Vom Fenster seines Büros hat Wolfgang Holzhäuser den ultimativen Überblick. Vom dritten Stock des Verwaltungstraktes, der in einen Abschnitt der Stadiontribüne integriert ist, kann der Sprecher der Geschäftsführung von Bayer Leverkusen direkt in die Arena schauen. Die steht nach dem Umbau kurz vor der Vollendung, mit einem weißen, eleganten Runddach - das nächste neue Stadion in der Bundesliga. Rund 70 Millionen Euro wird es kosten, finanziert von der Bayer AG, in Raten zu tilgen von der Fußball-Tochter.
Als die Aufträge vergeben wurden, war der Stahl noch viermal teurer als nun in der Rezession. Pech. Das wichtigste Renditeziel der Arena sei sowieso der „Imagegewinn“, betont Holzhäuser. Und mit dem Konzern im Hintergrund und den stabilen Verhältnissen an diesem Bundesligastandort kann der Verein trotz Krise wirtschaftlich gesehen zuversichtlich in die nähere Zukunft blicken.
Fangemeinde hält die Stange
22.000 Fans kamen zur Saisoneröffnung, in Bayer-Dimensionen vergleichbar den 100.000 bei Schalke. Aus 800 Vereinsmitgliedern vor ein paar Jahren sind weit mehr als 20 000 geworden, darunter 5000 Kinder und Jugendliche im „Löwenclub“. Obwohl der Verein eingekeilt ist von anderen namhaften, traditionsreichen Bundesligastandorten wie Köln, Schalke, Mönchengladbach oder auch neuerdings Fortuna Düsseldorf in der zweiten Liga, läuft der Absatz von Karten höchst zufriedenstellend. „Der Mensch sucht in Krisenzeiten Ablenkung und will auch seine Freizeit weiterhin abwechslungsreich gestalten“, sagt Holzhäuser.
Die Leverkusener Fangemeinde hält dem Klub trotz des enttäuschenden Verlaufs der zweiten Hälfte der Vorsaison die Stange. Nur im Hospitality-Bereich ist bei Bayer eine leichte Zurückhaltung der Kundschaft zu spüren. Die Zuwachsraten der vergangenen Jahre würden zwar erstmal nicht mehr erreicht werden. Aber der Fußball sei von der allgemeinen Rezession weitaus weniger betroffen als viele andere Branchen. „Die Konjunktur des Fußballs unterliegt kleineren Schwankungen“, sagt Holzhäuser. Und mit Blick auf erste Schwarzseher in der Branche sagt der Bayer-Chef: „Wer jetzt in der Bundesliga die Auswirkungen der Krise auf den Fußball beklagt, jammert auf hohem Niveau.“
Neustart mit Heynckes
Ihrer Kundschaft auf der Tribüne bieten die Leverkusener nicht nur räumlich, sondern auch sportlich einen Neustart zum Hingucken. Nächste Woche gegen Hoffenheim kommt es zum ersten Heimspiel. Der weltgewandte und mit Fußballtiteln hochdekorierte Fahrensmann Jupp Heynckes (siehe: Jupp Heynckes: „Junge Trainer sind gute Verkäufer ihres Jobs“) und Jupp Heynckes: Feuer und Flamme in Leverkusen) hat den mit seiner allzu kompromisslosen Strategie gescheiterten Jungtrainer Bruno Labbadia abgelöst. Der jungen Mannschaft, die zwar über viel Talent und Zukunft, aber zu wenig Routine verfügt, woran sie offensichtlich litt, wurde jetzt eine Sicherung eingebaut.
Der Faktor Erfahrung soll vom neuen Abwehrchef Sami Hyypiä eingebracht werden. Der ist 35 Jahre alt, gewann die Champions League und war lange Zeit eine unentbehrliche Größe für den FC Liverpool, für den er mehr als 460 Einsätze hatte. Seine Arbeitsauffassung soll ausstrahlen auf die jungen Überflieger im Team, die noch Orientierung brauchen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit mir zufrieden gewesen zu sein. Ich bin nicht das größte Talent der Welt und musste immer hart arbeiten. Ich denke bis heute so: An dem Tag, an dem ich nicht mehr versuche, mich zu verbessern, schlage ich einen Nagel in die Wand und hänge meine Fußballschuhe daran“, sagte Hyypiä in einem Interview. An diesem Samstag besteitet er mit Leverkusen das erste Bundesligaspiel in Mainz.