haben?


    Ja. Wenn ich eine Mannschaft sehe, dann kann ich Ihnen sagen, ob sie richtig guten Kollektivfußball spielt, also sich als geschlossenes Team präsentiert, oder ob sie von der Emotion lebt und von einzelnen Spielern, die drauflos spielen. Das wusste ich, aber ich wusste auch, dass die Leverkusener Mannschaft viel Talent hat, viele junge Spieler, die in ihrer Entwicklung noch nicht am Ende sind. Das ist eine schwierige Aufgabe und ein Prozess, der dauert. Aber bei dieser Mannschaft lohnt es sich, damit anzufangen.


    Bayer hat ganz gezielt auf Sie als erfahrenen Trainer gesetzt. Fällt Ihnen die die Arbeit mit dieser vergleichsweise unerfahrenen Mannschaft leichter als vor 30 Jahren?


    Natürlich. Als junger Trainer wollte auch ich die Welt einreißen. Im ersten Jahr in Mönchengladbach 1979 / '80 sind wir mit einer Mannschaft im Umbruch Siebter geworden und haben das Uefa-Cup-Endspiel erreicht. Das war schon Wahnsinn, aber ich habe natürlich Fehler gemacht, viele Fehler. Und es ist ja leider Gottes heute so, dass die jungen Trainer das nicht mehr dürfen. Wir leben in einer ganz anderen Zeit mit einer anderen Mediensituation. Meine Erfahrung ist natürlich für mich von großer Bedeutung, dass ich erkenne, wo es hakt und was verändert werden muss. Nur, ich muss die Spieler dazu bringen, diese negativen Angewohnheiten zu ändern, und das ist nicht so einfach. Da muss man sehr unnachgiebig und konsequent sein und natürlich auch überzeugend. Sie können nur etwas verändern, wenn Sie die Köpfe der Spieler erreichen. Sie müssen sie überzeugen.


    Wie kann das gelingen?


    Ein Beispiel aus Leverkusen: Toni Kroos ist ein großes Talent. Ich hatte vor drei Wochen ein längeres Gespräch mit ihm und habe ihm gesagt: „Du bist ein großes, wirklich ungewöhnliches Talent, aber es gehört einfach etwas mehr dazu, um ein überdurchschnittlicher Spieler zu werden.“ Das hatte ihm vorher wohl noch nie jemand so gesagt. Jetzt arbeitet er im physischen Bereich, im fußballerischen und an der läuferischen Substanz. Toni hat das akzeptiert, verhält sich jetzt ganz anders und versucht das umzusetzen.


    Sie sollen Bayern-Manager Uli Hoeneß zu Louis van Gaal als Trainer geraten haben. Hat er Ihnen auch zu Bayer geraten?


    Na klar habe ich Uli angerufen - da hatte ich in Leverkusen aber schon zugesagt. Ich mache meine Entscheidungen genauso wenig von seiner Meinung abhängig, wie Uli seine von meiner Empfehlung. Aber wir sind Freunde und haben immer über alle möglichen Themen gesprochen, auch außerhalb des Fußballs. Ich habe Uli gesagt, dass Louis van Gaal ein absoluter Fachmann ist, nur als Person etwas gewöhnungsbedürftig. Und Uli hat mich zu meiner Entscheidung beglückwünscht und gesagt, dass Bayer ein sehr seriöser und guter Club sei. Wir haben, seitdem wir Nationalspieler waren, einen guten Kontakt. Als er damals mit dem Flugzeug abgestürzt war, habe ich ihn nicht wie viele anderen sofort angerufen, sondern ihn eine Woche in Ruhe gelassen. Dann haben wir eine Stunde telefoniert. Damals war ich Trainer in Mönchengladbach, und bei dem Telefonat hat er gesagt: „Eines sage ich dir: Irgendwann wirst du Trainer des FC Bayern werden.“ (lacht) Ich hab' nur geantwortet: „Da weißt du mehr als ich.“ So ist unser freundschaftliches Verhältnis gewachsen. Und so bin ich schließlich auch gegen Ende der Rückrunde in München gelandet, um Uli und den Bayern zu helfen.


    Was hat den Ausschlag gegeben, anschließend nach Leverkusen und nicht zurück in den Ruhestand zu gehen?


    Ich habe in München Blut geleckt und festgestellt, dass es mir wieder Spaß macht, mit den Spielern zu arbeiten. Mir haben es die Bayern-Profis auch sehr leicht gemacht. Man sagte zwar, die Mannschaft sei schwierig, aber ich denke, dass entscheidend ist, wie man als Trainer auftritt und sich präsentiert. Von Anfang an hat das sehr gut funktioniert. Das hört sich vielleicht abgedroschen an, aber es ist wichtig, dass ich als Trainer die Spieler respektiere. Das habe ich immer gemacht und bin damit gut gefahren. Als dann der Anruf von Rudi Völler kam, habe ich eine Nacht darüber geschlafen und dann habe ich gedacht: Warum nicht? Ich fühle mich wieder voll da, nachdem ich vorher gesundheitlich ein paar Probleme hatte. Und es war die richtige Entscheidung.


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    Der Rest vom Interview: http://www.rundschau-online.de…tikel/1248965022317.shtml